sei. Hilfreich, um ein qualitativ gutes Leben zu führen, nicht um davon abzulenken, dass wir die Langeweile nicht aushalten.
Jemanden nicht riechen können ersetzte ganze Bibliotheken psychologischer Literatur. Dass er gewisse Leute einfach nicht ertrug, fiel ihm nicht allzu schwer zu akzeptieren, etwa diesen Kotzbrocken Richard Quest von CNN oder dessen Kollegen Aron Heslehurst von der BBC, die sich laut und à la Trump inszenierten – lag es möglicherweise daran, dass beide sogenannte Business-Sendungen moderierten?
Dass es Leute geben könnte, die ihn nicht ertrugen, war ihm unbegreiflich.
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As a black woman I have no particular interest in maintaining the status quo. Why would I?
NK Jemisin
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Dagobert Lindlau, ehemals Fernsehreporter: „Ich habe mir nach langer Übung die Kunst angeeignet, in die Luft zu schauen, ohne an etwas zu denken.“ Er selber hatte erst vor Kurzem entdeckt, wie viele unterschiedliche Grün es in der Natur gibt. Und wie variantenreich die Äste der Bäume wuchsen. Als ihm dann aber alte Fotos in die Hände fielen, staunte er nicht schlecht, dass er schon seit vielen Jahren Bäume und Äste fotografiert hatte.
Ignorance is bliss. Vielleicht war es ja wirklich ein Vorteil, dass man mit derart wenig Bewusstheit durchs Leben ging. Wäre dem nicht so, würde man andauernd damit konfrontiert, dass man immer dasselbe tat – und dieses Wissen auszuhalten, war wohl den meisten nicht gegeben. Jedenfalls war es Harry nicht gegeben.
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Es nieselte als er in Bangkok eintraf. Als er die Petchburi Road erreichte, klaffte da, wo 'sein' Hotel stand, eine Baugrube. Dann würde er es halt in der Soi 1 der Sukhumvit versuchen, wo er in seiner Bangkoker Anfangszeit, vor fast dreissig Jahren, immer abgestiegen war, doch auch da klaffte eine Baugrube. Es war ein Schock. Zurückzugehen, Vergangenes besuchen zu wollen, war keine gute Idee. Was ruhen soll, soll ruhen.
Etwas wehmütig beschloss er, sich nach Lat Krabang, beim Flughafen aufzumachen. Der Taxifahrer am Bahnhof wollte 200, Harry winkte ab, da sagte er 100. Er landete in einem Hotel auf der grünen Wiese, wo er der einzige Gast zu sein schien, was sich jedoch am folgenden Morgen als Irrtum erwies: Eine laute, ungehobelte chinesische Reisegruppe okkupierte den Speisesaal
In Thailand hatte er das für ihn Wesentliche ganz am Anfang kapiert. Weil ihm da, trunken vor Begeisterung, noch das Banalste (eigentlich vor allem dieses) eine Offenbarung war. Vor allem den Süden und den Nordosten hatte er bereist, mit Flugzeug, Bus und Zug. Am Flughafen von Sukhothai gab es weder Bus noch Taxi. Wie er in die Stadt komme? 'I will go ask my Master', sagte die junge Flughafen-Angestellte und liess ihn dann wissen: 'My Master will drive you.' Der Master entpuppte sich als der Flughafendirektor, ein redseliger Mann, der wissen wollte, wo er als nächstes hinwolle. Nach Mae Hong Son. Und wie? Mit dem Bus. 'No good', sagte er, die Strasse sei sehr kurvig und die Fahrt dauere neun Stunden. Er solle es machen wie die Thais. Und wie machen die das? 'Easy, you fly'. Und das tat er dann auch.
Einmal war er mit einem Amerikaner, einem aufgestellten, lebensfrohen, sympathischen Mann, von Phuket nach Krabi und dann nach Bangkok gereist. Wo auch immer sie hinkamen, hatten sie sofort Kontakt mit Einheimischen. Das lag an Tom, an seiner unkomplizierten und offenen Art. Die Thais haben gerne Spass, Tom genauso. Die Thais spürten das sofort, sie sprachen auf ihn an, es war die reinste Freude. Tom, da war Harry sich sicher, verstand die Thais instinktiv besser als viele, die Jahre zugebracht haben, um sie zu studieren. Er spürte sie.
