Frater LYSIR

Magisches Kompendium - Der Mors Mystica, andere Tode und Initiationen


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und ob man die Erzengel, die Malachim und auch das Dreiergestirn in Daath – Choronzon, Charbiel und Tsamael – als Geschwister sieht, die Lohe der Läuterung wird einen erfüllen und umgeben. Dies ist die zweite Läuterung und wieder wurde alles Unnütze, Ausgediente, Fruchtlose und Infertile verbrennen. Alle Lügenkonstrukte des profanen und sogar des magischen Lebens werden hier vernichtet. Erst wenn man man bis auf seine Grundmauern erschüttert wurde und erkennen konnte, wo das eigene Fundament wahrlich fest steht, wird man neu werden.

      Man muss verstehen, wie das eigene Fundament beschaffen ist, man muss die Hammer- und Axtschläge erdulden, man muss schauen, wo man auf tönernen Füßen gebaut hat, ob man auf Stahlfüßen steht, welche sich vielleicht nur etwas verbiegen und ausdehne, im Grunde aber stabil stehen, oder ob man ein Fundament hat, das die Flammen aufnimmt und selbst transformiert, ein Fundament, das wie das Innere eines Sterns ist und gleichzeitig so strukturiert wie ein Diamant. Wenn man ein solches Fundament erreichen kann – welches ab und zu doch etwas Holz sammelt, damit der nächste Mors Mystica nicht zu langweilig wird – wird man die ganzen Feuer-Metaphern verstehen. Man wird sich als neuer Mensch, wie Phönix aus der Asche, erheben. Dies ist der Mors Mystica, der mystische Tod, das Erwecken eines „Phönix-Menschen“, der sein Fundament nun erkannt hat und beginnen kann, es zu perfektionieren. Wie gesagt, es ist menschlich, dass man doch hin und wieder ein paar kleinere „unnütze Dinge“ ins Fundament einbringt, sodass der Mors Mystica ein zyklischer Prozess ist, der immer dann greift, wenn man beginnt, seinen „wahren Pfad“ zu verlassen und gegen sein „wahres Selbst“ zu handeln. Doch es wäre eine langweilige Inkarnation, wenn man nicht manchmal Prüfungen erleben kann, deren einzige Erfüllung ein echtes Scheitern ist.

      Gut, diese brachialen Bilder entstammen der neuen Zeit – vor allem da auch der Kosmos selbst immer mal wieder Phasen der Läuterung und des Mors Mystica durchläuft – denn die mittelalterliche Mystik sah den „mystischen Tod“ eher als eine Selbsterkenntnis und ein Verstehen an, dass man erkennt, wer und was man ist. Auch hier ist die bildhafte Beschreibung des Einswerdens von Erkenntnissubjekt und Erkenntnisgrund korrekt und auch hier findet zurecht eine Zusammenballung zwischen MENSCH und dem göttlichen SEIN statt, doch muss man auch immer die Lebensumstände berücksichtigen. Hierbei muss jede Wertung fortgelassen werden, denn der Mors Mystica „ist immer“ eine Vorstellung des „Absterbens“, welches ein Individuum durchleben / durchleiden muss. Was jedoch der eine Mensch als „unmenschlich“ und „nicht zu schaffen“ deklariert, sieht der andere Mensch als Alltag an. Ein Absterben der persönlichen Wünsche, Plänen und Affektbeziehungen sind nie schön, egal, ob es den Menschen im Mittelalter oder in der aktuellen Zeit traf. Doch die Erkenntnismöglichkeiten haben sich verändert, genauso wie das Leben und der Alltag des Menschen. Selbst neue „kosmische Spieler“ sind vorhanden, sodass der heutige Mors Mystica anders ist als der mystische Tod des Mittelalters.

      Es bleibt zwar dabei, dass man im mystischen Tod alle möglichen Bilder und Erkenntnisse der spirituellen Ebene verstehen und auch überwinden kann, doch sind die Hürden dieser Erkenntnis anders. In der heutigen Zeit, mit allen therapeutischen Maßnahmen, Krankenscheinen, Burn-Out-Epidemien und der Tatsache, dass man definitiv in Deutschland nicht mehr verhungern kann, wird man andere Herausforderung besitzen, als es im Mittelalter der Fall war. Zwar musste man zu jeder Zeit hinter den Spiegel der Eindeutigkeit schauen, um so wahre Einsicht zu finden, doch sind die aktuellen Spiegel manchmal einfacher zu durchschreiten. Egal, wann man „mystisch gestorben“ ist, man bekommt immer die Möglichkeit völlig neu zu werden, neu auf allen Ebenen. Daher kann es nicht oft genug erwähnt und betont werden, dass alles, was ALT ist, alles, was überholt, alles, was hinderlich ist, alles, was als Ballast und Gewicht zu deuten ist, getilgt werden wird. Es wird alles verbrennen, im kosmischen Feuer der Läuterung. Das Dumme ist nur, dass die Bewertungen über diesen Ballast, diese Gewichte, diese Hindernisse, diese alten und überholten Dinge und Muster, NICHT vom Ego des Menschen getroffen werden. Wäre dies der Fall, hätte man sicherlich keinen Ballast, man hätte keine hinderlichen Gepäckstücke und man hätte auch keine Hindernisse auf den Weg zu den höheren Ebenen. Nun, zum Glück werden diese Bewertungen nicht vom Ego getroffen, sondern von den eigenen höheren Anteilen, wobei das höhere Selbst im Grunde auch nur ein Fragment diese „Bewertungskommission“ ist.

