Ramona Tizia Just

In dubio pro libido


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gewesen war, schlimmer könne es nicht kommen, fühlte ich mich nun ratzfatz eines Besseren belehrt. Auf meiner Rückfahrt begleiteten mich diesmal auch keine smarten Galane mehr. Männer ja – aber keiner unter zehn Jahren Knast für erfolgreich-finale Gewaltdelikte.

      Zwei Monate später bezog ich eine kleine Eigentumswohnung am anderen Ende der Stadt – ohne verspiegelten Kleiderschrank. Was ich in einem solchen noch beim unaufhaltsamen Welken hätte betrachten können, brachte ich auch blind ganz brauchbar angezogen – und was vor dem Einschlafen gelegentlich für schnelle Entspannung sorgte, war in meinen Augen überdies nicht eben sehenswert.

      Umso ansehnlicher dafür meine anderweitigen handwerklichen Eigenleistungen – Streichen, Tapezieren und einiges mehr hatte ich mir zugetraut und sehr ordentlich, ein bisschen langsam vielleicht, hinbekommen. Jetzt allerdings, wo alles fertig, jedes Ding an seiner ultimativen Stelle war, gingen mir natürlich die Ausreden aus – bezüglich Heidruns eifrigen Bemühungen, mich unter die Leute zu schleppen – wieder einen richtigen Menschen aus mir zu machen, wie sie es nannte. Eine Hand voll unverfänglich-seriöse Restaurant-Besuche hatte ich ja bereits über mich ergehen lassen, aber, nun ja – die altgediente Nachtschwärmerin wollte mich ums Verrecken in ihre illustre Clubszene einführen.

      Let's swing

      „Und heute kommst du mir nicht mehr davon, meine Liebe! Heute ist Vollmond, und bevor der nicht schlafen geht, tun wir das auch nicht! – Mensch, Ramona, Professor Drecksack vögelt sich unverdrossen die Nille wund, und du vertrocknest mir langsam, aber sicher vor dem Fernseher! Das lass ich nicht zu!“

      Ich bat mir indes aus, nur irgendwo hinzugehen, wo in der Regel mit keinen Großkopfigen, keinen Juristen, Medizinern oder Edelphilologen zu rechnen sei.

      „Sowieso! Was denkst denn du! Je ausgeprägter der Intellekt, desto schwächlicher die Libido! Ich fass es nicht, du bist ja noch unbedarfter, als ich ohnehin dachte!“

      Ein klein wenig beleidigt war ich schon, wie ich auflegte und mich an die Auswahl der Garderobe machte – aber im Prinzip hatte sie ja Recht. Im Nu kamen mir alle meine Sexpartner in den Sinn – lange nachzählen musste ich da wahrlich nicht – ganze vier vor meiner Heirat. Und mit einem davon war es auch nie ernstlich zum Vollzug gekommen. Kein richtiger Sex also – nach Präsident Clinton wenigstens. Trotzdem schön, wie ich so drüber nachdachte. Ein überaus flinkes und geduldiges Zünglein hatte dieser Knabe – aber den heißen Klecks meist schon in der Hose, bevor ich überhaupt ..... Klar, der Gute war so was von blitzgescheit.

      „Sag mal, bist du eigentlich noch ganz dicht!“, musste ich mich nun höchstselbst zur sittlich-mentalen Ordnung rufen, konnte mir dennoch nicht verkneifen, mich zu fragen, ob mein angehender Exgemahl vielleicht gar nicht der tolle Liebhaber sei – oder einfach nur viel blöder, als ich immer dachte.

      Zusammen mit den letzten Sonnenstrahlen eines so oder so längst denkwürdigen Tages fielen wir in ein relativ schickes Bistro in einer eher schmuddeligen Ecke der Altstadt ein. Unbestreitbar war Heidrun hier mehr als nur bekannt, hatte eine ganze Reihe von Herren- und Damenwangen zu küssen, bevor wir uns an der Bar niederließen.

      „Dein Stammlokal?“, flüsterte ich ihr ins Ohr.

      „Eins von mehreren, mein Schatz!“

      Mit meiner engen Jeans, der bunten Bluse und dem schwarzen Bolerojäckchen hatte ich zwar nicht komplett danebengegriffen, aber ein Großteil der nicht zu übersehenden weiblichen Minderheit trug doch Röcke – vorwiegend kurze – wie meine Begleiterin.

      Binnen weniger Minuten waren wir zu viert.

      „Hochstapler!“, antwortete der, der sich zu mir gesetzt hatte – ein gewisser Ronny – auf meine Frage, was er denn beruflich so mache.

      Dass er dies wohl in der Hauptsache mit seinen Händen machte – Hochstapeln – das verrieten die vielen Schwielen und Kratzer an selbigen sowie die kräftigen Oberarme. Der eben noch unterbundene Anflug von Zorn um seine Augen verdeutlichte mir die allgemeine Verzichtbarkeit solchen Wissens in diesen Kreisen. Ein Bauarbeiter – zweifelsohne. Hätte ich mir, weiß Gott, sparen können, diesen Lapsus, aber – fürwahr – ich war so aufgeregt wie ein Teenager beim ersten Date.

