Stefan P Moreno

Die Legende von der Siebener Parabel


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Charaktere reagieren eben dementsprechend, aber das sollte uns nicht davon abhalten, den Abend zu genießen.“ Madame Sophie hatte dem Major mit nachdenklicher Miene hinterher geschaut.

      „Sie scheint ja trotz allem eine hohe Meinung von Kamis zu haben“, dachte Joaquin bei sich und füllte sich Salat auf seinen Teller. Die Stimmung war ein wenig gedrückt und jeder hing während des Essens schweigend seinen Gedanken nach. Erst als alle aufgegessen hatten, heiterte sich die Atmosphäre ein wenig auf und das lag nicht zuletzt an dem Wein, den Madame Sophie ihren Gästen in regelmäßigen Abständen in die Gläser nachfüllte. Nach den überraschenden Ereignissen konnte jeder einen guten Schluck vertragen.

      „Das Fleisch war ausgezeichnet, Federico!“ lobte sie ihn, als sie sein Glas nachschenkte. Er lächelte verschmitzt und schielte zu Miranda hinüber, während er Barneby mit den übrig gebliebenen Knochen fütterte.

      „Was halten Sie davon, uns einige Ihrer Jonglierkünste darzubieten, Harlekin?“ fragte Madame Sophie und Miranda klatschte begeistert in die Hände.

      „Oh, ja, Harlekin, bitte! Ich würde liebend gerne einige deiner Artistennummern sehen.“

      Harlekin errötete leicht und fühlte sich unübersehbar geschmeichelt. Mit einer leichten Verbeugung und einem charmanten Lächeln auf den Lippen erhob er sich von seinem Platz. Federico entzündete mehrere Fackeln, die im Garten in einem Rundbogen aufgestellt waren. Harlekin stellte sich mitten in den Halbkreis der lodernden Fackeln. Das Feuer züngelte wild um ihn herum. Es war ein beeindruckendes Bild, wie er sich in seinem Narrenkostüm, umgeben von den lodernden Fackeln den Anwesenden präsentierte.

      „Meine Damen und Herren! Ich freue mich, Ihnen Harlekin, Europas besten Jonglierkünstler, vorstellen zu dürfen!“ rief Madame Sophie mit lauter Stimme.

      Alle klatschten kräftig Beifall.

      Harlekin schnippte mit den Fingern und aus seinen Ärmeln sprangen zwei Tennisball große Kugeln. Er warf sie in die Höhe, schnippte noch einmal und zwei weitere Bälle sprangen aus den Ärmeln. Er jonglierte mit einer unglaublichen Leichtigkeit von einer Hand zur anderen. Wieder schnippte er und zwei weitere Bälle sprangen aus den Hosenbeinen und es folgten noch zwei. Mühelos jonglierte er mit den acht Bällen und sie flogen von den Füßen in die Hände und wieder zurück. Harlekin erhöhte die Geschwindigkeit und ließ einen Ball nach dem anderen auf seinem Kopf tanzen.

      Federico brach in ein dröhnendes Johlen aus und haute sich mit seinen riesigen, kräftigen Händen begeistert auf die Oberschenkel. Miranda rief immer wieder: „Bravo, Harlekin! Bravo!“

      Angestachelt von Mirandas Beifallsrufen gelang es Harlekin sogar, die Bälle mit den Fersen zu jonglieren. Ein bezauberndes Schauspiel bot sich ihnen und Harlekin beendete die Show nach gut zehn Minuten mit einem Salto rückwärts und einem kerzengeraden Handstand aus dem Stand heraus.

      „Ausgezeichnet! Ausgezeichnet!“

      Auch von Madame Sophie gab es stehende Ovationen. Harlekin verneigte sich artig vor seinem Publikum und genoss es redlich, so gefeiert zu werden. In diesem Moment hallte von der Eingangstür des Hauses Stimmengewirr zu ihnen herüber.

      „Die Banditos sind da!“ rief Madame Sophie. „Ich habe mir erlaubt, zur Feier des Tages eine spanische Folkloregruppe einzuladen und zwar die beste, die es in dieser Gegend gibt. Würde jemand von euch so nett sein, die Haustür zu öffnen und die Musikanten herein zu lassen?“

      Miranda eilte zur Eingangstür und kam kurze Zeit später mit sechs südländisch aussehenden Musikern zurück. Die meisten von ihnen trugen Sombreros und ihre Kleidung sah ebenfalls mexikanisch aus. Unter ihnen war eine bildhübsche junge Spanierin mit langen, schwarzen Haaren und braunen Augen. Harlekins Augen quollen fast aus den Augenhöhlen, als er die junge Spanierin entdeckte und Joaquin konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Madame Sophie begrüßte herzlich jeden Einzelnen der Gruppe auf Spanisch und umarmte sie bei der Begrüßung.

      „Sie scheinen also schon miteinander bekannt zu sein“, dachte Joaquin.

