Stefan P Moreno

Die Legende von der Siebener Parabel


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frischen Farbgeruch wahrzunehmen. Ein Kleiderschrank, ein Regal mit Büchern, sowie die kleine Sitzecke waren geschmackvoll in verschiedenen Blau- und Grüntönen aufeinander abgestimmt. Sehr dezent und nicht aufdringlich. Der Fußboden war mit grauen Fliesen ausgelegt, auf denen drei Schaffelle im Raum verteilt lagen. Ein großes, rundes Fenster mit schwarzem Rahmen gab einen Blick auf den Wald frei. Eine weitere kleine Zwischentür am anderen Ende des Zimmers führte wohl in ein Bad. Er öffnete die Tür, steckte seinen Kopf durch den Spalt und runzelte die Stirn.

      „Das glaube ich einfach nicht!“ stöhnte er, als er das in der Erde eingelassene Loch entdeckte, auf dem zwei größere Holzlatten lagen. „Ich dachte, Donnerbalken gehörten in Europa einer längst vergangenen Ära an und sind nur noch in irgendwelchen Museen gegen Eintrittsgeld zu bewundern!“ murmelte er etwas verstimmt und starrte mit wachsendem Unbehagen die beiden Holzkübel an, die nebeneinander auf zwei Stühlen standen und wohl der Körperreinigung dienen sollten. „Wir in Deutschland sind einfach zu verwöhnt. Ist doch alles Bestens!“ versuchte er sich einzureden. „Kein fließendes Wasser, keine Elektrizität, dann eben ganz einfach wieder zurück zur Mutter Natur!“ Joaquin seufzte ein wenig frustriert und schloss schnell die Tür hinter sich.

      Er stellte die Öllampe auf dem Tisch ab, der zur Sitzecke gehörte und schmiss sich auf das Bett. „Das kann ja heiter werden“, schmunzelte er und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Immerhin war die Matratze nicht zu weich, darauf ließ es sich bequem liegen, stellte er einigermaßen zufrieden fest. Wie spät mochte es wohl sein? Er trug schon seit Jahren keine Uhr mehr. Auf jeden Fall würde es eine lange Nacht werden, da noch drei weitere Gäste eintreffen sollten. „Ob die auch den langen Fußmarsch zurück legen müssen?“ ging es ihm durch den Kopf.

      Joaquin war bei der Ankunft zu erschöpft gewesen, um sich Gedanken über die anderen Gäste zu machen. Doch jetzt begann er, sich zu wundern. Wer waren die drei Personen und warum kamen sie alle mitten in der Nacht und das in Abständen von jeweils drei Stunden? - Alles sehr seltsam und rätselhaft! Zu Hause und während der Zugfahrt von Deutschland nach Spanien waren ihm immer wieder Zweifel gekommen. - Auf was ließ er sich da eigentlich ein? - Alle Briefe, die er in Deutschland erhalten hatte, waren ihm ohne Absender, ja sogar ohne Briefmarken zugestellt worden. Also waren sie nicht von der Post ausgetragen worden und dies bedeutete, dass ihm die Briefe von einer fremden, ihm nicht bekannten Person, in den Briefkasten gelegt worden waren. In den Briefen war auch kein Datum angegeben, so dass nicht nachzuvollziehen gewesen war, wann die Briefe geschrieben worden waren. Wer war diese Sophie Faunette? Jeder konnte von sich behaupten, die Freundin seiner Mutter gewesen zu sein! Welchen Beweis gab es dafür? Wollte ihm eventuell jemand übel mitspielen? Wäre im letzten Brief kurz vor der Abreise der Scheck in Höhe von 500, - Euro nicht gewesen, hätte er die Reise sicher nicht angetreten. Der Scheck war in gewisser Weise der einzige Vertrauenspunkt gewesen. Warum sollte man einem Fremden einen Scheck von 500,- Euro ausstellen? Seine Neugierde war größer gewesen als seine Zweifel und so hatte er sich entschlossen, die Einladung anzunehmen und nach Spanien zu reisen.

      Joaquin kramte in seiner Gürteltasche und zog einen weiteren zerknitterten Brief heraus. Er setzte sich im Bett auf, entfaltete ihn und las:

      Lieber Joaquin,

      der Tag Ihrer Abreise rückt näher und ich freue mich, Sie bald in meinem Hause begrüßen zu dürfen. Leider bin ich aber bei Ihrer Ankunft in Spanien auf einer Geschäftsreise in Frankreich und werde erst einen Tag später bei Ihnen eintreffen! Bitte haben Sie Verständnis, aber ich konnte den Termin nicht mehr rückgängig machen. Sie werden also am ersten Tag Ihrer Ankunft in den ersten Stunden auf sich allein gestellt sein. Aber ich denke, das dürfte für Sie kein Problem sein. Alles ist so organisiert, dass Sie sich zurechtfinden werden.

