Stefan P Moreno

Die Legende von der Siebener Parabel


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ihn einzuwirken, obwohl er selbst ein wenig durcheinander war.

      Ein erneutes Krachen und das Zersplittern von brechendem Holz drang von draußen in die Wohnküche, dem ein lautes, ärgerliches Fluchen folgte.

      „Mist! Was für ein verdammter Mist!“

      Dann trat Stille ein. Joaquin tastete sich im Dunkeln zum Kamin, wo er eine zweite Öllampe vermutete. Er suchte mit seinen Händen den Kaminsims ab. Schnell hatte er die Lampe gefunden, zog die Zündhölzer aus seiner Hosentasche und zündete sie an. Gleich darauf war der Raum wieder mit Licht gefüllt. Der Lärm kam von der Vorderseite des Hauses. Mit einem unguten Gefühl in der Magengegend und nur mit der Öllampe bewaffnet, ging Joaquin zur Haustür. Im Vorbeigehen schaute er kurz zur Standuhr hinüber. Es war kurz vor 23 Uhr. Er trat, immer noch etwas benommen, so plötzlich aus dem Schlaf gerissen worden zu sein, vor die Tür. Ein erneutes Krachen und Knirschen, diesmal aber kürzer und nicht ganz so laut, drang zu ihm herüber. Es kam rechts von ihm irgendwo von den Bäumen her und er starrte in die Richtung, um etwas erkennen zu können.

      „Hallo, wer ist da?“ rief Joaquin mit fester Stimme und hielt die Lampe höher.

      „Ich bin da! - Harlekin ist da!“ war die unerwartete und etwas überraschende Antwort.

      „Leider etwas anders, als ich es mir vorgenommen hatte!“ kam es von hoch oben aus den Bäumen und im selben Moment leuchtete das Licht einer Taschenlampe zu Joaquin herunter.

      „Was machen Sie denn da oben in den Bäumen?“ rief Joaquin nach oben und versuchte, etwas zu erkennend, da der Strahl der Lampe seine Augen blendete.

      „Das frage ich mich auch gerade!“ antwortete die fremde Männerstimme. „Habe wohl soeben eine perfekte Bruchlandung mit meinem Ballon hingelegt!“

      Und wie aus dem Nichts kam mit einem doppelten Salto eine Gestalt aus den Bäumen gesprungen und landete im sicheren Stand direkt vor Joaquin. Dieser wich ein wenig erschrocken zurück. Im Schein der Lampe konnte er eine mittelgroße, männliche Gestalt erkennen, die aussah, als wäre sie aus einem Zirkus oder einem Märchenbuch entsprungen. Diese merkwürdige Erscheinung schien ungefähr in seinem Alter zu sein. Der Mann trug ein buntes Gewand, das einem Narrenkostüm ähnelte. Er hatte eine kräftige Statur und ein braun gebranntes, ausdrucksstarkes, markantes Gesicht aus dem zwei strahlend blaue Augen leuchteten. Der Kopf war kahl rasiert und zwei auffallend lange Ohrringe baumelten an beiden Ohren. In der rechten Hand hielt er eine Taschenlampe. Joaquin wusste nicht, warum, aber aus irgendeinem Grunde fand er den vor ihm stehenden Mann sofort sympathisch.

      Als beide sich schweigend einen kurzen Moment gemustert hatten, hob Harlekin seine rechte Hand, setzte ein breites Lächeln auf und sagte mit tiefer Stimme: „Hey, ich weiß zwar nicht, wo ich hier gelandet bin, aber Sie können mir sicher weiterhelfen.“ Und das Grinsen wurde noch breiter und ließ eine Reihe strahlend weißer Zähne zum Vorschein treten.

      „Was ist denn passiert?“ fragte Joaquin etwas verunsichert. „Ich habe ich nicht viel Zeit, da ich noch einen Gast erwarte!“

      Harlekin schaute sein Gegenüber prüfend an. „Kennen Sie zufällig eine Madame Faunette? Ich war eigentlich auf dem Weg zu ihr und sie erwartet mich. Sie müsste hier in der Nähe irgendwo ein Grundstück haben.“

      Joaquin erwiderte den Blick des Mannes. Sollte das der angekündigte Gast sein?

      „Also, wenn Sie Madame Sophie Faunette meinen, haben Sie das Grundstück gefunden, denn Sie befinden sich gerade darauf“, sagte Joaquin und bemerkte, dass der Mann vor ihm überrascht schien.

      „Oh, dann hat mich mein Orientierungssinn wohl doch nicht im Stich gelassen“, entgegnete Harlekin schmunzelnd, aber scheinbar erleichtert. „Dann gehe ich mal davon aus, dass es sich um ihr Haus handelt, vor dem wir gerade stehen, oder?“ und er deutete mit einem Finger auf das Gebäude.

      „Wenn dem so ist, bin ich tatsächlich an meinem Reiseziel angekommen.“

      Harlekin brach in ein schallendes, herzhaftes Gelächter aus. Joaquin konnte sich ebenfalls ein Grinsen nicht verkneifen.

