S. N. Stone

Tief in seinem Inneren


Скачать книгу

zu dem Entschluss gekommen, dass ich dir zumindest davon erzählen muss.«

      »Das hört sich mysteriös an.«

      »Das ist es in der Tat. Du erinnerst dich an den Fall, der mich nicht loslässt.«

      Ja, darüber wusste sie Bescheid.

      Ein 15-jähriges Mädchen war von der Schule nicht nach Hause gekommen. Die Eltern hatten sich an die Polizei gewandt.

      Ermittlungen wurden eingeleitet, umfangreiche Suchmaßnahmen durchgeführt, sie wurde zur Fahndung ausgeschrieben. Ina Johnsen blieb verschwunden.

      Ihrer Mutter war es zu verdanken, dass Max diesen Fall niemals vergessen konnte. Sie rief sich immer wieder in Erinnerung, kontaktierte ihn in Abständen.

      Elf Jahre später sollte sie Gewissheit bekommen.

      In Zusammenhang mit der Tötung von fünf Frauen war der Sohn eines Großunternehmers dringend tatverdächtig.

      Inas Vater war einige Jahre für die Familie als Chauffeur tätig gewesen und hatte zu berichten gewusst, dass Fabian Hagemann bereits in jungen Jahren für Ina geschwärmt, sie geradezu verehrt hatte. Als unnatürlich und beängstigend, war diese Verbindung beschrieben worden. Ein Grund, weshalb der Vater seinen Job aufgegeben hatte und sie fortgezogen waren.

      Damals hatte man Fabian, trotz dieser Angaben, nichts nachweisen können.

      Im Zuge der aktuellen Ermittlungen jedoch, fand man im Garten der Hagemanns, unter einem großen Rosenstrauch vergraben, den Leichnam von Ina Johnsen.

      Eindeutige Beweise aus dem Besitz Fabians, zogen seine Verhaftung für alle sechs Tötungen nach sich, derer er sich entzog, indem er in seinem Sportwagen floh. In einer Kurve, bei überhöhter Geschwindigkeit, kam er von der Straße ab. Der Wagen nebst Insasse hatte sich überschlagen und war vollständig ausgebrannt.

      »Das Verschwinden von Ina hat mich all die Jahre beschäftigt. Ich hatte ihrer Mutter versprochen, dass ich sie finden würde, egal wie. Immer, wenn ich konnte, habe ich nach ihr gesucht. Dann, so viele Jahre später, all diese toten Frauen. Wir tappten im Dunklen, ähnlich wie ihr zurzeit. Wie du weißt, war es ein gefundenes Fressen für die Presse.«

      Dana erinnerte sich an die täglichen Schlagzeilen, die nach Gerechtigkeit und Ergebnissen geschrien hatten. Die Presse stopfte das Sommerloch und erschwerte die Ermittlungen. Jeder, der meinte, etwas dazu sagen zu müssen, tat es. Es zog sich bis in Regierungskreise. Politiker forderten und kritisierten, die Ermittler gerieten in die Schussbahn eines Mobs, der ihnen Unfähigkeit vorwarf. Und dann war es irgendwann einfach vorbei gewesen. Eine kurze Meldung in den einschlägigen Tageszeitungen, dass der Täter bei seinem Fluchtversuch zu Tode gekommen sei, keine Nennung seiner Identität.

      »Es war nicht unserem Spürsinn zu verdanken oder dem Zufall oder unserem Glück, dass wir ihn gefunden haben. Wir hatten Hilfe.«

      Max schwieg eine Weile und dann, als hätte er Mut sammeln müssen, fragte er: »Wie weit bist du bereit zu gehen, um den Täter zu fassen?«

      Ziemlich weit, würde sie gehen, aber alles hatte Grenzen. Sie musste auch an sich denken, an ihre Zukunft, so realistisch war sie.

      »Wärst du bereit unkonventionelle Wege einzuschlagen?«

      Max Frage erstaunte sie, was hatte er getan, um an sein Ziel zu gelangen?

      »Keine Sorge, du musst deine Seele nicht an den Teufel verkaufen. Vielmehr könntest du Probleme mit deinen Vorgesetzten und Kollegen bekommen, wenn du meinem Rat folgst.«

      2. Kapitel

      Dana hatte sich schwergetan, Max Empfehlung zu folgen. Ausschlaggebend es zu tun, war das Zusammentreffen mit den Eltern und dem Bruder von Ina gewesen.

      Herr Drews hatte weinend dagesessen, der Bruder im Teenageralter war blass und teilnahmslos gewesen, Frau Drews hatte gefasster gewirkt.

