Stefan P Moreno

Die Legende von der Siebener Parabel


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würde er ein Teil der Küche sein. Die linke Küchenhälfte war hinter einem orangefarbenen Vorhang verborgen.

      Joaquin war neugierig, was sich wohl hinter dem Vorhang verbarg, und zog ihn zur Seite. „Willkommen im Club! Willkommen im Club!“ krächzte eine laute Stimme ihm entgegen. Joaquin sprang entsetzt einen Schritt zurück. Auf einem Käfig thronte ein farbenprächtiger Papagei, der ihn mit leicht geneigtem Kopf neugierig ansah und aufgeregt sein Gefieder sträubte.

      „Willkommen im Club! Willkommen im Club! Willkommen im Club, Joaquin!“ kreischte Lord Leroy zum wiederholten Male und stieß ein fürchterlich hohles Gelächter aus. Im selben Moment breitete der Papagei die Flügel aus, hob vom Käfig ab, flog direkt auf Joaquin zu und landete auf dessen linker, nackter Schulter.

      „Autsch!“ Joaquin zuckte zusammen und ließ vor lauter Schreck das unter den Arm geklemmte Hemd zu Boden fallen. Er spürte, wie sich die scharfen Krallen des Vogels in sein Fleisch bohrten. Als würde der Papagei Joaquin schon ewig kennen, knabberte er behutsam an dessen linken Ohrläppchen und stieß dabei ein paar wohlige Laute aus. Etwas irritiert von solch stürmischer Begrüßung hob Joaquin vorsichtig eine Hand und strich behutsam über das Gefieder des Vogels.

      „Hallo“, flüsterte Joaquin etwas zaghaft, „nett, dich kennen zu lernen. Aber würdest du mir, bitte, mal verraten, woher du meinen Namen kennst? Und für die Zukunft, mein Freund, möchte ich dich doch höflichst darum bitten, etwas vorsichtiger mit deinen Sympathie Bekundungen zu sein, weil ich mir sonst nämlich Stahlkappen um die Schultern legen muss.“

      Als Antwort bekam Joaquin ein schnurrendes Gurren zu hören, dem ein schriller, ohrenbetäubender Pfiff folgte, der sein Trommelfell dermaßen strapazierte, dass er dem Papagei einen leichten Klaps verabreichte, worauf dieser sich erschrocken von seiner Schulter löste und kurze Zeit später wieder auf dem Käfig landete.

      „Böser Junge“, gurrte der Papagei beleidigt. „Böser Junge“, wiederholte er.

      Joaquin musste unfreiwillig lachen, da er nicht wusste, ob der Papagei sich selbst oder ihn meinte. Verlegen zupfte Lord Leroy mit seinem Schnabel an seinem Gefieder, während Joaquin das feuchte Hemd vom Boden aufhob und es sich auf die stechende Schulter legte, um den Schmerz ein wenig zu lindern. Er konnte sich nicht daran erinnern, sich jemals so viele Blessuren an einem Tag zugezogen zu haben.

      Den ganzen Tag hatte er fast nichts gegessen, dass mochte wohl an der Hitze gelegen haben. Sein Blick fiel auf eine große, bunte Obstschale, die auf dem großen Eichentisch stand. Sie war mit den verschiedensten, südländischen Früchten gefüllt und Hunger stieg in ihm hoch. Als er sich der Schale näherte, bemerkte er, dass auch Lord Leroy sich scheinbar an den Früchten gelabt hatte, denn einige von ihnen wiesen eindeutige Spuren auf.

      „Danke, dass du mir ein paar Früchte übrig gelassen hast“, sagte Joaquin lakonisch, während er eine schmackhaft aussehende Frucht aus der Schale nahm und herzhaft hinein biss. Die Frucht schmeckte ausgezeichnet, obwohl er nicht genau definieren konnte, um was für eine es sich dabei handelte, aber das war ihm auch egal. Er nahm sich noch zwei weitere Obststücke und ließ sie sich schmecken. Der Papagei beobachtete ihn aus den Augenwinkeln, ohne einen Ton von sich zu geben.

      „Ich werde mal meine Sachen rein holen“, sagte er zu Lord Leroy, „und mich anschließend ein wenig einrichten, wenn du nichts dagegen hast.“

      Ein leises, dumpfes Gurren war die Antwort.

      Joaquin ging nach draußen, um seinen Rucksack und den Ledermantel zu holen. Immer noch war er barfuß und der Steinboden auf dem Flur war ziemlich kalt, so dass er sich entschloss, die Sandalen aus dem Rucksack zu holen und anzuziehen. Zuerst streifte er sich aber ein frisches, blaues Baumwollhemd über, denn es war merklich kühler geworden. Während er damit beschäftigt war, die Sandalen anzuziehen, ertönte aus dem Haus ein lautes: „Hoch lebe Frankreich! Es lebe Frankreich hoch! Hoch lebe Frankreich! Es lebe Frankreich hoch!“ Gleich darauf folgte ein ohrenbetäubendes Gelächter und dann trat absolute Stille ein.