      „Dann sind Sie vermutlich der Gast, auf den ich warte.“ Er streckte ihm die Hand entgegen.

      „Meine Freunde nennen mich Harlekin.“ Der Mann ergriff Joaquins Hand und schüttelte sie so kräftig, dass dieser glaubte, der Arm würde ihm ausgerissen.

      „Meine Freunde nennen mich Joaquin“, erwiderte Joaquin mit etwas Schmerz verzehrtem Gesicht.

      „Dann wäre das ja zwischen uns geklärt, Joaquin!“ Harlekin grinste breit und schaute sich ein wenig um. „Einsame Gegend hier. Habe nicht damit gerechnet, einen so dicht bewachsenen Wald vorzufinden und im Dunkeln sieht man ja sowieso nicht viel. Obwohl ich eine Karte und einen guten Kompass besitze, hatte ich Probleme, meinen Ballon sicher zu Boden zu bringen und jetzt hängt er in den Bäumen. Konnte gerade noch rechtzeitig die Heißluft abstellen. Der Korb muss auf einer Baumkrone aufgesetzt sein, denn plötzlich kippte der ganze Ballon zur Seite und krachte durch die Zweige. Kann von Glück sagen, dass ich mich nicht verletzt habe. Bis auf ein paar Schrammen und Beulen an den Armen und Beinen habe ich nicht viel abbekommen. Muss wohl bis morgen warten, bis ich den Ballon aus den Fängen der Zweige befreien kann.“

      „Du bist tatsächlich mit einem Ballon angereist?“ fragte Joaquin ungläubig und starrte an den Bäumen hoch. Er konnte aber wegen der Dunkelheit nichts erkennen.

      „Ja, warum denn nicht? Ist ein tolles Transportgerät und man sieht viel von der Landschaft. Nur die Hitze hat mir da oben in der Luft richtig zu schaffen gemacht. Bin schon seit dem frühen Nachmittag mit dem Ballon unterwegs. Habe ihn gemietet, als ich heute Morgen in Spanien angekommen bin. Ist zwar nicht ganz billig, aber der Spaß ist es auf jeden Fall wert.“

      Joaquin ahnte, dass er einen komischen Kauz vor sich stehen hatte. Irgendwie eigen und ungewöhnlich, aber gleichzeitig sympathisch.

      „Bist du ein Verwandter von Madame Sophie Faunette?“

      „Wie kommst du denn darauf?“ „Ich kenne diese Frau überhaupt nicht und habe sie auch niemals zuvor gesehen! Habe vor einigen Monaten einen Brief mit einer Einladung von ihr erhalten und war, ehrlich gesagt, ziemlich überrascht. Aber das ist eine lange Geschichte. Wie wäre es, wenn wir ins Haus gehen und du mich ihr vorstellen würdest. Sie wartet bestimmt schon auf mich.“

      Joaquin war etwas irritiert. „Sie ist nicht im Haus, sondern auf einer Geschäftsreise in Frankreich und wird erst morgen wiederkommen.“

      Harlekin blickte verdutzt. „Jetzt bin ich aber überrascht“, sagte er tonlos und es klang irgendwie enttäuscht.

      „Komm, lass uns ins Haus gehen! Es ist kühl hier draußen und drinnen ist es wärmer“, schlug Joaquin vor.

      „Gute Idee! Ich hole nur schnell die notwendigsten Sachen aus dem Ballon.“ Blitzschnell drehte Harlekin sich um und war mit einem Sprung in den Bäumen verschwunden.

      „Du kannst schon vorgehen. Ich komme gleich nach!“ rief er Joaquin von oben herab zu. Während Joaquin zurück zur Wohnküche schlenderte, dachte er darüber nach, wie dieser Mann es geschafft hatte, so schnell den Baum hinauf zu kommen.

      Zurück in der Wohnküche setzte Joaquin einen Kessel mit frischem Wasser auf den Herd, um einen Tee zu kochen. Kurze Zeit später betrat Harlekin die Küche. Kaum hatte er den ersten Schritt über die Schwelle getan, rief eine laute, krächzende Stimme mehrmals hintereinander: „Willkommen im Club! Willkommen im Club! Willkommen im Club, Harlekin!“

      Die beiden Männer rissen gleichzeitig den Kopf herum und starrten mit offenen Mündern den Papagei an, der sichtlich erholt auf seinem Käfig thronte, sich aufplusterte und den Neuankömmling mit großen Augen ansah. Harlekin fand als erster seine Sprache wieder.

      „Hallöchen! Das nenne ich aber eine Begrüßung! Ein sprechender Vogel und dazu noch ein so hübscher!“ flachste er fröhlich und ging ohne Berührungsängste auf Lord Leroy zu. Am Käfig angekommen hob er seine freie Hand und streichelte zärtlich über das Gefieder. Der Papagei stieß wohlige Laute aus. Harlekin ballte