Ramona Tizia Just

In dubio pro libido


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ich mir gernstens nachschenken. Heidrun schob, während ich mich bereits getraute, mit ein paar Nackedeis anzustoßen, zwei Scheine über den Tresen und bekam dafür von besagtem Bikini-Model einen Schlüssel ausgehändigt.

      „Dann komm mal mit, mein Mädchen!“

      Mit einem Achselzucken empfahl ich mich bei meinen neuen Trinkkumpanen und trabte ihr angestrengt leichtfüßig hinterher. Eine Tür, ein langer, schummriger Gang, noch eine Tür, und wir standen in einem Raum mit zahllosen Spinden, wie man sie von Umkleidekabinen in Frei- oder Hallenbädern kennt.

      „Muss ich ...., muss ich mich jetzt etwa – ganz ....?“, fand ich stotternd die Worte wieder.

      „Nein, bloß nicht!“, beruhigte sie mich – soweit das überhaupt möglich war. „Wir zeigen doch nicht gleich alles! Wo kommen wir denn da hin! Die Kerle sollen ruhig noch ein klein wenig zu fantasieren haben.“

      „Du hast dir natürlich was mit....!“, lamentierte ich augenblicklich los, wie ich sah, dass sie freudstrahlend in ihre Tasche fasste.

      „Wofür hältst du mich“, fiel sie mir barsch ins Wort, „für dich hab ich selbstverständlich auch etwas Hübsches dabei, Dummerchen!“

      Sogar aussuchen durfte ich – was für eine Freundin! – und entschied mich für die türkisfarbenen Teile – Teilchen, um genau zu sein. Die bordeauxroten hätten mich sicherlich noch bleicher erscheinen lassen, als ich es derzeit ohnehin war.

      „.... sollte ich wohl auch mal wieder“, faselte ich vor mich hin, während ich bewunderungsvoll über Heidruns studiogebräunte Brüste strich.

      Beim gemeinsamen Kontrollblick in den Spiegel kamen mir erstmals Gedanken hinsichtlich meiner notleidenden Reputation. Was, wenn ich hier einem alten Bekannten begegnete, einem von mir verurteilten Gangster, einem Journalisten oder womöglich doch einem Kollegen – einem Anwalt der Beschuldigtenseite schlimmstenfalls?

      „Mein Gott!“, sinnierte ich zwar nur stumm – aber die andere Halbnackte an meiner Seite bemerkte es wohl und verscheuchte meine Bedenken gewohnt flapsig und obendrein mit sanft gen Ausgang lenkender Handgreiflichkeit.

      „Aber hallo!“, entwich es einem der verbliebenen Bar-Hocker – fehlte nur noch, dass er Beifall klatschte, wie wir kichernd um die Ecke kamen.

      Aber auch die Damen gaben sich recht angetan, huldigten glaubhaft fröhlich mit. Zu neiden schien man sich an diesem Ort jedenfalls nichts und niemanden, wie es aussah. Wir blieben noch eine Weile stehen, ließen unsere Gläser erklingen, bis sie leer waren. Heidrun flüsterte der Bardame, Biggi, der Chefin, wie ich nun wusste, etwas ins Ohr und gab ihr den Schlüssel zurück.

      „So, meine Süße, dann will ich dir mal alles zeigen!“

      „Man sieht sich!“, traute sich abermals unser hingerissener Freund zu bemerken.

      ..... zu träumen gewiss, wie wir zweifelsohne beide dachten und uns im Weggehn verstohlen angrinsten.

      So groß oder so klein sie auch waren, die inspizierten Räumlichkeiten, hoch her ging es in einem jeden allemal. Auch ungezählt mochten die vielen hemmungslos Flirtenden und Streichelnden, Knutschenden und Lutschenden und in allen erdenklichen Stellungen Kopulierenden keinesfalls in die wenigen Automobile draußen passen. Da musste doch so mancher Gast – in allgemein weiser Voraussicht oder auch nur der Anonymität wegen – sein eventuell entlarvendes Gefährt hübsch zu Hause gelassen und ein Taxi genommen haben.

      Meine Augen wurden immer größer – aber auch andernorts stellten sich peu à peu anatomisch-selbstätige Modifikationen ein, dass es mir bald Angst und Bange wurde. In einem Raum, einem Saal wohl eher, eingerichtet wie ein Indoor-Kinderspielplatz, wurde geschaukelt und gewippt, gefangen, gefesselt und gehangen – gequiekt, gequietscht und in sämtlichen Tonlagen gestöhnt natürlich. Kondome in allen Farben, Formen und Größen wurden freundlich weitergereicht, geworfen mitunter, ausgepackt und heldenhaft unaufgeregt, wie bei einem Wildwest-Feuergefecht, mit allen gängigen Kalibern bestückt.

