Heike Möller

Vampire in den Highlands


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      Rowena betrat den Pub und nahm ihre Sonnenbrille ab. Sie sah flüchtig über die einzelnen Gesichter, die sie neugierig und interessiert ansahen. Ein alter Mann hob lächelnd die Hand und Rowenas angespanntes Gesicht wurde sofort weicher.

      „Brian.“ Sie umarmte den Mann freundschaftlich und gab ihm zur Begrüßung einen Kuss auf die Wange.

      Die braunen Augen des Schotten leuchteten und das wettergegerbte Gesicht mit den vielen hundert Falten schien sich schlagartig zu verjüngen.

      „Herrin“, flüsterte er.

      „Nein, Brian. Rowena. Zum einen mag ich es nicht, wenn du mich so nennst und zum anderen wirft es nur Fragen auf bei denen, die es zufällig hören, aber nicht hören sollen.“

      Brian lächelte verlegen. „In Ordnung. Rowena.“ Er gab der Wirtin, einer kleinen, übergewichtigen und vollbusigen Frau einen Wink. Die Frau nickte und zapfte zwei helle Biere. Brian nahm die Getränke und führte Rowena an einen abgelegenen Tisch, von dem man aber gut den ganzen Pub einsehen konnte.

      Rowena setzte sich hin, warf ihre Sonnenbrille auf den Tisch und schlug ihr Bein über das andere. Sie hatte ihre blonden Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden. Eine weiße Leinenhose und ein hellblaues Polo-Shirt, das sich eng an ihren kurvenreichen Oberkörper anschmiegte, gaben ihr etwas sommerlich Frisches. Als ob sie gerade am Mittelmeer aus einem Boot gestiegen wäre.

      „Also, was habt ihr inzwischen herausgefunden?“ Rowena nippte an dem Bier. Sie mochte das herbe kühle Getränk nicht besonders, aber sie war darum bemüht, so unauffällig wie möglich zu sein.

      „Wie schon gesagt, der Mann kam aus Glasgow. Peter Doghnaty. Arzt. Kam öfter hierher. Kannte sich auch gut hier aus. Hatte immer ein Satellitentelefon bei gehabt und einen Rettungspeilsender.“

      „Sehr umsichtig. Hat wohl wenig dem Zufall überlassen.“

      Brian nickte. „Scott hat herausgefunden, dass Doghnaty den Schwarzen Gürtel in Karate hatte. Und er ging regelmäßig ins Fitnessstudio und Schwimmen.“

      „Also ein gesunder, durchtrainierter Mann, der sich auch zu wehren wusste.“

      „Ja.“ Brian nahm einen Umschlag aus seiner Tweed Jacke und schob ihn Rowena hinüber. Wortlos nahm sie ihn auf, öffnete ihn und nahm den Inhalt heraus. Es waren Fotos vom Tatort mit der Leiche. Nahaufnahmen zeigten deutlich die Biss- und Rissspuren am ganzen Körper. Der Gesichtsausdruck des Toten zeigte überdeutlich, dass er gelitten hatte, bevor der Tod ihn gnädig umfing.

      „Großer Schöpfer!“ Rowena steckte die Fotos schnell wieder in den Umschlag.

      „Ja.“

      Rowena nahm einen Schluck von dem Bier und ließ ihren Blick durch die Gaststätte schweifen. Einige Männer sahen mit unverhohlenem Interesse zu ihr hinüber, einige Frauen blickten eher misstrauisch. Rowena durchflog schnell deren Gedanken, konnte aber nichts Verdächtiges feststellen. Die eindeutigen Gedanken, die sie bestrafen, ignorierte sie einfach. „Gibt es auffällige Fremde?“

      Brian lächelte spöttisch. „Du meinst außer den Horden an Touristen, die hier jedes Jahr herkommen, Wildwasserfahrten und Campingtouren unternehmen? Ja, die gibt es.“

      Rowena lächelte etwas. Sie mochte die bärbeißige Art des Mannes. Im Inneren steckte ein herzensguter Mensch.

      „Da gibt es einen Mann aus London. Kam vor etwa einer Woche. Ist ständig für sich, hockt im Pub oder auf dem Friedhof. Vor dem Grab der Millie Downforth.“

      „Millie? Sie starb doch vor drei Jahren an Lungenkrebs, nicht wahr? Hatte sie vielleicht Verwandte in London?“

      „Nicht das ich wüsste. Scott ist dabei, anhand des Autokennzeichens herauszufinden, wer der Mann ist. Er hat sich hier als John Smith eingetragen.“

      „Wie einfallsreich.“ Rowena verdrehte die Augen.

