Matthias Hell

Local Heroes - Zukunftsfähiger Einzelhandel durch Online-/Offline-Integration


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damit für den innerstädtischen Fachhandel dar. Sein Geschäftsmodell ist per Definition kostenintensiver als das der Discounter und Marktbetreiber. Für den Fachhandel stellt es daher weder eine mögliche Handlungsoption dar, sich an die Kostenstruktur dieser Mitbewerber anzupassen, noch in den von ihnen angezettelten Preiskampf einzusteigen. Stattdessen muss der Fachhandel nach Wegen suchen, einen erhöhten Kundennutzen zu erbringen, um so die fortgesetzte Relevanz seines Handelsmodells zu begründen.

      Wachstumsmotor E-Commerce

      Neben den Discountern und Fachmarktbetreibern gibt es noch ein weiteres Handelssegment, das sich seit Jahren kontinuierlich im Aufwind befindet: die E-Commerce-Branche. So haben sich die Online-Umsätze in Deutschland seit 2003 fast verzehnfacht:

      Umsatzentwicklung im Online-Handel (in Mrd. Euro)

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      Quelle: bvh

      Nach starken Steigerungen zu Anfang der 2000er-Jahre Jahre flachte die E-Commerce-Wachstumskurve zwischenzeitlich leicht ab. Doch seit 2008 läuft der Online-Wachstumsmotor wieder und es werden beträchtliche Wachstumsraten erzielt: Auf 13 Prozent in 2011 folgten im vergangenen Jahr 27 Prozent und für das laufende Jahr erwartet der Versandhandelsverband bvh ein weiteres Wachstum von rund 21 Prozent.

      Verglichen mit dem im deutschen Einzelhandel 2012 erwirtschafteten Gesamtvolumen von rund 428 Milliarden Euro nimmt sich der E-Commerce-Umsatz von 27,6 Milliarden Euro noch recht bescheiden aus. Doch muss die große Dynamik im Online-Bereich berücksichtigt werden. Zudem gilt es zu vergegenwärtigen, dass für die heutigen Online-Umsätze noch eine recht überschaubare Anzahl an Handelssegmenten verantwortlich ist. Andere Bereiche, in denen es um den Handel mit sperrigen, hochpreisigen oder verderblichen Gütern geht, stehen dagegen erst am Anfang der E-Commerce-Entwicklung.

      Die Konzentration des derzeitigen Online-Handels auf eine Handvoll Warengruppen bedeutet allerdings auch, dass der E-Commerce-Anteil in einigen Branchen schon deutlich höher ist, als es die Relation zum Einzelhandels-Gesamtumsatz vermuten lässt:

      Online-Anteil ausgesuchter Warengruppen

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      Quelle: Schätzung des eWeb-Research-Centers der Hochschule Niederrhein

      Online-Umsatzanteile von teilweise 20 Prozent und mehr sind für die bestehende Handelslandschaft in den betreffenden Branchen mit tiefgreifenden Auswirkungen verbunden. Am deutlichsten zu sehen ist das im Buchbereich, in dem der E-Commerce-Pionier Amazon bereits seit Mitte der 90er-Jahre die Veränderung der Marktstrukturen vorantreibt.

      Nicht nur kleine Buchhandlungen müssen heute um ihr Überleben kämpfen, auch die großen Buchketten Thalia, Weltbild und Hugendubel stehen massiv unter Druck. In der Buchbranche hat sich das Flächenwachstum im stationären Handel bereits seit einigen Jahren umgekehrt und die Buchhandelsketten melden inzwischen im Wochenrhythmus die Schließung unrentabel gewordener Filialen.

      Eine weitere Branche, in der die Auswirkungen des Online-Booms mittlerweile auf der Hand liegen, ist der Handel mit Computer-Hardware und Unterhaltungselektronik. Auf 16 bzw. 20 Prozent beziffert eine Schätzung des eWeb-Research-Centers der Hochschule Niederrhein den E-Commerce-Anteil in den beiden Bereichen. Nachdem die Konkurrenz durch die preisaggressiven Online-Anbieter zunächst ruinöse Folgen für den Elektronik-Fachhandel zu haben schien, fokussiert sich dieser inzwischen mit zunehmendem Erfolg auf seine Kompetenz im Servicegeschäft.

