hat er ja.« Pete schloss das Fenster, kippte es ein.
»Ja, hat er. Aber muss er deswegen Dampf ablassen und uns derart zur Minna machen?«
»Das geht nicht gegen uns, Lotte. Das hat mehr mit seiner Scheidung zu tun. Glaub mir, ich kenn´ ihn länger als du. Er leidet darunter.«
»Mag ja sein, aber gibt ihm das deswegen das Recht...« Lotte schüttelte den Kopf.
Pete winkte ab. »Lass es gut sein, Lotte. Die verschwundene Leiche gibt ihm mehr als genug Recht.«
Sie verließen ihr Büro und fuhren nochmals zum Tatort zurück.
5. Erste Spekulationen
Lotte sah Jesse im Rückspiegel mit den Armen rudern. Aufgeregt winkte er ihnen hinterher. Sie trat auf die Bremse, so hart und scharf, dass Pete nach vorne schnellte.
»Was soll das? Willst du deinen Airbag testen?«
»Jesse, da hinten; er winkt.«
»Und deswegen latschst du wie `ne Verrückte auf die Bremse?«
Ohne eine Antwort zu geben, legte Lotte den Rückwärtsgang ein und fuhr in rasantem Tempo in Richtung Jesse Dump, der gerade noch rechtzeitig zur Seite springen konnte, um nicht von dem Beetle gerammt und umgefahren zu werden.
»Was ist denn in dich gefahren?« Jesse stand vom Boden auf, klopfte sich den Schmutz von den Hosen, und zeigte der Lombard den Vogel.
Lotte riss mit heftigem Ruck den Wagenschlag auf. »Wolltest du etwas von mir?«
»Ich will mit euch mitfahren. Muss mir den Tatort nochmals genauer anschauen. Was nicht heißt, dass ich von dir zu einem Crashopfer gemacht werden wollte, um letztendlich noch auf meinem eigenen Seziertisch zu landen.« Jesse standen Schweißperlen auf der Stirn.
Pete stieg aus und ließ Jesse auf dem Rücksitz Platz nehmen.
»Danke.« Jesse war von seinem lebensrettenden Sprung noch ganz außer Puste. Zu Lotte gewandt, sagte er: »Das nächste Mal reicht es auch, wenn du einfach stehenbleibst.«
»Ja, der Meinung bin ich auch.« Pete zog seine Zigaretten aus der Hemdtasche. »Ich darf doch.« Noch bevor Lotte antworten konnte, schnippte sein Feuerzeug auf und gleich darauf füllte sich der Beelte mit Zigarettenrauch.
»Fenster runter!«, befahl Lotte, und fuhr los.
Schon von Weitem sahen sie die Taucher.
Joseph Oberwein, der Leiter der Taucherbrigade, war gerade dabei neue Anweisungen zu erteilen, als Lotte, Pete und Jesse ankamen. Als er Lottes roten Beetle erkannte, winkte er, gab seinen Männern nochmals letzte Instruktionen, dann wandte er sich in Richtung der Drei. »Lotte, Lotte, von dir hört man Sachen...« Er lachte, und um seine Mundwinkel bildeten sich kleine Grübchen. »Hast wohl Angst gehabt, dass meine Jungs arbeitslos werden könnten.«
»Sieh nicht mich an, Josdph. Sieh ihn an.« Sie zeigte auf Jesse.
»Sorry, für den Mehraufwand. Hab´s nicht mit Absicht getan.« stotterte Jesse verlegen. Wie hatte er auch annehmen können, dass die Taucher noch nichts von seinem nächtlichen Missgeschick gehört hatten.
»Vergiss es, Dump. Hatten ohnehin heute noch nichts anderes geplant. Von daher, was liegt da näher, als mal nach `ner verlorengegangener Leiche zu tauchen.« antwortete Oberwein. Dabei winkte er teils amüsiert, teils schockiert.
»Wie weit seid ihr, Joseph? Schon was gefunden?«, wollte Pete wissen.
»Irgendeine Spur?«, fragte auch Lotte, während Jesse nur noch stumm daneben stand. Ihm war das Ganze mehr als peinlich. Eine Leiche zu verlieren, so etwas war ihm in seinem ganzen Leben noch nicht passiert.
Gut, während des Studiums hatten Kommilitonen von ihm auch eine Leiche versteckt. Eine, die er am Morgen hätte obduzieren sollen, und die er dafür am Abend zuvor hergerichtet hatte. Aber diese Leiche, die war nur versteckt gewesen. Nach drei Stunden hatte er sie, am darauffolgenden Morgen, in der Kältekammer des ausrangierten Krankenhaustraktes wiedergefunden.
