Stefan P Moreno

Die Legende von der Siebener Parabel


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holte. Irritiert schaute er sich um. Er benötigte ein paar Sekunden, um sich in seiner neuen Umgebung zu orientieren. Er war im Haus von Madame Faunette. Der letzte Gast würde gleich eintreffen.

      Harlekin sprang vom Sofa auf und streckte sich. Jetzt könnte er einen starken Kaffee gebrauchen! Noch etwas verschlafen ging er zu dem Regal, auf dem er den Kaffee vermutete und hatte die Dose schnell gefunden. Er setzte den Herd in Gang und stellte den Kessel auf das Feuer. Er rieb sich ein wenig verschlafen die Augen, ging zur Glasveranda und öffnete diese. Die Sonne ging langsam auf und es würde wieder ein heißer Tag werden. In der Nacht war es zu dunkel gewesen, um den schönen Garten in seiner ganzen Pracht bewundern zu können.

      „Willkommen im Paradies!“ sagte er laut. Hier ließ es sich wirklich gut leben. Als der Wasserkessel zu pfeifen begann, riss er sich von der schönen Aussicht los und bereitete in der Kochecke den Kaffee zu. Er mochte ihn stets besonders stark und ohne Milch und Zucker. Während seiner Ausbildung zum Artisten, als er wenig Geld hatte, nannte er es immer „das existenzielle Frühstück“. Damals hatte er noch geraucht. Das Rauchen hatte er sich abgewöhnt, also blieb nur der Kaffee. Mit einem großen Becher dampfenden Kaffees in der Hand ging er auf den Käfig zu. Der Papagei war soeben aus seinem Schlaf erwacht und plusterte sich vor ihm auf.

      „Guten Morgen, altes Haus. Ich hoffe, du hast gut geschlafen?“ Harlekin strich über Lord Leroys Gefieder.

      „Bon jour! Bon jour! Bon jour!“ plapperte der Papagei drauf los und sprang auf Harlekins Schulter. In diesem Moment erklang aus der Ferne ein lautes Motorengeräusch, das immer näher zu kommen schien.

      „Ich glaube, wir bekommen Besuch.“

      Harlekin nahm den letzten Schlüssel vom Küchentresen, an dem ein Anhänger mit einem gelben „K“ baumelte. Mal sehen, ob noch so eine hübsche Frau wie Miranda hier auftauchen würde. Harlekin konnte sich ein vergnügliches Grinsen nicht verkneifen. Dem Geräusch nach zu urteilen, musste es sich um ein Motorrad handeln. Mit Lord Leroy auf der Schulter bewegte er sich dem Hauseingang zu. Er öffnete die Tür und trat hinaus. Er schaute nach rechts in die Bäume, wo der Ballon ziemlich wüst zwischen den Zweigen hing.

      „Es wird nicht einfach werden, den da wieder heraus zu bekommen“, dachte Harlekin. Hoffentlich war der Ballon nicht zerrissen. Das Motorengeräusch war nun ganz nah und brach plötzlich ab. Er sah, wie sich vor ihm die dicht bewachsenen Bäume zur Seite schwangen und eine Gestalt, ein Motorrad neben sich her schiebend, auf ihn zukam. Trotz der Entfernung, die noch zwischen ihnen lag, konnte er erkennen, dass die Person einen Militär Kampfanzug trug. Nachdem die Person ihr Motorrad aufgebockt hatte, nahm diese den Helm ab und blickte in Richtung Harlekin. Langsam gingen beide aufeinander zu. Bei jedem Schritt wuchs ein unangenehmes Gefühl in Harlekin.

      „Zwei Welten treffen aufeinander!“ schoss es ihm durch den Kopf.

      Die Frau vor ihm hatte sehr kurz geschnittene, rote Haare, ein hartes Gesicht und eine schlanke, aber sehr kräftige Statur. Sie war ungefähr 1,80 Meter groß und unter ihrem Kampfanzug zeichneten sich deutliche Muskeln ab. Der ganze Körper war durch und durch trainiert bis in jede einzelne Zelle. Ihr Alter schätzte er auf Ende zwanzig, Anfang dreißig.

      Nur wenige Meter voneinander entfernt blieben beide stehen. Für einen kurzen Moment trafen sich ihre Blicke und Harlekin gefror es wie Eis in den Adern. Stahlharte, graugrüne, fast schon kalte Augen musterten ihn taxierend. So leicht konnte Harlekin eigentlich nichts aus der Ruhe bringen, aber in diesem Moment überkamen ihn eine gewisse Unsicherheit und sogar ein bisschen Furcht.

      „Hallo! Ich bin Harlekin“, sagte er mit etwas tonloser Stimme.

      Die Frau ihm gegenüber verzog leicht spöttisch ihren Mund, aber ihre Augen blieben kalt an ihm haften.

