Erwin Guido Kolbenheyer

Paracelsus


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Hans lugte mißtrauisch hinüber.

      „Du hast ein erschlahn?“

      „Ich hab den Matz Ploch ze Schaffhusen erschlahn unde all min Fröid mit ihm. Ich kunnt ni sagin, wie es ist beschechn, dann der Win wandlet mich ganz. Er ist vor mir gelegen, min Messer in der Brust bis an das Heft. Alle hänt uf mich gewiesen und geschrien: er hat den Matz Ploch erschlahn. – Und ist min Fründ gsi.“

      Sie schwiegen eine Weile, dann fragte der Hans:

      „Was aller Gestalt machet ihr üch ze Narren beid vor üns?“

      „Mit nichten vor allen! Indem der Ruodi Ochsner hat ünser Bueß angesehen. So üns einer gloubet, werdind wir kein Narren nit sin.“

      „Was schweigst nit uf der Straßen ganz und gar, sundern redest als ein hütziger Fraterzell, so du din Moul uftuest? All müssend lachen, es sige dann, daß eim der Zorn ufwischet, darumb daß du tuest als ein Hund, welicher den Fuoß leckt, der ihn tritt.“

      Der Baltisar starrte weithin.

      „Das ist ein schwer Frag, so du tuest. Aber ich muoß min Rousch han. Ehedem ist er im Win gelegen, jetz aber in der Schmach. Wolle Gott, daß dieser ein frumber sije. Ich weiß nit. Mir ist uf diese Stund, als sije ich von Grund us nüchteren. Das machet allein des Ruodi Ochsner Vertrouen. Mir ist, als künnt ich vor üch Ochsner beiden nit meh büeßen, indem mine Buoß in der Schmach leit und daß ich ganz sige zertreten. Ich nit weiß, ist es Himmel oder Höll: daß Gott mich hat vor üch der Buoß erlediget, oder daß der Tüfel mir wolle den Weg wehrin. Ich weiß nit, was es ist.“

      Rudi Ochsner sah, wie die Hände des Baltisar vor innerer Erregung zitterten, er hörte, und er glaubte dem Sonderbaren. Der Hans aber schüttelte den Kopf, doch sah er stumm zu Boden.

      Heini Schürli legte seine Knochenfinger auf des Vaters Arm.

      „Loß ihnen sin“, flüsterte er, „wir wöllends zwingen.“

      „Das ist es nit, Heini. Hot anher keiner geruofen und gewinkt, darumb so ist es still beschechn. Der Ruodi Ochsner hat aber geruofen. Er hat von dem geringen Brot gessen, indem wir sin Gemüet versuochet hänt. Nu gilt ein Frag, was Hochmuet sije oder nit. Dich hänt die Brüederen vom gemeinsamen Leben us Sindelfingen geschickt, uf daß du des Vaters Buoßwerk teilist. Willtu nun Zäun unde Muren ufrichtn?“

      So sahen die Ochsner, daß nicht sie die Wählenden waren, und das verdroß beide nach eines jeden Art.

      Der Rudi meinte: „Sollich Zweifel mügen dich nit bedrucken, Baltisar Schürli. Gang diner Weg nach dem Glouben ohngeschorn umb mich oder ein andern.“

      „Ich habs ton und wills furthin ton. Allein es ist härter, dann du vermögest es ze glouben.“

      Der Hans winkte ab. Er stützte sein Kinn in die Fäuste und genoß die Ruhe. Im Rudi Ochsner stritt Für und Wider. Fast gereute es ihn, daß er sich in den Handel gemengt und den Sohn beim Eid gemahnt hatte. Er wurde eher darüber zufrieden, daß der Hans die scharfe Mahnung bei den wunderlichen Worten des Baltisar verschmerzt zu haben schien, als daß er die Zunge dieses Mannes gelöst hatte. Die Reden des Baltisar fingerten ihm zu nahe bei seinem eigenen Wesen herum, und das stand keinem zu. Der Hans hatte das Richtige erwittert: Halts Maul! Arbeit’ und laß eines Mannes Herz unbeleckt! – Aber es blieb im Rudi Ochsner ein ungeklärter Rest. Er war zu dieser Stunde der unruhigste unter den vier Männern. Die beiden Schürli wichen wieder in ihre Dämmerung zurück. Der Baltisar hatte endlich gesprochen und damit mehr gestillt, als sein Gehaben eigentlich vermuten ließ.