      Aufgeregt sprachen alle durcheinander und Joaquin verstand nicht ein Wort von dem, was sie sagten. Federico hatte einen kleinen Klapptisch in der Nähe der Musiker aufgestellt und war nun damit beschäftigt, Brot, Salate, Fleischgerichte und Geschirr darauf zu dekorieren. Nach der Begrüßung begannen die Musiker damit, ihre Instrumente zu stimmen. Zwei ältere Spanier hatten Violinen dabei. Ein anderer spielte auf einer Flöte, die so merkwürdig aussah, dass Joaquin sie nicht einordnen konnte. Ein etwas jüngerer Spanier stellte zwei Trommeln auf. Dann gab es noch einen Gitarristen. Die junge, hübsche Spanierin und ein gut aussehender, junger Mann hielten jeweils ein Tamburin in den Händen.

      Harlekin kam mit einer Flasche Rotwein auf Joaquin zu.

      „Ich glaube, jetzt wird es richtig heiß hier!“ Noch einen Schluck gefällig?“

      Joaquin hielt ihm sein leeres Glas hin.

      Harlekin grinste über das ganze Gesicht mit einem so neckischen Ausdruck, dass Joaquin lachen musste.

      „Nur, dass wir uns richtig verstehen, Joaquin. Ich tanze zuerst mit Miranda. Du kannst mit Madame Sophie vorlieb nehmen.“ Harlekins blaue Augen blitzten vor lauter Schalk.

      „Und ich dachte schon, du hättest es auf die junge Spanierin abgesehen. Ich habe nämlich gesehen, wie dir fast die Augen aus dem Kopf gefallen sind, als sie hier auftauchte!“ Nun war es wieder an ihm sich köstlich über das verdutzte Gesicht von Harlekin zu amüsieren.

      Miranda blickte zu ihnen herüber und ihre Augen hatten einen merkwürdigen Glanz bekommen. Sie strahlte über das ganze Gesicht.

      „Ich glaube, ich brauche noch einen Schluck Wein“, murmelte Harlekin, dessen Wangen gerötet waren.

      Madame Sophie gesellte sich zu ihnen. „Meine lieben Freunde, meine lieben Gäste!“ Hiermit eröffne ich den musikalischen Teil des Abends. Begrüßen Sie mit einem kräftigen Applaus „Die Banditos“.

      Sogleich fingen die Musikanten zu spielen an. Das erste Stück war melodiös, aber melancholisch. Die junge Spanierin trat vor und sang mit einer wunderbaren Stimme ein Liebeslied auf Spanisch. Bis auf Madame Sophie und Miranda verstanden sie zwar nicht den genauen Inhalt des Liedes, aber es war in ihrer Stimme und an ihrem Gesichtsausdruck zu erkennen, dass es sich um eine verlorene oder enttäuschte Liebe handeln musste. Das zweite Stück war wesentlich rhythmischer und lebensfroher und die junge Sängerin zeigte, dass sie auch noch eine ausgezeichnete Tänzerin war. Sie schwenkte ihre Hüften mit einer so sinnlichen Ausstrahlung, dass Harlekin sich fast an seinem Wein verschluckte. Beim dritten Stück rief einer der Musikanten etwas laut in Richtung der Tänzerin und sie bewegte sich daraufhin langsam auf Harlekin zu. Federico setzte ein breites Grinsen auf, denn er wusste wohl, was kommen würde. Die junge Spanierin umgarnte Harlekin mit kreisendem Hüftschwung, nahm seine freie Hand und zog ihn in die Mitte des Rasens, der als Tanzfläche diente. Harlekin hielt sich etwas krampfhaft und unbeholfen an seinem Weinglas fest. Mit einer graziösen Handbewegung nahm ihm die Tänzerin das Weinglas aus der Hand, trank einen Schluck daraus und stellte es auf dem Klapptisch ab.

      Harlekin begann zu schwitzen. Er konnte ihr Parfum riechen, so nah war sie ihm gekommen. Er schaute in leidenschaftliche, braune Augen und pralle, volle Lippen lächelten ihn an. Sie nahm seine beiden Hände und legte sie um ihren Körper. Die Musik wurde immer schneller. Sie wirbelte Harlekin mit sich herum und er wäre beinahe über seine eigenen Füße gestolpert, konnte sich aber gerade noch auffangen. Sie schmiegte ihren Körper ganz an den Seinigen und ihr Hüftschwung wurde mit der Musik immer heftiger. Harlekin blieb gar keine andere Wahl, als ebenfalls mit den Hüften zu kreisen. Die Trommeln wurden immer schneller und lauter. Die anderen begannen im Rhythmus zu klatschen. Harlekin wirbelte mit der jungen Tänzerin über den Rasen, so dass ihm fast schwindelig wurde und mit einem Schlag hörte die Musik auf. Applaus brandete auf. Die Tänzerin gab Harlekin einen Kuss auf die Wange und beklatschte ihn ebenfalls.

      „Gracias! Gracias!“ hauchte sie ihm zu.

      „Und nun, bitte, Herrenwahl!“ rief Madame Sophie. Da Joaquin direkt neben ihr stand, drehte er sich zu ihr und fragte: