Stefan P Moreno

Die Legende von der Siebener Parabel


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mich freuen, wenn Sie gegen 19 Uhr auf der Veranda erscheinen würden! Ich habe bis dahin noch Einiges zu erledigen und zu organisieren und werde daher gleich nach oben in mein Arbeitszimmer gehen. Gegen Nachmittag erwarte ich Federico, ein Mitglied der Familie, er wird mir bei den Vorbereitungen behilflich sein! Ich vermute mal, dass Sie den heutigen Tag noch brauchen werden, um richtig hier anzukommen und sich gegenseitig kennen zu lernen. Im Übrigen wird es wieder sehr heiß werden.“

      Madame Faunette erhob sich vom Stuhl, nahm ihr Reisegepäck, das noch an der Tür stand und lächelte freundlich in die Runde. „Falls Probleme auftauchen oder Sie irgendwelche Fragen haben, scheuen Sie sich nicht, zu mir herauf zu kommen. Ich stehe Ihnen jederzeit zur Verfügung.“

      Dann verschwand sie über die Veranda nach rechts zur Wendeltreppe, die nach oben zu ihrer Wohnung führte.

      „Eine beeindruckende Frau, unsere Gastgeberin!“ sagte Harlekin und verschränkte seine Hände hinter den Kopf.

      „Eine sehr außergewöhnliche Frau!“ betonte Miranda, stand auf und begann damit, den Tisch abzuräumen. Harlekin sprang auf und ging Miranda zur Hand. Joaquin erhob sich ebenfalls.

      „Entschuldigt mich bitte!“ sagte er zu Miranda und Harlekin gewandt. „Ich muss ein bisschen an die frische Luft!“ Schnellen Schrittes verließ er die Küche und kurze Zeit später hatte er das Haus verlassen.

      Harlekin und Miranda sahen ihm nach.

      „Joaquin sieht ziemlich mitgenommen aus!“ sagte Miranda sanft.

      „Oh, ich denke, das ist auch kein Wunder.“ Harlekin räusperte sich. Er war ein wenig verlegen, da ihm bewusst wurde, dass er sich nun unverhofft und etwas überraschend allein mit Miranda in der Wohnküche befand. Nur Lord Leroy schielte verstohlen zu ihnen herüber. Harlekin lächelte und versuchte, seine kurze Verlegenheit locker zu überspielen.

      „Joaquin wusste ja so gut wie gar nichts über seine Mutter und jetzt erfährt er als erstes, dass sie eine Kartenlegerin war. Ich glaube, ich wäre auch geschockt.“ Harlekin setzte sich lässig auf die Tischkante.

      „Warum geschockt? Joaquins Mutter scheint zu Lebzeiten über außerordentliche Begabungen und seltene Fähigkeiten verfügt zu haben. Vielleicht hat sie mit ihren Talenten vielen Menschen helfen können“, entgegnete Miranda. „Ich habe auch mal eine Kartenlegerin aufgesucht, die hat mir wirklich interessante Dinge erzählt und mir damit weiter geholfen.“

      „Ähm, ach ja ?“ Harlekin schaute Miranda etwas amüsiert und leicht skeptisch an. „Ob der Beruf von Madame Faunette der Grund ist, warum wir hierher eingeladen worden sind? Will sie uns vielleicht die Karten legen oder uns etwas voraussagen?“ Harlekin sah Miranda aufmerksam an.

      „Das werden wir wohl erst in den nächsten Tagen erfahren“. Sie erwiderte Harlekins Blick.

      „Vielleicht sollte einer von uns Joaquin nachgehen, vielleicht möchte er reden.“

      „Der kommt schon, wenn er reden will. Ich denke, er möchte jetzt ein bisschen allein sein. Von woher stammst du eigentlich?“ In Harlekins Stimme lag echtes Interesse.

      „Geboren bin ich in Schweden. Ich habe aber nur bis zu meinem sechsten Lebensjahr dort gelebt. Meine Jugend habe ich in England in einem Internat verbracht und du?“

      „Ich komme aus den Niederlanden und bin dort auch geboren und groß geworden. Ich habe aber auch drei Jahre in der Ukraine gelebt und dort eine Artisten Ausbildung absolviert.“ Harlekin grinste und warf Miranda einen neckischen Blick zu.

      „Ich bin davon überzeugt, dass du ein großartiger Artist bist!“

      Harlekins Gesichtsfarbe veränderte sich leicht. Miranda musste plötzlich lachen und es war ein so bezauberndes Lachen, dass Harlekin glaubte, dahin schmelzen zu müssen. Leider wurde dieses bezaubernde Lachen durch Lord Leroys ohrenbetäubendes Gekreische unterbrochen und im selben Moment flog die Haustür auf und ein großer, kräftiger, schwarzhaariger Spanier in den Fünfzigern stand in der Tür. Miranda stieß einen freudigen Schrei aus und stürzte sofort auf den Mann zu, der so breit grinste, dass eine Reihe von Zahnlücken sichtbar wurde. Auffallend waren auch seine riesigen Hände und mächtigen Arme, mit denen er nun versuchte, Miranda zu umarmen, was aber völlig daneben ging. Aus seinem Mund kam ein Schwall von unverständlichen Lauten. Harlekin starrte die beiden überrascht an.

      „Harlekin, darf ich dir Federico vorstellen?“ rief Miranda fröhlich. „Er hat mich gestern Nacht mit einem Pferdewagen vom Bahnhof abgeholt und mich hierher gefahren. Madame Faunette hatte das so arrangiert. Leider kann Federico nicht sprechen und nicht hören, er ist taubstumm. Aber er kann vom Mund ablesen, was man zu ihm sagt und er verständigt sich dann mit Gesten und Lauten.“

      Federico schien sich sehr zu freuen, Miranda zu sehen, denn das Grinsen wollte gar nicht mehr aus seinem Gesicht weichen. Er streckte Harlekin seine riesengroßen Hände entgegen und schüttelte ihm kräftig die Seinigen.

      „Ahlohaah!“ kam es unverständlich von Federico und er musterte Harlekin mit seinen großen, schwarzen Knopfaugen aufmerksam, aber freundlich. Plötzlich schlug sich Federico mit seinen riesigen Händen auf die Oberschenkel und begann dröhnend laut zu lachen. Mit dem Zeigefinger deutete er auf Harlekins Narrenkostüm.

      „Oan Cown!“ stieß er brüllend aus.

      „Du meinst, Harlekin sieht aus wie ein Clown, nicht wahr, Federico? Er trägt dieses Narrenkostüm immer. Er ist nämlich ein Zirkusartist!“

      Federico nickte heftig und klatschte begeistert in die Hände. Miranda und Harlekin lachten nun ebenfalls und der Bann zwischen den beiden Männern war sofort gebrochen. Im gleichen Augenblick tauchte ein großer, zottiger, braunhaariger Hund an der Seite Federicos auf. Schwanz wedelnd sprang er an Miranda hoch und versuchte, ihr das Gesicht zu lecken. Dabei winselte er leise, aber erfreut.

      „Und das ist Barneby, Federicos Hund“, erklärte Miranda. Barneby schnüffelte interessiert an Harlekins Hosenbeinen. Der wiederum kraulte dem Vierbeiner dessen kräftigen Nacken und schnell hatten sich die beiden miteinander angefreundet.

      „Tiere spüren sofort, wer ein guter Mensch ist“, sagte Miranda etwas verträumt zu Harlekin.

      „Ich weiß, Miranda! Ich weiß! Ich habe im Zirkus gearbeitet. Mal schauen, ob ich ihm ein paar Kunststücke beibringen kann“, lachte Harlekin.

      „Federico, wenn du Madame Faunette suchst, sie ist in ihrer Wohnung oben und erwartet dich!“

      Miranda schaute Federico an und ihre Lippen bewegten sich wesentlich deutlicher als gewöhnlich. Federico nickte und gab wieder ein paar nicht verständliche Laute von sich. Er hob die Hand zum Gruß und machte sich auf den Weg zu Madame Faunette. Barneby blieb bei Miranda und Harlekin.

      „Ob die Frau noch frühstücken will, wenn sie aufgestanden ist?“ fragte Miranda, nachdem sie das Geschirr abgewaschen hatte und Harlekin ihr beim Abtrocknen half.

      „Du meinst Major Kamikaze? Lass doch einfach etwas Essen auf dem Tisch stehen“, riet ihr Harlekin. „Wenn sie Hunger hat, wird sie sich schon bedienen. Ich glaube, ich werde auch mal ein wenig Spazieren gehen und die Gegend erkunden. Wir sehen uns dann später!“

      Harlekin holte seinen Rucksack und machte sich dann auf den Weg. Eigentlich wäre er gerne bei Miranda geblieben, aber er wollte es sich nicht anmerken lassen, welch eine Faszination sie auf ihn ausübte und frische Luft hatte ja noch niemandem geschadet.

      Nachdem Joaquin das Grundstück verlassen hatte, nahm er den direkten Weg in den Wald. Seine Gedanken fuhren Achterbahn und er war innerlich ziemlich aufgewühlt. Warum hatte Madame Faunette ihn so direkt mit seiner Mutter konfrontiert? Seine Mutter war also eine Kartenlegerin und Astrologin gewesen, dann musste sie über besondere Fähigkeiten verfügt haben. Hatte er irgendetwas von ihr vererbt bekommen? Erklärte das seine oft sensitiven und intuitiven Wahrnehmungen und Tagträumereien, die er schon seit seiner Kindheit besaß und weshalb er oft mit Schwierigkeiten in seiner Umwelt zu kämpfen gehabt hatte, da er sich immer als andersartig erlebt hatte? War der Beruf seiner Mutter auch der Grund gewesen, warum die Nonnen im katholischen