      Joaquin überlegte kurz. Er mochte keine Nationalfeiertage und hatte sie daher nie beachtet. Heute war der 14 Juli, der Nationalfeiertag der Franzosen. Was hatte der Papagei damit zu tun? Woher wusste der Papagei, was für ein Tag heute war? Seine Besitzerin war Französin, also musste sie es dem Papageien irgendwie beigebracht haben. Aber kann man einem Papagei überhaupt beibringen, sich einen Nationalfeiertag zu merken? „Kluges Kerlchen, aber ein wenig rätselhaft war das alles schon!“ ging es Joaquin durch den Kopf, während er dieses Mal die Haustür hinter sich schloss, als er zurück zur Wohnküche schlenderte, Rucksack und Mantel unter den Arm geklemmt. Lord Leroy thronte immer noch auf seinem Käfig und knabberte emsig an seinen Krallen, als der junge Mann die Wohnküche betrat.

      „Woher weißt du, dass heute der 14. Juli ist?“ fragte Joaquin und sah den Papagei aufmerksam an, während er seine Sachen auf dem roten Sofa abstellte. Doch der Papagei schien kein Interesse an einer gepflegten Konversation zu haben, widmete sich mit Hingabe weiterhin seinen Krallen und beobachtete Joaquin lediglich aus den Augenwinkeln.

      „Also gut, dann eben nicht“, seufzte Joaquin. „Aber wenn wir Freunde werden wollen, rate ich dir, mir künftig auf meine Fragen zu antworten!“

      Joaquin schaute durch das große Veranda Fenster und bemerkte, dass die Sonne langsam unterging. Er öffnete das Schiebefenster und schob es zur Seite. Kühler Abendwind wehte zu ihm herüber und staunend betrachtete er den wunderschönen Garten. Er fragte sich, wer diesen Garten so prächtig angelegt hatte und sich um die Pflege kümmerte. Es musste sehr aufwendig und arbeitsintensiv sein, einen so schönen Garten zu versorgen! Wem gehörte eigentlich dieses Grundstück mit dem darauf stehenden Haus? Sophie Faunette? Morgen würde er hoffentlich ein paar Antworten auf seine Fragen erhalten, bis dahin musste er sich eben noch gedulden.

      „Es wird Zeit, dass ich mein Zimmer inspiziere“, sagte Joaquin laut in Richtung des Papageis. Seine Augen glitten durch den Raum auf der Suche nach dem Küchentresen, auf dem die Zimmerschlüssel liegen sollten. Er zog den orangefarbenen Vorhang noch weiter zur Seite. Lord Leroy gab ein paar undefinierbare Laute von sich, räusperte sich und pfiff wie eine Lokomotive. Joaquin musste unwillkürlich lachen, ging um den Käfig herum und entdeckte die fast versteckte Nische. Eine Kochstelle befand sich darin, daneben der besagte Küchentresen. Seine Augen fielen sofort auf die nebeneinander liegenden Schlüssel. Alle waren mit einem farblichen Buchstabenanhänger gekennzeichnet. An einem Schlüssel schimmerte das „J“ für Joaquin in einem dunklen Grün. Neben seinem Schlüssel lagen ein Anhänger mit einem blauen „H“, daneben ein Anhänger mit einem roten „M“ und zuletzt noch ein Anhänger mit einem gelben „K“. Er nahm sich seinen Schlüssel vom Tresen und ging zum Flur hinaus. Dunkelheit umgab ihn und er suchte nach dem Lichtschalter. Mit der linken Hand tastete er die Wand ab.

      „Mensch, bin ich dämlich!“ schoss es ihm nach einer Weile durch den Kopf und er tippte sich an die Stirn. „Ich befinde mich hier mitten im Wald und wahrscheinlich gibt es gar keine Elektrizität in diesem Haus.“

      Er kehrte zurück zur Wohnküche. Auf dem Kaminsims entdeckte er eine schöne, alte Öllampe und daneben mehrere Schachteln mit Zündhölzern. Es bereitet ihm keine Probleme, die Lampe zu entzünden, da sich noch genügend Öl darin befand. Bewaffnet mit der Lampe in der linken Hand ging er zurück zum Flur. Erst jetzt konnte er in ihrem Licht erkennen, dass kostbare Gemälde die Wände schmückten und eine wertvolle Standuhr am anderen Ende des Flures leise vor sich hin tickte. Jeweils zwei große, massive Holztruhen standen zwischen den Türen zu beiden Seiten. Er hielt die Öllampe noch ein bisschen höher. Das Licht warf Schatten und spiegelte sein Profil an den Wänden wieder.

      „Joaquin, der Nachtwächter“, ulkte er mit verstellter Stimme. Dann entdeckte er zur rechten Seite ein kleines „J “ an einer Tür. „Wer sagt´s denn“, murmelte er, steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und trat ein.

      Er blieb in der Mitte des Raumes stehen und schaute sich um. Die Öllampe behielt er in der Hand, ließ sie aber sinken, da noch genügend Tageslicht durch das Fenster strömte. Dennoch konnte er nicht umhin zu bemerken, dass es draußen langsam dunkel wurde. Das große Bett fiel ihm zuerst ins Auge.

      „Da