Elke Bulenda

Vampire essen keine Pasta


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Waren wir schon drüben in Malkatta?«

      »Yumm, yumm!«, nickte Ammit und wedelte.

      »Nun gut, dann ist ja alles bestens... Ach du heilige Schakalscheiße! Wie sieht denn meine Waage aus!«, entwich es Anubis. In der Tat sah das Präzisionswerkzeug ziemlich ramponiert aus. Auch die Feder der Maat war zerknickt und beschmutzt. »Verdammt! Ich muss doch gleich nach Memphis! Jetzt kann ich wieder zurück latschen und sehen, wie ich den Schaden behoben bekomme!«

      Der Jüngling gab ein Schnalzen von sich. »Das ist eine echte Schande! Darf ich dir auf die Beine helfen, großer Anubis?«

      Der Schakalköpfige nahm die Hilfe an. »Danke, mein Sohn... Äh, bist du nicht der Dschinn von Tutanchamun?«

      Ihm kam dieser Bursche sehr bekannt vor.

      »Was machst du hier draußen?«

      Der Jüngling zeigte seinen Kupfermeißel und den Klöppel, der wie ein steinerner Pümpel aussah. »Ich bin Farouk Neke el Abdul, und ich war der Dschinn des jungen Tutanchamun - möge sein Ruhm ewig glänzen - bis zu dem Tag, als er von diesem infernalen Duo namens Eje und Haremhab ermordet wurde. Jetzt muss ich wieder Steine klopfen und ausgerechnet die Namen ausradieren, die es wert wären, in die Geschichte einzugehen. Aber ich will mich nicht beklagen, es hätte schlimmer kommen können.«

      »Ja, an den jungen Tutanchamun Osiris erinnere ich mich sehr gut. Er wäre ein wahrhaft göttlicher König geworden«, sprach Anubis. »Sein Herz war so leicht wie das eines Kindes. Gewissermaßen war er das ja auch noch. Aber sag Dschinn, deine Anschuldigungen wiegen schwer. Woher willst du wissen, dass Tutanchamun ermordet wurde. Meines Erachtens starb er bei einem Jagdunfall. Warst du dabei?«

      »Nein, ich war nicht dabei, denn Eje entsandte mich an die Grenze im Norden, weil dort die Chatti (Hethiter) einfielen. Doch zuvor warnte ich Tutanchamun, er solle nicht zur Jagd gehen, weil er sich mit seinem Großonkel überworfen hatte.«

      Für den Dschinn kam es zuerst einer Strafarbeit gleich, als Babysitter fungieren zu müssen. Aber im Laufe der Jahre, war ihm der junge Pharao sehr ans Herz gewachsen. Für ein so altes Wesen wie den Dschinn, erschien es, als wäre es erst gestern gewesen, als er in Achetaton vor einer Stele stand und von Echnatons oberstem Bildhauer, Bak, der sich dabei mächtig die Haare seiner Perücke raufte, einen heftigen Anschiss kassierte.

      »Was hast du da nur getan? Ich werde dich dafür mit der Silberpeitsche bestrafen lassen, du bösartiger Dschinn! Was hast du dir nur dabei gedacht?«

      Farouk zuckte mit den Schultern. »Was soll daran falsch sein?Du sagtest mir, ich solle die Gravur so ausführen«, grinste er frech.

      In dem herrschenden Tumult bemerkte niemand der Anwesenden die Sänfte, die rasch näher kam. Erst als Leibwächter in Leopardenfell gekleidet riefen, alles solle sich zu Boden werfen, wurde allen klar, dass der Pharao zur Besichtigung vorbeikam. Eine große Gestalt warf ihren Schatten auf die am Boden Liegenden. Echnaton, ganz wie der Papa, war ein sehr hochgewachsener Mann.

      Alle hielten den Atem an, als der Pharao an die Stele trat. Seine sonst so schweren Lider hoben sich und er zog nachdenklich die Augenbrauen in die Stirn. »Bak? Erhebe dich«, sprach er mit sanfter Stimme.

      »Ja, Göttlicher?«, entgegnete der Oberste Bildhauer ängstlich.

      »Bak? Was ist das?«, fragte Echnaton und zeigte auf die Gravur.

      »Göttlicher, dies ist das Werk von diesem Dschinn!«, wälzte Bak die Verantwortung von sich.

      »Du, Dschinn, erhebe dich«, forderte Echnaton.

      Der Dschinn kam dem Befehl nach.

      Echnaton sah ihn an. »Ich kenne dich, du zeigtest mir, als ich noch ein kleiner Junge war, wie man im Tempel der Bastet Katzen fängt und ihnen eine Fackel an den Schwanz bindet, richtig? Du bist doch Farouk, oder?«

      »Ja, ich bin Farouk Neke el Abdul, der Erfinder des Talatat«, grinste der Dschinn. »Und ja, das mit den Katzen stimmt.«

      »Moment mal. Men, der Oberste Baumeister sagte, er habe den Talatat erfunden«, stellte der Pharao fest.