      Da sie die Arbeit wieder aufnahmen, sagte der Hans:

      „Tuet ihr nach ürem Bedünken, ich will üch nit hetzen.“

      „Wir wöllends ton.“

      Sie schafften jedoch nicht weniger als zuvor, da der Wille des starken Mannes über ihnen gestanden war. Sie mühten sich im Schweiße des Angesichtes bis an den Rand ihrer Kräfte. Das tilgte den leisen Verdruß der Ochsner, denn sie sahen, daß die beiden nicht unwert seien. Rudi Ochsner konnte zufriedener den Tag beschließen, als er gehofft hatte, allein weder er noch der Hans sprachen, als sie gegangen waren, während die beiden anderen am Arbeitsplätze rasteten, vom Baltisar Schürli und seiner Buße.

      So ging die Fronzeit zu Ende, ohne daß die ungleichen Männer mehr mit einander geredet hätten, als nötig war. Doch am letzten Abend, da der Klostervogt die getane Arbeit besah und sie der Pflicht ledig geheißen wurden, hing eine leise Spanung den beiden Alten an.

      „So du in einer Not sollt sin, gang ins Ochsnerhüsli an der Tüfelsbruck“, sagte Rudi Ochsner dem Baltisar.

      „Du weißt mine Not, lieber Bruoder, es möcht mir kum eine härter zuostoßen.“

      „Wir hangend all am Leben, Baltisar Schürli.“

      „Das sije Gott geklagt.“

      „Des sije er gepriesen, dann es ist von ihme.“

      „Wohl dir, du hast kein Toten nit vor dir liegen und din Messer steckt ihme in der Brust bis ans Heft.“

      „Ich han als ouch min Toten, Baltisar Schürli.“

      So schieden sie von einander.

      Auf dem Heimwege meinte der Alte zum Hans:

      „Er wird nit kummen.“

      Der Hans brummte: „Sand dannocht Narren beid. So ers im Rousch ton hat, was mueß er all sin Leben darumb hinschmeißen.“

      „Hans, wir sänd all Narren des, was über uns hinweggoht. Und wir sänd in eim ohnsichern Grund verhangen als die Knüppeln in dem Moor. Und weißtu, ob es weise sije unde gerecht, was über üns hinweg willt, dessen hinwider wir die Knüppeln sänd und der Weg? Du weißt es nit. – Also wir hänt den Weg gebout vor die Vielen, so zu der Engelwih kummen wölln. Es werdind die mehristen Narren sin: der hoffärtigen Demuet, der itlen Grechtigkeit, der Luog wider das eigen Herz. Die werdind all meinen, als frumb unde gerecht ze sin und nit im mindest Narren. Dann sie gohnt den Weg, zuo dem die Lüt sagend, es ist ein frumber und gerechter Weg. Was gloubest du, mueß Gott und die heilig Jungfrou dasselbig meinen dann die Lüt?“

      „Do frag ich nützit nach. Wir hänt ton, was üns ist zuokummen. Und so einer mir wollt in die Quer mit Ohngebühr, der soll guet versechen sin, dem will ichs wohl wisen.“

      „Hans, das ist din Art und ist ein trüe Art. Jedannocht es lebet ein ander Art, die wund wird und bluotind am ohnsichtbaren Ding. – Morgenden Tages wollend wir uf das Habernfeld, dann es ist hoche Zit, sunst möcht er nit reifen. Und die Wochen gang ich als ouch uf Schmerikon und kost den Win. Es möcht ein richs Jahr sin, do müessend wir zesammen stöhn.“

      Über den Alltag und seine Arbeit wurden Vater und Sohn einig. Aber sie hatten an dem Büßer Baltisar erlebt, daß sie unter anderen Gestirnen gingen. Der Alte dachte in diesen Tagen mehr an Jungrudi. Es focht ihn, während sie auf ihrem Knüppelwege hinschritten, eine Sehnsucht nach dem Toten an.

      In dem dunklen Flur des Ochsnerhauses saß auf der Treppe der kleine Theophrast und rührte in einem Tiegel.

      „Was tuost, Frästeli, in aller Finsternus?“

      „Die Muotter leidts nit.“

      „Was rührst do?“

      „Ein Salben vor Podagram.“

      „Kumm, es wird Nacht.“

      „Min Salben ist nit gar.“

      Rudi Ochsner öffnete die Gademtür, es fiel Licht auf den Kleinen, der ruhig rührte.

      Der Alte kehrte noch einmal um und setzte sich zu ihm auf die Treppe, deren nächste Stufe von den fragwürdigen Heilmitteln zeugte.

      „Was vor Ding, Frästeli, KotzTüfel! Küehdreck,duSäuli!“

      „Sine Salben stinkend als ouch“, meinte das Kind ruhig.

      Der Alte lachte. Theophrast sah zu ihm auf und runzelte die Stirn.

      Der