      Der Atmankörper bildet zusammen mit den kosmischen Anteilen und auch den verschiedenen autarken Energien, die man im Laufe seiner Evolution kontaktiert hat, einen Rat, der hier klare und harte Entscheidungen trifft. Diese Entscheidungen wird man akzeptieren müssen – ob das Ego dies will, oder nicht. Mitleid und Gnade wird es nicht geben, im Gegenteil. Es werden eher die menschlichen Verfehlungen beleuchtet und dem Ego wird das „Was-wäre-wenn-Spiel“ aufgedrückt, sodass man sich immer wieder und wieder die verschiedensten Entscheidungen aus der Vergangenheit vor Augen hält. Man wird seine Entscheidungen hassen, man wird sich selbst einen Narren schelten, man wird schreien, kreischen, jammern und klagen – und dies alles wird nichts bringen. Absolut nichts, denn man muss in diesem Zusammenhang akzeptieren, dass diese Bewertungskommissionsenergien, natürlich zum eigenen Selbst gehören und definitiv keinen Wert auf „menschliche Betrachtungsweisen“ legen.

      Was für die magisch-mystische Evolution hinderlich ist, kann für den Menschen mit seinem Ego sehr bequem sein, was für die magisch-mystische Evolution förderlich ist, kann für den Menschen mit seinem Ego sehr schmerzlich sein! Dies sind die ersten Prozesse des Mors Mystica, die ersten Schritte in die Selbstauflösung und die anschließende Neuwerdung.

      Die Neuwerdung beginnt – wie schon erwähnt – im Abyss, im Schmelztiegel. Doch bevor man den Mittelpunkt erreichen kann, wird man weitere Prüfungen erdulden müssen. Man wird vor den verschiedensten „Türen“ stehen, vor Türen, die das Neue noch verbergen, dennoch erahnen lassen, dass es bereits existiert. Im mystischen Tod wird man einige dieser Türen durchschreiten, doch nicht alle. Man wird eine bestimmte Tür auswählen und erfahren können, um dann weiter in ein neues Leben zu gehen, ein neues Leben, das aber auch wieder irgendwann an einer weiteren „Tür“ enden wird. Indem das „alte Ich“ erlischt, also der mystische Tod eintritt, wird der Mensch empfänglich für seine wahre, göttliche Natur. Stück für Stück wird man sich entwickeln und mehr und mehr Türen wird man in dieser Entwicklung öffnen können. Der Weg zwischen zwei Türen muss nicht das gesamte „neue Leben“ sein, und nicht jede Tür muss für den Beginn eines Mors Mystica stehen – zumindest dann nicht, wenn man schon einige Türen durchschritten und gemeistert hat. So wie sich eine Schlange ihr ganzes Leben häuten wird, wird der Mensch immer wieder und wieder einen Mors Mystica erleben. Während die Schlange und der Mensch beide im Wachstum sind – die Schlange auf materieller bzw. physischer Ebene und der Mensch auf energetischer bzw. psychischer Ebene – wird die Häutung / der Mors Mystica recht häufig stattfinden, was bedeutet, dass der Mors Mystica zu Beginn wirklich immer zwischen zwei Erkenntnistüren liegt. Wenn man jedoch seinen Platz im Großen Werk eingenommen hat, wenn man erwachsen ist, bzw. die Schlange adult ist, wird die Mors-Mystica-Phase bzw. die Häutungsphase nicht mehr so häufig vorkommen.

      Auf der Reise „zwischen den Türen der Erkenntnis“ ist jedes Festhalten an alte Muster ein manifester Riegel an der nächsten Tür. Der natürliche Lebensfluss wird gehindert, was bedeutet, dass sich diese Energie einen neuen Weg suchen wird bzw. mit der Zeit jedes Hindernis tilgen wird. Natürlich werden die Riegel und Barrieren, die durch dieses Festhalten entstehen, nicht von den eigenen höheren Anteilen geduldet werden, sodass auch hier wieder das Feuer der Läuterung zu einem Schneidbrenner wird, wodurch die Beschränkungen zerteilt und fortgebrannt werden.

      Verbrennen ist alles andere als schön, doch jeder Mensch, der diesen Prozess beginnt und sich beim Verbrennen überlegt, dass es ja doch recht schmerzlich ist, wenn die „kosmischen Flammen“ um einen herum tanzen, wird definitiv seine eigene Hölle errichten und wieder und wieder und wieder und wieder sterben, OHNE jemals wirklich gestorben zu sein. Dickköpfigkeit, Starrsinn, Furcht und profane Ablenkungen sind in diesem Fall die Bausteine der eigenen Hölle und jeder Baustein bietet immer mehr und mehr Zunder an. Nun, aus der Praxis für die Praxis kann ich ohne Weiteres sagen, dass ein menschliches Ego verdammt hartnäckig sein kann. Es ist zwar menschlich, aber auch schmerzlich, wenn es darum geht, alte Muster loszulassen. Je hartnäckiger die Energie der Dickköpfigkeit ist, desto schmerzlicher wird das Verbrennen sein, denn das Ego produziert Brennmaterial, solange es sich