„I think the Thais like you.“ Der etwa 50jährige. gutgekleidete Thai-Chinese, der seine Familie zum Einkauf in einen teuer aussehenden Schuhladen ausführte, musterte Harry wohlwollend. Wie er darauf komme? Er könne das sehen, erwiderte er. Seltsam, dass ihm dieses kurze Zusammentreffen in Khon Kaen immer mal wieder durch den Kopf ging, ohne erkennbaren äusseren Anlass. Einfach so.
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In difficult times, a philosopher once said, it is important to state the obvious.
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Es dünkte ihn eigenartig, dass er es normal fand, sich über andere Gedanken zu machen, doch regelmässig verblüfft war, wenn er entdeckte, dass sich andere Gedanken über ihn machten.
Eines Tages sprach ihn die Berufsberaterin vom oberen Stock im Treppenhaus an. Sie habe noch nie jemanden getroffen, dem derart egal sei, was andere Leute von ihm denken, lachte sie und schien das positiv zu meinen. Harry war einigermassen verblüfft, denn was Leute, die ihm nahestanden, von ihm dachten, war ihm überhaupt nicht egal. Und dass ihn die Meinung von Unbekannten nicht besonders interessierte, na ja, ging denn das nicht allen so? Doch offenbar schätzte ihn nicht nur die Berufsberaterin, die er nur vom Sehen kannte, so ein, denn ein paar Wochen später traf er in einem Warenhaus auf einen Bekannten, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte und der sich ebenso äusserte.
Er stieg die Eingangstreppen von Mike's Shopping Mall in Pattaya hoch, als plötzlich eine etwa fünfzigjährige Thailänderin auf ihn zustürmte und rief „You name Harry?“ Ja, erwiderte er und nahm an, sie verwechsle ihn, denn er war sich sicher, sie noch nie gesehen zu haben. „My name Kung, Soi four“, sagte sie, „Soi four, in Bangkok.“ Er kannte niemanden in der Soi vier. Und er kannte auch niemanden mit Namen Kung. „Sell clothes“, sagte sie, „You come see Sai.“ Bei dem Namen Sai klickte etwas. Sie zeigte auf eine junge, hübsche Frau von etwa zwanzig und plötzlich erinnerte er sich. Vor Jahren verbrachte er jeweils mehrere Monate pro Jahr in der thailändischen Hauptstadt und besuchte da regelmässig Asia Books im Landmark Hotel. Kung hatte einen Verkaufsstand nahe beim Landmark, auf der Soi vier. Sai, die damals etwa acht war, folgte ihm manchmal ins Landmark. Eines Tages begann er ihr Eis zu kaufen, manchmal setzte er sich auch auf die Treppe und redete ein paar Minuten mit ihr (sein Thai war sehr beschränkt). Er erinnerte sich sehr genau, wie er ihr eines Tages erklärte, er werde am nächsten Tag zum Flughafen gehen und sie unbedingt mitkommen wollte. Wenig überraschend hatte Sai keine Erinnerung daran.
Kung schob ihm einen Plastikstuhl hin, sie lächelten und unterhielten sich. Wo ihr Mann sei? „Him die“, sagte sie, „Him drink too much“. Ob er Email habe? Als er sie aufnotierte und ihr überreichte, sagte sie, sie selber habe keine. „When you come back?“ Er wisse es nicht. Sie sassen, schwiegen und lächelten, sie waren einfach da, zusammen und verbunden. Es fühlte sich ganz wunderbar an.
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Als Kind spielte die Tänzerin Eveline Hall Geschichtenball, ein selbst erfundenes Spiel, bei dem sie und ihre Freundin einen Ball gegen einen Betonpfeiler warfen und dann wieder auffingen, immer wieder, und sich dabei selbst ausgedachte Geschichten erzählten. „Heute denke ich, dass alles, was ich bin, auf dieses Spiel zurückgeht, auf Geschichtenball,die unendliche Fantasie, das Immer-wieder-neu-Anfangen, das Sich-ganz-Einlassen auf eine Sache, und alles aus dem Stegreif.“
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