lachte über seine Unwissenheit.
„Ich brauche sogar mehr als einen. Schauen Sie!“
Sie führte Herrn Schneider ganz in den Schuppen hinein.
„Da steht ein Fendt, Baujahr 86, 45 PS, und hier ist mein UTB, ein rumänisches Fabrikat, sehr robust und zuverlässig, mit zwei Arbeitsgruppen, der wurde extra für den Obstbau entwickelt.“
Mit Begeisterung schaute sich der Mann alles an, er war tatsächlich interessiert. „Na, Sie sind wohl ein echter Liebhaber! Aber ich kann diese Traktoren erst im nächsten Jahr verkaufen. Melden Sie sich im Frühjahr wieder, dann sehen wir weiter.“
Die Papiere tauschten den Besitzer, das Geld wurde überreicht und der Traktor auf den Anhänger verladen.
Zufrieden blickte sie auf das Geldbündel.
„Charlie, das war wirklich gut. Wie sagt man? Du lässt dir nicht Butter von Brot nehmen!“
Pavel legte ihr verschmitzt lächelnd den Arm um die Schulter. „Es ist gut gelaufen, und das Geld kann ich auch gebrauchen. Komm Pavel, darauf sollten wir anstoßen. Ich glaube, ich habe da noch einen richtig guten Slibowitz im Haus.“ „Da sag ich nicht nein! Du bist ja nun eine richtig reiche Frau! Bekomme ich nicht noch Lohn von dir?“ „Ha, schon kommen die Geier! Lohn gibt's am Monatsende, du altes polnisches Schlitzohr!“
Scherzhaft versetzte sie ihrem treuen Freund einen Klaps auf den Hinterkopf, bevor sie lachend das Haus betraten.
***
Die kleinen Dörfchen zogen sich wie eine Perlenschnur an der Elbe entlang, und wütend jagte Silke Imhoff ihren alten Mercedes durch die Ortschaften. Trat fluchend auf die Bremse, als hinter einer Doppelkurve ein Traktor auftauchte, und setzte mit aufheulendem Motor zu einem halsbrecherischen Überholmanöver an. Adrenalin pur schoss durch ihre Adern, als sie ihre rasante Fahrt vor dem alten Bauerngehöft stoppte. Sie blieb für einen Moment hinter dem Steuer sitzen, um sich zu beruhigen und wieder zu klarem Verstand zu kommen, bevor sie den Kieselpfad zum Haus hinaufstapfte.
Die Klingel ignorierend trat sie durch die unverschlossene Tür.
„Mutter?“, rief sie hörbar missgelaunt in den dämmrigen Flur, lenkte eilig ihre Schritte zu den Wirtschaftsräumen, als Charlotte erstaunt den Kopf aus einer der Türen steckte.
„Silke? Was machst du denn hier? Musst du nicht arbeiten?“
„Sicher, aber ich habe extra für dich eine Stunde freigenommen!“
Der sarkastische Tonfall verhieß nichts Gutes, sie wollte, dass Charlotte ihre Verärgerung deutlich spürte.
„Ich bin gekommen, um mit dir über einige Dinge zu reden!“, fügte sie in strengem Ton hinzu.
Charlotte zog hörbar Luft durch die Nase, spitzte beleidigt die Lippen und eilte forsch an Silke vorbei.
„Wenn du dafür schon eine Stunde deiner kostbaren Zeit opfern musstest, wird es wohl wichtig sein! Könnten wir uns vielleicht so lange setzen, während du redest?“ Überrumpelt folgte Silke ihrer Mutter in die Küche.
„Kaffee?“, fragte diese mit unbewegter Miene.
„Neeein, Mutter!“
Um deutlich zu zeigen, dass sie nicht etwa zum Kaffeekränzchen gekommen war, blieb sie demonstrativ am Türrahmen stehen. Seelenruhig füllte Charlotte ihre Tasse.
Das sah ihrer Mutter ähnlich, immer die Ruhe bewahren und so tun, als ginge sie das alles gar nichts an! Silke hätte vor Wut platzen können, zwang sich aber, sachlich zu bleiben.
„Warum hast du mir nichts gesagt?“
„Was gesagt?“
Ungläubig schaute sie die Mutter an.
„Dass du unser Land verkaufst!“, erklärte Silke empört.