      Sie wusste, dass in solchen Situationen oft die Frauen, die Stärkeren waren. Die waren, die sich zusammenrissen, bemüht, zu helfen, Auskunft zu geben. Sie litten nicht weniger, im Gegenteil, wahrscheinlich sogar viel mehr, weil sie versuchten, alles zusammenzuhalten und innerlich zerbrachen.

      Dass sie nichts von Ina gehört hatten, sei keine Überraschung gewesen. Ihre Tochter habe angekündigt, dass es die ersten Tage schwer sein würde, sich zu Hause zu melden. Mit einem Anruf habe man erst gerechnet, wenn sie in Jaipur angekommen war. Ganz wohl sei ihnen nicht gewesen, da sie geplant habe, Orte zu bereisen, die für Touristen nicht ungefährlich waren.

      Dass die Gefahr für sie viel näher gelegen hatte, als befürchtet, war ein sehr böser Schlag des Schicksals gewesen.

      Bei der Verabschiedung war es der Bruder, der Dana die Hand gereicht, sie traurig angeblickt und gefragt hatte, ob sie ihm versprechen könne, den Täter zu fassen.

      Er war es gewesen, der sie bewogen hatte, Christian Layes Adresse in Erfahrung zu bringen und sich nun auf eine zweistündige Autofahrt zu ihm zu begeben.

      Als Max ihr von dem Mann erzählt hatte, war sie erleichtert gewesen. Bei seinen Worten hatte sie tatsächlich eher an besagten Seelenverkauf gedacht, als daran, dass er und seine Kollegen ihre Ermittlungen auf die Offenbarungen eines Hellsehers gestützt hatten. Trotzdem war ihr der Gedanke, so jemanden zu Hilfe zu holen, absurd erschienen. Wie verzweifelt mussten sie gewesen sein, sich an einen - sie bemühte sich, das Wort Scharlatan nicht zu denken - zu halten?

      Es war nicht so, dass Dana nicht daran glaubte, dass es mehr zwischen Himmel und Erde gab, als man meinte. Sie war tief im Inneren sogar gläubig, war von ihrer serbischen Mutter und Familie geprägt, aber viele dieser selbsternannten Spirituellen waren in ihren Augen einfach doch Scharlatane.

      Natürlich hatte Dana Max gefragt, ob sie die Behauptungen dieses Mannes nicht für Täterwissen gehalten hatten.

      Hatten sie, anfangs. Jedoch war Laye ein recht labiler Geist, der aufgrund von Klinikaufenthalten wasserdichte Alibis für zumindest einen Teil der vermeintlichen Tatzeiträume gehabt hatte. Das war auch ein Grund, weshalb Max keine Ahnung über seinen Aufenthaltsort hatte und Dana über das Melderegister hatte gehen müssen.

      Als sie in die kleine Straße einbog, die zum Haus führte, hoffte sie, dass er zurzeit alle Sinne beieinander haben würde und da war.

      Seine Vermieterin öffnete. Eine alte, kleine, runzlige Frau, mit wachen Augen.

      »Ja bitte?!«, brüllte sie.

      »Guten Tag, mein Name ist Dana -«

      »- Sie müssen schon lauter sprechen, mein Gehör macht nicht mehr mit.«

      Dana räusperte sich. »Mein Name ist Dana Jagmin, ich möchte zu Herrn Laye, ist er da?«, fragte sie nun wesentlich lauter.

      »Oh sie sind eine Freundin? Das ist aber schön, dass der Junge endlich mal eine nette Frau gefunden hat. Er hat mir gar nichts erzählt. Kommen Sie rein, kommen Sie rein!« Sie wedelte mit den Händen. »Er ist oben in seiner Wohnung. Die Treppe rauf und die Tür links. Gehen Sie nur, meine alten Beine wollen nicht mehr so.«

      Dana nickte zum Dank und stieg die Stufen hinauf.

      Sie klopfte an und wartete. Ihren Dienstgrad zu nennen, hatte sie absichtlich vermieden, immerhin war sie nicht offiziell hier und sie hatte niemanden von ihrem Vorhaben in Kenntnis gesetzt.

      Bevor sie nur einen Gedanken daran verschwendete, wie sie es ihren Vorgesetzten beibringen würde, jemanden wie ihn zurate zu ziehen, wollte sie sich den Kerl anschauen.

      Die Tür wurde geöffnet und Dana blieben die vorbereiteten Worte im Hals stecken.

      Auf einen Mann, etwas jünger als sie, war sie vorbereitet gewesen, sie kannte sein Geburtsjahr.

      Auf einen Mann in einem seidenen Gewand, vielleicht mit Turban auf dem Kopf, Ketten um den Hals, verschroben und nach Räucherstäbchen riechend auch. Einem sonderbaren Typen, der zu schweben schien, sie