      Kaum mehr zu kennen, glaubte ich mich dann, wie ich mich tatsächlich, allen Ernstes, anfänglich zu widersetzen anschickte, unbewusst, als mich Heidrun weiter zum nächsten Swinger-Highlight zerrte. Ein etwas kleinerer, ganz in Rot, Blutrot gehaltener Raum mit einem einzigen, riesigen Bett fast über die gesamte Fläche. Nur an den Wänden entlang, in einem knappen Meter Abstand zu dieser gigantischen Spielwiese, gepolsterte .... Ruhebänke, meinte ich erst, bis ich erkannte, dass auch darauf – gemütlich im Sitzen – ordentlich gevögelt wurde.

      Ein guter Teil von mir – ein ziemlich mittiger, längst auf Betriebstemperatur befindlicher – hätte sich, Platz war noch reichlich, gewisslich gernstens dazugesellt, wenn da nicht .....

      „Hey, hallo“, baute sich Heidrun fast ärgerlich vor mir auf und zeigte mir den Scheibenwischer für fortgeschrittene Weggetretene, „Erde an Ramona! Atmen nicht vergessen! Sind wir denn etwa gar zu sehr beeindruckt! Du wolltest doch wohl nicht ernsthaft ....!“

      Da hatte sie mich auch schon ein gutes Stück weiterbugsiert. Und wahrlich – ich war wirklich bereits jenseits von Gut oder Böse, außer Rand und Band, out of Control gewissermaßen – gewesen zum Glück. – Logisch! Ausgehungert, wie ich nach einem Vierteljahr ohne Sex zwangsläufig sein musste – und meine autoerotischen Gegenmaßnahmen hatten auch eher den temporären Entzug zu besänftigen gehabt, als mir nachhaltig-lustvollen, bis in alle Fasern befriedigenden Hochgenuss zu generieren.

      Dennoch war ich ihr nun dankbar – gut, zumindest einmal nicht böse. Die wusste, da war ich mir sicher, wie in allen anderen Belangen auch, bestens, wie wir auf weniger turbulente Art über kurz oder lang zu unserem allerfeinsten Vergnügen kommen würden.

      Ein letztes Séparée rechts und eines links ließen wir nun wohlweislich aus und stürmten geradewegs durch eine leicht beschlagene Glastüre, hinter der die Raumtemperatur abrupt gefühlte zehn Grad zunahm. In einem überdimensionalen, von Plastikpalmen und unzähligen Strandliegen gesäumten Whirlpool hockten, schön verteilt, vier sichtlich matte Pärchen mit ausnehmend rosigen Gesichtern und schienen gerade neue Kräfte zu sammeln. Jedenfalls lagen sie allesamt keusch nebeneinander, nippten zufrieden an ihren Drinks und ließen sich von den leise murmelnden Wasserstrahlen massieren.

      Wir grüßten in die Runde, man begrüßte uns – freundlich-familiär, wie gehabt – und wir belegten zwei der Liegen, mit unseren federleichten Reiztextilien zunächst nur. In diesem friedlich-gediegenen Umfeld fiel es mir jetzt auch nicht mehr schwer, mich vollends nackig zu machen. Die Pumps noch, und wir watschelten Hand in Hand ins gar nicht kühle Nass.

      „Habt ihr denn nichts zu .....?“, wollte eine wasserstoffblonde Pool-Nixe besorgt, fast empört wissen, fuchtelte mit ihrem halb vollen Longdrinkglas.

      „.... ist bestellt! .... kommt gleich!“, erklärte ihr Heidrun – und mir das unnötig mysteriöse Getuschel vorhin mit Biggi.

      Zumindest erkärte ich es mir nun so – für den Moment.

      Ich kämpfte noch leidenschaftlich und (selbst)gesprächig mit der Einstellung der Düsen, als sie auch schon ankamen, unsere Getränke – und nicht etwa von bediensteter Hand transportiert. Nein! Zu meiner Überraschung stand da, mit einem Sektkübel bewaffnet, Ronny, wie ich aufsah – und daneben mit den Gläsern Heidruns ...., Bekannter, sag ich mal. Mein ohnehin nicht eben normaler Herzschlag erhöhte sich übergangslos um locker zwanzig, dreißig Beats, und ich brachte einmal mehr keinen Piep über die Lippen. Dennoch dürfte mir die Wiedersehnsfreude in dicken Lettern im mächtig durchbluteten Antlitz gestanden haben. Sogar für einen Bautiger gewiss gut lesbar.

      „Ja, ja“, meinte er dann so verständig wie verständnisvoll, „hat dir das elende Miststück also nicht Bescheid gesagt!“, in einer Lautstärke, dass es das Miststück auch wirklich mitbekam und entsprechend süffisant belachen durfte.

      Bevor ich mich annähernd fangen, Fassung und Sprache halbwegs wiedererlangen konnte, pflanzte er seine noch wenig aussagekräftige Männlichkeit an meine grüne Seite. Also schwiegen wir – und er gab derweil den Kellner. Die beiden