       Einen Punkt gibt es noch, auf den ich in diesem Brief noch eingehen möchte: Bereiten Sie sich auf einen längeren Aufenthalt in Spanien vor! Nehmen Sie bitte nur das Nötigste an Kleidung und persönlichen Gegenständen mit, denn es wird Ihnen in Spanien an Nichts fehlen und für alles Notwendige wird gesorgt werden. Ruhen Sie sich während der Zugfahrt unbedingt aus! Benutzen Sie auf jeden Fall das Liegeabteil, das ich für Sie gebucht habe. Die Einzelkabine wird Ihnen die bestmögliche Ruhe und Entspannung während der Reise bieten. Sie werden nach Ihrer Ankunft in Spanien einen anstrengenden Fußmarsch vor sich haben. Für Sonntag, den 14. Juli, ist ein Streik der Taxifahrer in ganz Spanien angekündigt und andere öffentliche Verkehrsbetriebe bedienen am Sonntag die Strecke nach San Diagos nicht. Außerdem ist eine Hitzewelle für diese Region zu erwarten, daher rate ich Ihnen, sich mit reichlich Wasser und Getränken zu versorgen und für einen ausreichenden Kopf- und Hautschutz zu sorgen, denn Spaniens Sonne kann grausam sein! Des Weiteren muss ich Sie darum bitten, Handy, Laptop und andere technischen Geräte auf keinen Fall mitzubringen. Die Gründe darf ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt nicht nennen. Befolgen Sie aber unbedingt meinen Anweisungen! Sie erhalten weitere Nachrichten, sobald Sie in San Diagos angekommen sind. Ich wünsche Ihnen eine angenehme Reise und freue mich schon sehr auf Sie!

      Herzliche Grüße,

      Sophie Faunette

      P.S. Benutzen Sie in Spanien zur Orientierung die beigelegte Landkarte!

      Den Scheck in Höhe von 500,- Euro können Sie bei Ihrer Bank einlösen. Es sind Ihre Reisespesen!

      Joaquin faltete den Brief wieder zusammen und steckte ihn in die Gürteltasche. Dann erhob er sich vom Bett, nahm die Öllampe und steuerte auf die Standuhr zu. Es war 21 Uhr 53 und in einer Stunde sollte der nächste Gast eintreffen. Er überlegte kurz, was noch zu tun sei und kam zu dem Schluss, dass >abwarten und Tee trinken< wohl die beste Wahl wäre. Er ging in die Wohnküche und sah, dass Lord Leroy seinen Kopf unter seinem Gefieder vergraben hatte und scheinbar schlief. Er nahm den Kessel, der auf der Kochstelle stand und füllte ihn mit Wasser, das in einem großen Plastikbehälter auf dem Küchentresen aufbewahrt wurde. Dann holte er etwas Holz aus der Kaminecke, nahm die Zündhölzer, öffnete die Klappe der Feuerstelle und machte sich daran, den Ofen in Gang zu bringen. Nach nur wenigen Minuten hatte er ein hübsches kleines Feuer entfacht. Die Zündhölzer verstaute er in seiner Hose. Draußen war es zwischenzeitlich so dunkel geworden, dass er mehrere Kerzen anzünden musste. Leichter Wind kam durch die offene Veranda Tür. Über dem Küchentresen befand sich ein Regal gefüllt mit Gewürzmischungen, Kräutern, Kaffee und Teepackungen. Er entschied sich für einen Früchtetee.

      Joaquin pfiff leise vor sich hin. Er hatte das Gefühl, langsam in seiner neuen Umgebung anzukommen und genoss die behagliche Atmosphäre, die sich in der Wohnküche ausbreitete. Er nahm das kochende Wasser vom Ofen und goss es in die Kanne mit dem Früchtetee. Dann stellte er einen Stuhl vor die offene Veranda Tür, setzte sich auf ihn und schaute in den Nachthimmel. Die Luft war klar und angenehm kühl. Eine beruhigende Stille durchzog die Dunkelheit. Joaquin spürte den Brand in seinem Gesicht. Die Sonne hatte ihm wirklich arg zugesetzt. Müdigkeit erfasste ihn, die er schon eine ganze Weile gespürt hatte, obwohl er sich im Zug gut ausgeruht hatte. Der Fußmarsch war einfach zu anstrengend gewesen. Aber an Schlaf war jetzt nicht zu denken. Er ahnte, dass viel Neues und Unbekanntes auf ihn zukommen würde und er fühlte eine gewisse Spannung, die er nicht erklären konnte. Auch spürte er, dass es wohl die letzten Minuten waren, die er für unbestimmte Zeit ganz für sich alleine hatte! Er zog die Nachtluft mit einem kräftigen Atemzug ein. Dann entspannte sich sein Körper und sein Kopf fiel langsam nach vorne. Joaquin war eingeschlafen.

      Harlekin

      Ein jähes, lautes Krachen riss Joaquin in Sekundenbruchteilen aus dem Schlaf. Wie von der Tarantel gestochen sprang er vom Stuhl und verlor fast das Gleichgewicht. Im gleichen Moment kreischte Lord Leroy markerschütternd und flog wie wild geworden durch die Wohnküche.

      „Alarm! Alarm! Alarm!“ krächzte er aus voller Kehle und fegte mit seinen Flügeln eine Kerze und eine Blumenvase vom Tisch, die polternd zu Boden fiel, aber nicht zerbrach. Durch die Wucht des Flügelschlags war die Kerze erloschen. In Panik stürzte sich Joaquin auf die anderen brennenden Kerzen und löschte sie hektisch, damit der Papagei nicht noch mehr Unheil anrichten konnte. Die Öllampe hatte längst ihren Geist aufgegeben, weil sich kein Öl mehr in ihr befand. Für einen Augenblick