Doch dieses Mal sah der Fall ganz anders aus. Kein alberner Studentenstreich steckte dahinter. Nein, dieses Mal saß er massig in der Patsche. Was, wenn die Taucher die Leichen nicht fanden? Daran wollte er gar nicht erst denken.
Joseph Oberwein schüttelte den Kopf. »Wir sind jetzt seit Morgengrauen am Tauchen,« wieder schüttelte er den Kopf, »aber bisher...« er sah von einem zum anderen, »nichts, absolut nichts. Kein Kleidungsstück, gar nichts, was auch nur im Geringsten auf eine Leiche hinweisen würde.«
»Tatsächlich gar nichts?«, fragte Jesse kleinlaut.
»Na ja, wenn du ein altes Fahrrad, alte PKW-Reifen und Berge von Abfall als nichts bezeichnest..., nein, Jesse, dann haben wir bisher nichts gefunden.« Er kratzte sich am Kinn. »Seid ihr ganz sicher, dass es sich tatsächlich um eine Leiche handelte? Vielleicht suchen wir ja etwas ganz anderes...« Joseph sah die Lombard fragend an.
Lotte hustete. Sie hatte sich tatsächlich an ihrer eigenen Spucke verschluckt. Als sie sich wieder gefangen hatte, fragte sie entrüstet: »Was glaubst du denn, was wir sonst verloren haben könnten? Mann, ich habe mir die Leiche doch nicht eingebildet! Und Pete auch nicht. Jesse schon gar nicht. Er war dicht an dicht mit ihr.«
»Aber nicht dicht genug, sonst wär´ sie ja wohl noch da, und ich hätte nicht ein ganzes Kommando rausschicken müssen. Selbst die Jungs vom anderen Bundesland helfen bei der Suche mit. Aber auch die haben bisher nichts. Keine Spur.«
»Das gibt es doch gar nicht.« Jesse war kreidebleich.
»Kann eine Leiche tatsächlich so weit treiben, in so wenigen Stunden?« Pete blickte zweifelnd zu Joseph.
Der zuckte die Schultern. »Wenn alles ganz ungünstig läuft... Ja, sicher, dann schon.«
»Was verstehe ich unter Wenn alles ganz ungünstig läuft?« Lotte hörte jetzt schon Miraldis Zornesgebell.
»Nun ja, das Wetter, der viele Regen, der Fluss, der rasend über die Ufer tritt...«
»Mit anderen Worten, wenn die Umstände so sind, wie sei es heute Nacht waren.« Lotte blickte fassungslos zu Jesse. »Das ist aber mal `ne schöne Scheiße. Verdammt, Jesse, warum musstest du die Leiche auch loslassen!«
»Als wenn ich´s mit Absicht getan hätte. Ich bin ins Rutschen gekommen, hab´ erst Halt suchen müssen, und dann, als ich endlich wieder...«
Kommissarin Lombard winkte ab. »Hör auf, das wissen wir alles.« Sie wandte sich Pete zu. »Was machen wir jetzt, Pete?«
»Spuren, wir sollten zumindest nach Spuren suchen.«
»Pete, was bringt es euch, wenn ihr Spuren findet? Ihr habt doch gar nichts, womit ihr sie in Verbindung bringen oder vergleichen könnt.« Joseph kratzte sich hinterm Ohr.
»Er hat Recht, ohne Leiche nützen uns auch die besten Spuren nichts.« Jesse war schlecht. Sein Magen krampfte sich zusammen. Er hatte heute Nacht kein Auge zugetan, und waren sie ihm tatsächlich zugefallen, war er sofort wieder hochgeschreckt. Eine Hand war aus dem Fluss aufgeragt, und eine totenähnliche Stimme hatte ihn beim Namen gerufen.
»Es hilft alles nichts. Wir müssen sehen, dass wir das Beste daraus machen. Pete, du suchst die Böschung ab. Ich streife hier oben ein bisschen herum. Müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn wir nichts finden.« Sie wandte sich an Jesse. »Kannst du dich vielleicht wenigstens erinnern, ob du etwas gesehen hast. Etwas, das uns weiterhelfen könnte.«
Kopfschüttelnd, antwortete Jesse knapp. »Nein, nichts.«
»Denk nach, Jesse! Der kleinste Hinweis könnte von Bedeutung sein!«
Jesse dachte nach, während sich Lotte bückte und mit der Hand den feuchten Boden abtastete. Mit etwas Glück hatte sich etwas im Gras verhakt.
Jesse ging in die Hocke, sah Lotte an. »Etwas hab´ ich schon gesehen,