„Unser Land?“
„Immerhin habe ich ja wohl ein Recht, es zu erfahren, oder?“
„Also bitte, Silke, sei nicht albern. Seit wann interessiert dich denn ‚unser‘ Land?”
Charlotte hob die Augenbrauen.
„Wolltest du plötzlich den Hof übernehmen?“
Irritiert öffnete Silke den Mund, ohne eine passende Antwort zu finden. Natürlich war beiden klar, dass sie sich einen Teufel um den Hof scherte. Darum ging es doch überhaupt nicht! Machte ihre Mutter sich etwa über sie lustig?
Charlotte erwartete keine ernsthafte Erwiderung.
„Ich denke nicht! Dann gibt es auch nichts weiter zu bereden! Also geht es dir etwa um das Geld oder dein Erbe?“
Unwillkürlich wurde Silke laut.
„Natürlich nicht! Ich hätte es einfach gern von dir selbst erfahren als von irgendeinem aus dem Dorf! Weißt du eigentlich, wie peinlich das ist? Warum tut du mir das an?“
Schmerzhaft brannte das Gefühl der erlittenen Demütigung, das Silkes Zorn erneut entfachte.
„Warum beachtest du das Geschwätz der Leute? Es geht niemanden an, was ich mache, und bisher interessierten dich meine Angelegenheiten doch auch nie!“, versuchte sich Charlotte zu verteidigen.
„Mein Gott, ein Satz hätte genügt, um mich zu informieren!“
Seufzend nahm Charlotte einen Schluck Kaffee.
„Ach ja? Wann warst du denn mal hier oder hast angerufen?“
„Mutter, du hast auch ein Telefon!“, widersprach Silke bissig. Die Tasse landete scheppernd auf dem Unterteller.
„Seit Wochen habe ich dich nicht zu Gesicht gekriegt! Glaubst du ernsthaft, ich könnte bis zu meinem Tod hier wirtschaften? Ich werde fünfundsechzig, die alten Knochen plagen mich, und durch die Kälte und Feuchtigkeit krieg ich Rheuma, ich schaff das nicht mehr! Wenn du an Weihnachten oder meinem Geburtstag nicht immer nur mal kurz vorbeigehuscht wärst, hättest du das vielleicht sogar bemerkt.“
Der Vorwurf war nicht zu überhören, doch Silke dachte gar nicht daran, sich davon reizen zu lassen. Zumindest wurde sie nun über den Gesundheitszustand ihrer Mutter aufgeklärt, bevor sie auch das aus dem Dorftratsch erfuhr. Nachher hieß es noch, sie würde sich zu wenig um Charlotte kümmern.
Nach einem Augenblick des Schweigens gab Silke dieselbe Frage weiter, die ihr Kathrin gestellt hatte.
„Wo wirst du wohnen? Gehst du in ein ... Altenheim?“
„Das ist mein Haus, und hier bleibe ich auch. Wenn ich tot bin, kannst du damit machen, was du willst“, kam die Antwort verärgert zurück.
Was sollten sie tun, falls ihre Mutter gebrechlich wurde?
„Bist du dir sicher? Ich meine mit dem Haus?“
„Oh, ja!“
Misstrauisch beäugte Charlotte ihre Tochter, die beschloss, diesen Punkt vorläufig ruhen zu lassen.
„Trotzdem verstehe ich diesen überstürzten Verkauf nicht ganz! Du hast doch Arbeiter? Du musst doch nicht mehr den ganzen Tag draußen schuften!“
Kopfschüttelnd legte sich Charlotte die Hand auf die Stirn. „Diese Arbeiter müssen auch entlohnt werden! Der Hof rentiert sich einfach nicht mehr. Mein Anbaugebiet ist mit zehn Hektar viel zu klein, um große Gewinne zu erzielen. Ein eigenes Kühlhaus kann ich mir nicht leisten, also muss ich die Einlagerung bezahlen. Der Schlepper, die Traktoren und Pflückzüge, die Spritze, alles muss regelmäßig gewartet werden. Im nächsten Jahr müssen die Baumbestände teilweise durch Neuanpflanzungen ersetzt werden. Die Kosten steigen Jahr für Jahr, und ich bin zu alt und zu müde, um wirklich noch nützlich bei der anstehenden Arbeit zu sein.“
Resignierend drehte sie ihr Gesicht zum Fenster, sodass Silke es nicht sehen konnte, und fügte leise bedauernd hinzu: „Es ging nicht anders. Es war das Vernünftigste.“