      „Hallo, Narrengestalt!“ antwortete sie ihm mit einer so metallisch klingenden Stimme, dass es Harlekin eiskalt den Rücken herunterlief. „Ich bin Kamikaze! Major Kamikaze!“

      Harlekin glaubte, einen russischen Akzent herauszuhören.

      „Willkommen im Club! Willkommen im Club! Willkommen im Club, Major Kamikaze!“ krächzte Lord Leroy laut von Harlekins Schulter herab und es klang noch einen Tick militärischer als bei dem Major.

      Die russische, ehemalige Soldatin schaute den Papagei kalt an und wenn Blicke hätten töten können, wäre der Papagei auf der Stelle tot umgefallen.

      „Gibt es hier irgendwo eine Schlafgelegenheit für mich? Ich bin müde und möchte in den nächsten Stunden nicht gestört werden!“

      Harlekin hielt dem Major den Schlüssel hin. Der Major hievte sich das Gepäck auf die Schulter, nahm den Schlüssel an sich und ging an Harlekin vorbei, ohne ihn eines weiteren Blickes zu würdigen. Kurz darauf war sie im Haus verschwunden. Harlekin atmete einmal tief durch. Mit dieser Person sollten er und die anderen die nächste Zeit in einem Haus verbringen? Hatte er bis vor kurzem noch daran geglaubt, hier nur von sympathischen Menschen umgeben zu sein, hatte er gerade einen derben Dämpfer erhalten.

      „Das geht nicht gut“, flüsterte er. „Nein, das geht nicht gut!“ Mit einem unguten, flauen Gefühl in der Magengegend ging er zurück ins Haus

      Madame Sophie Faunette

      Als Joaquin erwachte, schien die Sonne prall in sein Zimmer herein. Wie lange hatte er geschlafen? Auf alle Fälle fühlte er sich ausgeruht und nach dem gestrigen, anstrengenden Tag wieder bei Kräften. Ob Miranda und Harlekin schon aufgestanden waren? Er öffnete eine Schranktür und fand Bettwäsche und Handtücher darin. Er nahm sich ein frisches Handtuch und machte sich - bewaffnet mit Seife, Zahnbürste und einem frischen Oberteil - auf zum Brunnen. Im Flur erhaschte er noch einen Blick auf die Standuhr und registrierte, dass es schon nach 10 Uhr war. Auf dem Brunnen standen zwei volle Eimer mit Wasser. Joaquin tauchte seine Hände in das kalte Nass. Plötzlich rief jemand von den Bäumen zu ihm herunter: „Guten Morgen, Joaquin! Ich hoffe, du hast gut geschlafen. Das Wasser in den Eimern kannst du zum Waschen benutzen, ich habe es erst vor kurzem frisch aus dem Brunnen geholt. Mit einem dreifachen Salto aus den Bäumen heraus landete Harlekin direkt neben Joaquin und grinste ihn an.

      „Guten Morgen, Harlekin. So früh schon auf den Beinen? Wie sieht denn die Schadensbilanzaufnahme deines Ballons aus?“

      „Ach, die hält sich glücklicherweise einigermaßen in Grenzen“, antwortete Harlekin und zeigte wieder sein strahlendes Lächeln.

      „Nur ein kleines Stück Stoff am Ballon ist eingerissen und der Korb hat ein paar Beulen abbekommen, aber ansonsten ist alles heil geblieben. Wäre echt nett, wenn du mir gleich dabei helfen könntest, den Ballon aus den Bäumen zu holen. Allein ist es doch ein bisschen schwierig.“

      „Kein Problem. Lass es uns aber jetzt sofort tun, damit ich mich anschließend waschen kann.“ Joaquin zog sich sein Shirt über.

      „Ich habe den Ballon schon aus den Zweigen befreien können, musste dafür einige Äste zersägen. Habe, Gott sei Dank, eine Axt und eine Säge im Keller gefunden. Der Korb ist fast freigelegt und der Ballon liegt mehr schlecht als recht zerknittert darin. Müssen versuchen, das Ganze nun sicher zu Boden zu bringen. Hat nämlich alles ganz schön viel Gewicht.“

      Joaquin warf einen Blick auf die Baumkrone und sah in etwa drei Meter Höhe den Korb ziemlich schräg zwischen nur noch zwei Ästen liegen.

      „Ich habe im Korb noch ein zwei Meter langes Seil. Werde es gleich an einem der Haltegriffe befestigen und dann langsam herunterlassen. Deine Aufgabe wird es sein, den Ballon mit mir zusammen abzuseilen. Wenn der Korb einen Meter vor dem Boden ist, lassen wir ihn fallen. Alles klar?“

      Joaquin nickte.

      „Dann also hinauf auf den Baum. Ich klettere