      „Ich bin eine Verschickerin, schicke die Leutchen in die Ferien – beim Reisebüro!“, log ich einigermaßen gekonnt und zauberte ihm damit flugs ein breites Lächeln aufs Antlitz. Urlaub mag schließlich jeder.

      Wenngleich ich es tagtäglich mit so manchen Pfeifen zu tun hatte, war ich doch über die Maßen erstaunt, wie leicht sich die rhetorisch kultivierte Bemäntelung des Bildungsbürgertums abstreifen ließ. Mit einem lernbegierig-offenen Ohr auf Heidrun und ihren Unterhalter gerichtet, lief es gleich noch besser – wie geschmiert quasi. Alleine deren munter fortschreitende Körperlichkeiten mochte ich mir noch nicht zu Eigen machen.

      Mit der gnädig betäubenden Beihilfe einer ganzen Reihe harter Drinks entwickelte sich eine Form von Smalltalk, wie er auch unter mannstollen Jungfriseusen und ewig geilen Rohrlegern nicht hätte frivoler ausfallen können. Und – wiewohl ich mich schon ab und an zwicken musste – es war köstlich! So köstlich, dass irgendwann sogar ein paar meiner verzückten Lachsalven gleichsam manuell auf Ronnys strammen Oberschenkeln ausklangen.

      Umso verwunderter dürfte ich aus der Wäsche geschaut haben, wie mich Heidrun plötzlich unterhakte, den Herren betont ladylike unsere Zeche überließ und sie letztlich mit einem lapidaren „Also, bis dann, Jungs!“ versah.

      Angemessen arschwackelnd stöckelten wir nach draußen. Gut, um es gleichermaßen zu genießen, war ich doch etwas zu perplex.

      „Und jetzt?“, fragte ich dann auch entsprechend ungehalten.

      „Lass dich überraschen!“, sang sie, eben noch leidlich, im Stile eines nicht ganz unbekannten holländischen Showmasters.

      Die gut zwanzigminütige Fahrt, quer durch die halbe Stadt, fand ihr Ende in einem düsteren Industriegebiet vor einem heruntergekommenen Backsteinbau. Einzig ein starkes Dutzend geparkte Fahrzeuge mochte im Ansatz den Eindruck vermitteln, dass es hier irgendwo menschliches Leben gebe. Eher elektrotechnisch-automatischer Natur war dann das erhellende Geleit über den zuvor bestenfalls zu erahnenden Innenhof. Anordnung und Ausrichtung der reichlich rotlastigen Illuminierung ließ keinen Zweifel aufkommen, welche der zahlreichen Türen anzusteuern sei. Entschlossen drückte Heidrun auf den in dezentem Grün leuchtenden Klingelknopf.

      Seit einigen Minuten hatten wir schon nichts mehr geredet – und taten es auch jetzt nicht. Der keineswegs unerhebliche Schwips hatte sich inzwischen – bei mir jedenfalls – komplett in Wohlgefallen aufgelöst. Zumindest war er im Moment meiner exorbitanten Aufgeregtheit nicht gewachsen.

      Ergo brachte ich dann auch weiterhin keinen Ton heraus, wie sich die Tür öffnete. Eine etwas füllige, und zwar rundum, aber durchaus hübsche Frau, in unserem Alter etwa, nahm uns aufs Freundlichste in Empfang. Sie trug einen mattschwarzen Bikini und fast gefährlich-hochhackige, ferrarirote Pumps, die sie – für meine Begriffe – geradezu meisterlich beherrschte. In Catwalk-Manier schritt sie voran zur Bar, um uns das obligatorische Begrüßungsgetränk zu kredenzen.

      Wenn ich mir bis zu dem Zeitpunkt überhaupt irgendetwas Konkretes erwartet haben sollte – keine Ahnung, wohl eher nicht – so wurde mir nun mit einem Mal, einem eingehenden Blick in die Runde, glasklar, wo ich da hingeraten war. Die spärlichst bekleideten, in Teilen gar vollständig nackten Menschen um uns herum bedeuteten mir nun aufs Offenkundigste, dass es sich bei diesem versteckten Etablissement um einen Swingerclub handelte.

      Mein Kopf, mein rationales, integres Richterinnen-Ich, sträubte sich noch vehement gegen jegliche allzu positiv daherkommen wollenden Impressionen. Wogegen mein Bauch und diverse benachbarte Regionen sich ungefragt in der allgemeinen hedonistischen Atmosphäre, diesem prickelnd erotischen Ambiente, zu suhlen begannen. Jede noch so fremde Frauenhand auf ihrem zielstrebigen Weg über einen behaarten Männerschenkel, jede Männerpranke auf mehr oder minder weiblich-errogenem Terrain tat nun beflissentlich das Ihre, die Unaufhaltsamkeit