      Nachhaltigere Auswirkungen hat der E-Commerce hingegen für die großen Elektromarkt-Ketten: Während ProMarkt und Vobis heute nur noch ein Schatten ihrer selbst sind, sah sich der Marktführer Media-Saturn zu einer umfangreichen Neuaufstellung gezwungen: Nach jahrelangen realen Umsatzrückgängen gingen Media Markt und Saturn im vergangenen Jahr dazu über, die Preisgestaltung in ihren Märkten am Online-Wettbewerb auszurichten. Zudem gingen im Zuge der neuen Multichannel-Strategie des Handelsriesen nicht nur die Online-Shops Mediamarkt.de und Saturn.de an den Start, sondern es wurden auch für einen dreistelligen Millionenbetrag der Online-Händler Redcoon übernommen.

      Dass es sich bei den Auswirkungen der Online-Entwicklung auf die Buch- und Elektronik-Branche um keine Einzelfälle handelt, zeigt ein Blick auf die Verteilung der E-Commerce-Umsätze. Längst treten nicht mehr nur reine Online-Unternehmen im Netz als Händler auf, sondern der E-Commerce wird immer stärker von Anbietern mitgeprägt, die ihre Wurzeln im traditionellen Handel haben und erst durch die Entwicklung der vergangenen Jahre zum Einstieg in den Online-Handel gelangten:

      Online-Umsätze nach Geschäftsmodell (in Mrd. Euro)

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      Quelle: bvh

      Zwar sind die „Internet Pure Player“ und die – sich immer mehr als Online-Händler verstehenden – traditionellen Katalogversender für rund zwei Drittel der Online-Umsätze verantwortlich. Doch nehmen heute auch stationäre Händler, Hersteller und eBay-Händler (die in vielen Fällen aus dem Stationärhandel stammen) eine wichtige Rolle im E-Commerce ein.

      Es zeigt sich damit, dass der E-Commerce schon heute ein gewichtiger Faktor im Handel ist und einen starken Einfluss auf die Entwicklungsstrategie vieler stationärer Einzelhändler ausübt. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Effekt in den kommenden Jahren noch weiter verstärken wird. Des Weiteren wird aber auch deutlich, dass der E-Commerce für viele stationäre Händler selbst zu einer Strategieoption geworden ist, um die Zukunft ihres Geschäfts zu sichern.

      Veränderte Kundengewohnheiten

      Das Internet hat nicht nur die Handelswelt verändert und mit dem E-Commerce einen neuen Vertriebskanal entstehen lassen. Das Netz hat sich auch tiefgreifend auf unsere Lebenswelt ausgewirkt und schickt sich an, diese weiter grundlegend zu verändern. Noch vor 20 Jahren waren Internet, E-Mail und Handy nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zugänglich. Heute dagegen können wir uns gar nicht mehr vorstellen, bei Information und Kommunikation auf die gewohnten digitalen Kanäle zu verzichten.

      Die durch die Digitalisierung in Gang gesetzte Veränderung unserer Lebensgewohnheiten beschränkt sich allerdings nicht nur auf den privaten und zwischenmenschlichen Bereich. Auch unser Konsumverhalten hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten massiv verändert. Die beiden weltgrößten E-Commerce-Unternehmen Amazon und eBay gingen 1995 in den USA an den Start und sind seit 1998 bzw. 1999 auch auf dem deutschen Markt vertreten. Laut dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) liegt der Anteil der Deutschen, die Waren im Internet kaufen, inzwischen bei mehr als zwei Drittel der Bevölkerung. Doch auch wer nicht oder nur selten online einkauft, benutzt das Netz zur Kaufvorbereitung. Nirgendwo sonst lassen sich so einfach Produktinformationen abrufen, Kundenmeinungen lesen und Preise vergleichen.

      Das Netz besitzt somit schon heute für die Konsumgewohnheiten der Deutschen eine große Bedeutung. Um herauszufinden, welche Anforderungen die Kunden in den kommenden Jahren an den Handel insgesamt sowie an den E-Commerce im Speziellen stellen, hat eBay im vergangenen Jahr das Projekt „Die Zukunft des Handels“ gestartet. Dazu zählt auch eine repräsentative Online-Befragung von mehr als 1.000 Konsumenten, die das Marktforschungsinstitut Innofact durchgeführt hat. Anschaulich zeigt sich dabei, wie das Internet in den nächsten zehn Jahren zum Haupteinkaufskanal der Deutschen werden dürfte:

      Welche Einkaufskanäle werden genutzt?

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      Quelle: eBay-Studie „Zukunft des Handels, 2012

      Während bei der von den Befragten individuell zu beziffernden Schwerpunktverteilung der genutzten Einkaufskanäle der Stationärhandel heute noch klar vorne liegt, erwarten die Studienteilnehmer in zehn Jahren eine Umkehrung dieses Verhältnisses. 2022 wäre dann Online der bevorzugte Einkaufskanal, während dem stationären Handel eine ergänzende Rolle zukäme. Eine deutliche Steigerung erwarten sich