Elke Bulenda

Vampire essen keine Pasta


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einfach alles recht. Sie wäre auch nicht die Erste in der Geschichte Ägyptens, die eine Metamorphose, von einer Frau zu einem Mann, durchlebte.

       Ungefähr ein Jahrhundert zuvor, wurde nach dem Tod ihres Mannes Thutmosis II. aus der Königsgemahlin Hatschepsut ebenfalls ein Mann, der den Thron bestieg und die Regierungsgeschäfte übernahm. Hatschepsut ließ sogar Büsten von sich, mit Zeremonienbart und Pharaonentracht herstellen. Obendrein gab sie ihrem Architekten Senenmut den Auftrag, ein Monumentalbauwerk zu errichten - den viel gerühmten Totentempel in Deir el-Bahari -, der noch heute massenweise Besucher-Scharen anzieht. Augenscheinlich machte die Vermännlichte alles richtig, denn sie führte einundzwanzig Jahre die Geschicke des Landes zur größten Zufriedenheit ihrer Untertanen.

      Zumindest die unter uns, die gerne Tratsch- und Klatschgeschichten lesen, wird diese Theorie gefallen, Nofretete könne so an die Macht gelangt sein. Es ist geradezu ein köstlicher Gedanke, dass sie sich mit ihrer eigenen Tochter vermählen ließ. Töchter zur eigenen Frau zu nehmen, war übrigens im damaligen Ägypten eine gängige Praxis. Amenophis III. erhob ebenfalls seine Tochter Sitamun in den Rang einer Königsgemahlin. Sie galt nach dem Tod ihres Vaters als Favoritin, ihren eigenen Bruder Echnaton zu ehelichen. Nofretete schien sich aber durchgesetzt zu haben und machte das Rennen – schon damals genoss sie den Ruf, die schönste Frau der Welt zu sein. Einem gesunden Menschen stehen bei solchen inzestuösen Verbindungen die Haare zu Berge. Die alten Ägypter hingegen glaubten, damit das königliche Blut so rein wie möglich zu halten. Welch verheerende Wirkungen der sogenannte Ahnenschwund auf den Genpool haben kann, zeigt das kaiserliche Geschlecht der Habsburger, die nicht nur wegen ihrer ausladend dicken Unterlippe bekannt wurden, sondern ebenfalls dafür, gerne dem Wahnsinn anheim zu fallen, weil ihre Vorfahren zu oft mit Cousinen und nahen Verwandten vermählt wurden. Als Beispiel sei Johanna, die Wahnsinnige, der spanische Infant Don Carlos und der Österreicher Kaiser Ferdinand I. genannt, der nicht nur eine dicke Lippe riskierte, sondern obendrein mit einem Wasserkopf abgestraft wurde. Vom Infanten zum Infantilismus schien es immer nur ein kleiner Schritt zu sein. Von ihm soll übrigens der kernige Spruch stammen: »Ich bin der Kaiser und ich will Knödel!«

       Semenchkares Angesicht sollte nicht lange von Atons Sonne beschienen werden. Seine Regentschaft währte nur dreieinhalb Jahre, und sein Schlagschatten verschwand klanglos in der Versenkung. Wer, oder was für sein Ableben sorgte, bleibt weiterhin im Dunkeln. Zumindest könnte der Titel dieses Kapitels ebenso gut lauten: »Tod am Nil«, oder: »Nur die Sonne war sein Zeuge«.

       Nun war Ejes Stunde gekommen, mit freundlicher Unterstützung von Haremhab, den er mit etlichen Titeln und Machtbefugnissen ausstattete. Haremhab stieg zum Oberbefehlshaber des Heeres auf, ebenfalls trug er den Titel: Stellvertreter des Königs an der Spitze der Beiden Länder, oberster Mund des Landes. Es lief wirklich gut für ihn. Er wurde zum Erbfürsten geadelt und Obervermögensverwalter. Zyniker glaubten eher an ein Schweigegeldabkommen.

      Eje, der Großonkel des Thronanwärters, nahm die Rolle des Erziehers für den kleinen Tutanchaton an und führte nun offiziell als Wesir dessen Regierungsgeschäfte. Damit hielt er alle Fäden der Macht in seinen Händen, und gewissermaßen eine kostbare Geisel dazu. Als wahrer Vernunftmensch hielt Eje das gegebene Versprechen zu Ehren seiner Schwester. So sorgte er im Namen des jungen Königs dafür, dass dieser Unglück bringende Aton-Kult ein Ende nahm. Dies kam aber keinesfalls einem Bildersturm gleich, sondern war eher ein Prozess der Ausschleichung. Tutanchaton nahm den Namen Tutanchamun an. Die Hauptstadt Achetaton wurde geräumt und die Regierung verlagerte ihren Sitz wieder zurück nach Theben, der der Rang des Regierungssitzes zugesprochen wurde. Der junge König bestieg den Thron und proklamierte die Rückkehr zu den alten Göttern. Sämtliche Priester kehrten daraufhin in ihre Tempel zurück und wurden in ihrem Amt bestätigt. Vergrabene Goldgötzen kamen wieder aus ihren Verstecken zurück ans Licht der Sonne.