      »Das behauptet er vielleicht. Wahrscheinlich will er nicht zugeben, dass so ein niederes Wesen wie ein Dschinn, diese Bausteine erfunden hat.«

      »Hm, mag sein«, sinnierte Echnaton. »Könntest du mir trotzdem mal erklären, wieso ich auf dieser Stele abgebildet bin, indem ich mit dem nackten Hintern auf der Sonnenscheibe des Aton sitze?«

      »Bak sagte, deine Backen sollten von Atons Strahlen gestreichelt werden«, bemerkte Farouk neunmalklug.

      Echnaton sah den vorwitzigen Dschinn streng an und brach plötzlich in schallendes Gelächter aus. »Ah, jetzt verstehe ich. Dschinns müssen das ausführen, was man ihnen befiehlt!«

      »Ja, Herr. Ich diene den Pharaonen schon sehr lange. Und da Bak sagte, Aton solle Eure Backen streicheln, tat ich das, was er von mir verlangte«, lächelte der Dschinn wie eine Sphinx.

      Echnaton drehte sich zu Bak. »Das nächste Mal, solltest du dich ein wenig präziser ausdrücken. Bring das in Ordnung. Und sorge dafür, dass meine Familienmitglieder nicht wie Affen aussehen«, lächelte er noch immer belustigt.

      »Ja, Göttlicher!«, schleimte Bak unterwürfig.

      Echnaton winkte Bak davon, legte dem wesentlich kleineren Dschinn die Hand auf die Schulter und zog ihn mit sich. »Ich denke, Bak wird dich eine Weile nicht mehr sehen wollen. Mein Vater war nicht von den rennenden Katzenfackeln begeistert, doch mir gefiel das. Da fällt mir ein, ich hätte eine schöne Aufgabe für dich. Du wirst auf meinen Sohn aufpassen, als wäre er dein eigener Augapfel. Brrr! Bitte, stecke ihn wieder in die Augenhöhle, ich habe einen empfindlichen Magen!«

      Und so kam es, dass Farouk der Begleiter des jungen Tutanchamun wurde. Er tröstete das kleine Kind, als dessen Vater starb, wachte am Bett des Jungen, wenn er Fieber hatte; brachte ihm das Fahren und Jagen bei. Kein Wunder, wenn ihn der Tod des jungen Pharao tief traf. Obwohl er sich nie etwas anmerken ließ, hegte er gegen Eje und Haremhab einen tiefen Groll.

      »Na gut«, meinte Anubis, »ich will dich nicht länger aufhalten und mir bleibt ebenfalls die Arbeit liegen. Jetzt, wo ihr einen neuen Pharao habt, geht bald wieder das Bauen los, wie?«

      »Gewiss, es hört nie auf«, nickte der Dschinn.

      »Tja, dann ist Malkatta also erledigt... Also hat Haremhab bekommen, was er verdiente. Tja, vielen Dank für deine Hilfe und so...«, sagte der Totengott, sah noch einmal verwirrt in Richtung Ost-Thebens und wankte hinkend mit Ammit davon.

      »War mir ein Vergnügen«, grinste der Dschinn, mit sich und der Welt zufrieden. Als Anubis aus seinen Augen verschwand, murmelte er zufrieden: »Ja, er wird bekommen, was er verdient, da bin ich mir sicher. Das tat ich nur für dich, kleiner Tut. Möge dein Name unsterblich bleiben!«

      *

      Man kann einen Garten nicht düngen, indem man durch den Zaun furzt.

      (Marcel Reich-Ranicki)

       Das Erste, woran ich mich bewusst erinnern konnte, war, dass jemand leise die Vorhänge öffnete, um frische Luft und die bunten Farben des Sonnenuntergangs hereinzulassen. Eigentlich bekam ich nicht allzu viel vom Sonnenuntergang mit, weil ich unter kühlenden Seidenlaken, in einem ziemlich altmodischen Himmelbett lag, dessen Vorhangstoff kaum das Tageslicht durchließ. Wie nicht anders zu erwarten, war ich splitterfasernackt. Und unter meinem nackten Hintern fühlte sich das Seidenlaken irgendwie an, als läge ich auf einem toten Fisch. Gut, dass mir nicht schwindelte, sonst wäre ich sicherlich in der nächsten Kurve aus dem Bett geschlittert. Hm, wieso gehen eigentlich ständig meine Klamotten flöten? Egal, seltsamerweise fühlte ich mich richtig gut. Ich sage »bewusst erinnern«, weil zuvor ein ziemliches Chaos in meinem Kopf herrschte. Soweit ich mich entsinnen konnte, sollte ich eigentlich in einem Kryonik-Tank liegen, eingefroren wie ein Tiefkühlprodukt - fehlte nur noch der Bofrost-Mann. Vorsichtig bewegte ich meine Zehen. Kein Gefühl der Kälte, keine Taubheit - gut.