      Brian lachte humorlos auf. „Dann gibt es ein Pärchen, ebenfalls aus London. Neureich, in einem Porsche unterwegs. Sie ist aufgetakelt und unecht.“

      „Unecht?“

      Brian wurde etwas rot. „Na ja. Operiert, wenn du weißt, was ich meine. Ihre Hupen … sitzen immer an der gleichen Stelle.“

      Rowena verkniff sich ein lautes Lachen. „Verstehe. Und der dazu gehörige Typ?“

      „Prahlt mit seinem Geld und tut so, als ob er ein Kolonialherrscher wäre und wir die dummen Untertanen.“

      „Na toll.“ Das war genau die Sorte Mensch, die Rowena am allerwenigsten leiden konnte. „Wie ich euch kenne, habt ihr doch schon etwas geplant, damit dieses entzückende Pärchen die Gegend so schnell als möglich verlässt.“

      Brian sah Rowena mit gespieltem Entsetzen an, aber der Schalk sprang förmlich aus seinen Augen. „Das traust du uns zu, große Mutter?“

      „Sch-sch!“ Rowena musste jetzt doch grinsen.

      „Wir wollten nur damit warten, bis du die beiden in Augenschein genommen hast. Falls die was damit zu tun haben.“

      „Danke, Brian. Ich sehe sie mir bei Gelegenheit an. Wenn sie okay sind, gebe ich euch grünes Licht. Aber denke daran, keine Körperverletzung.“

      Brian hob beschwichtigend die Hände. „Wir wollen keinen Krieg mit England riskieren.“

      Rowena trank einen weiteren Schluck und beobachtete einen Mann, der gerade den Pub betrat.

      „Das ist ein deutscher Tourist.“ Brian hatte Rowenas Blick bemerkt. „Auch ein Einzelgänger Hat immer sein Notebook dabei, treibt sich ebenfalls auf dem Friedhof, in den Kirchen und in den Stadtarchiven herum.“

      Rowena wurde neugierig. Der Mann war nicht sehr groß, vielleicht 1,70 Meter. Die dunklen Haare waren millimeterkurz geschoren und er trug eine runde Brille mit silbernen Rand. Die kurzen, kräftigen Beine bildeten ein leichtes `O´ und er hatte eine schlanke Figur mit trapezförmigen Oberkörper. Er trug eine ausgewaschene Jeans und dazu ein weißes T-Shirt, dass seine ausgeprägte Brustmuskulatur betonte. Muskulöse, sehnige Arme ragten aus den T-Shirt-Ärmeln und wiesen eine gesunde Bräune auf. Unter dem einen Arm hatte er ein Notebook geklemmt, unter dem anderen eine Zeitung.

      Er sah sich kurz um und sein Blick blieb kurz bei Rowena hängen. Eine Augenbraue zuckte kurz nach oben und hellblaue Augen starrten sie verblüfft an. Dann schien der Mann sich wieder zu fassen, nahm das Bier von der Theke, dass die Wirtin hingestellt hatte und setzte sich in eine der hinteren Ecken an einem Tisch.

      „Ich glaube, er hat dich bemerkt, Rowena“, sagte Brian leise.

      Sie zuckte mit den Schultern. „Ich kann ihn nicht lesen. Muss ihn in ein Gespräch verwickeln. Aber später. Noch irgendwelche Kandidaten?“

      Brian zählte noch fünf weitere Einzelgänger auf. Zwei davon saßen im Pub und Rowena sondierte ihre Gedanken. Sie konnte bald Entwarnung geben, diese beiden konnten aus dem Kreis der Verdächtigen ausgeschlossen werden.

      „Es könnte auch sein, dass der Mörder ein Wanderer ist“, meinte Rowena am Ende.

      „Ein Wanderer?“ Brian trank sein Bier aus und stellte das leere Glas sanft auf den Tisch.

      „Ja. Jemand, der von Ort zu Ort zieht und sich nicht um Gesetze schert. Weder um die der Sterblichen noch meiner Art. Ich werde mir morgen den Tatort ansehen. Ist Scott Palatin ein Eingeweihter?“

      Brian nickte. „Ja. Ist er. Willst du dich morgen mit ihm treffen?“

      Rowena nickte. „Ich denke, dass es gut wäre, mit ihm zusammen zu arbeiten.“

      „Ich werde Scott Bescheid geben. Brauchst du sonst noch etwas, Rowena?“

      Rowena lächelte ihn liebevoll an. „Nein. Danke, Brian. Ich werde mich noch um den Deutschen kümmern und fahre dann zu meinem Haus. Ich bin etwas müde.“

      „Hungrig?“

      Rowena hatte tatsächlich