      Die Bevölkerung atmete auf. Es musste den Eindruck erweckt haben, als sei eine schwere Last, oder ein Fluch von ihren Schultern genommen worden. Es folgten Zeiten der Stabilität und des Wohlstandes. Der junge König bekam Anchesenamun, seine Halbschwester, zur Frau. Aus dem Kindkönig wurde langsam aber sicher ein junger, immer selbstbewusster werdender Mann. Ein Mann der die Zeit für gekommen hielt, selbst zu regieren, und der jeden Tag einen Thronfolger zeugen könnte. Ejes Rat fand nicht mehr so viel Gehör wie zuvor, was den alten Mann sehr verbittern musste. Es kam zwischen König und Berater immer öfter zu Spannungen. Gewiss ist jedoch, dass der junge Pharao seinen Großonkel, früher oder später, in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken beabsichtigte. Der Ton wurde eisiger, die Situation spitzte sich zu und drohte zu eskalieren.

      Die königlichen Speichellecker steckten die Köpfe zusammen und tuschelten. Tagtäglich wurden die Quoten der Wetteinsätze geändert. Immer öfter sah man Eje und Haremhab bei konspirativen Gesprächen. Sie könnten so verlaufen sein...

      Eje: »Wir sollten uns von diesem Hosenscheißer nicht die Früchte unserer Arbeit zerstören lassen. Haremhab, wir sollten dringend etwas unternehmen!«

      Haremhab: »In der Tat, er wird langsam frech. Und was gedenkst du, sollten wir tun?«

      Eje: »Denk dir etwas aus, aber lass es wie einen Unfall aussehen...«

      Dieser Plan konnte offenbar leicht in die Tat umgesetzt werden, denn der junge Pharao besaß eine große Leidenschaft für die Jagd mit dem Streitwagen. Und so überraschte es nicht, als seine Bediensteten ihn mit einem zerschmetterten Bein in das königliche Gemach trugen. Dieser Jagdunfall machte seiner vielversprechenden Karriere einen abrupten Strich durch die Rechnung. Die Stimmung war bedrückt, als Tutanchamun im zarten Alter von achtzehn Jahren, ohne einen Nachkommen gezeugt zu haben, das Zeitliche segnete. Damit war die eigentliche 18. Dynastie erloschen.

      Nach Tutanchamuns Tod stand nicht einmal die Frage offen, wer als Nächster die Doppelkrone des Königreichs tragen sollte. Zur Beisetzung des jungen Pharaos war es Eje, der Pate vom Nil, der die Mundöffnungszeremonie an ihm vornahm. Dieser Ritus wird im Regelfall stets vom Nachfolger betrieben und dient dem Zweck, dass der verstorbene Pharao im Jenseits essen und trinken kann. Da die mächtigen Priester offensichtlich mit Eje sympathisierten (eine Hand wäscht die andere), stand dessen Thronbesteigung nichts mehr im Wege. Geld verdirbt eben den Charakter und Macht korrumpiert. Um den Anstrich eines Königs zu wahren, nahm Eje seine Enkeltochter/Großnichte Anchesenamun zur Frau, die Große Königliche Gemahlin Tutenchamuns, die nun zu dessen Witwe geworden war. So bizarr das alles wirken mag, gab es jedoch einige außenpolitische Argumente, die diesen Schritt rechtfertigen. Nach Echnatons Herrschaft schien im Allgemeinen niemand sonderliche Lust auf weitere Experimente zu verspüren. Eje hatte über all die Jahre bewiesen, welches Herrscherpotenzial er beherbergte. Zudem durfte es kein Machtvakuum geben, da das wohlhabende Ägypten schon von jeher Begehrlichkeiten bei den Nachbarvölkern weckte. Zudem gab es zuvor bereits Krieg in Nubien, Syrien und Palästina. Immer wieder drangen die Feinde aus dem Norden ins Land, konnten dank Haremhabs Kriegskunst jedoch wieder zurückgedrängt werden. Ein verwaister Thron und Regierungsstreitigkeiten, hätten für Ägyptens Feinde wie eine Einladung gewirkt, sich ein großes Stück vom Kuchen abzuschneiden. Also, warum sollte man nicht auf das Altbewährte zurückgreifen?

      Jeder der die Geschichte der letzten Angehörigen der 18. Dynastie verfolgt, fühlt sich an ein wahres Shakespeare-Drama erinnert. Eje weist starke Parallelen zu Richard III. auf.

      Um auf Englands Thron zu gelangen, ließ Richard of Gloucester seine Neffen Edward V. und Richard of Shrewsbury, zuerst zu Bastarden erklären, um sie anschließend in den Londoner Tower zu sperren, woraufhin diese dann sang- und klanglos vom Angesicht der Erde verschwanden, während es sich Richard auf dem Thron so richtig schön gemütlich machte. Er beabsichtigte sogar, nach dem Tod seiner ersten Frau Anne, seine eigene Nichte Elizabeth zu heiraten, damit sie ihm einen legitimen Erben aus dem Hause York gebar.

      So gesehen, waren die alten Ägypter wieder einmal ihrer Zeit weit voraus. Denn zu deren Zeiten lebten die Engländer wahrscheinlich noch in bescheidenen, primitiven Hütten und waren noch nicht einmal eine Kolonie Roms.

      Die Zeit meinte es gut mit Haremhab, denn Eje war schon ein betagter Mann, als er die Doppelkrone Ober- und Unterägyptens erwarb. Pharao Eje starb im vierten Regierungsjahres.

      Und jedermann musste bewusst werden, dass dieser Dynastie langsam