Christa Mollay

Amor ist auf den Hund gekommen


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weil Berta dein Essen so gut schmeckt“, konterte er.

      „Ich verbiete mir deinen Zynismus!

      Du und Brunhilde!

      Nur auf das eigene Vergnügen aus. Von mir hast du das nicht geerbt!

      Keiner kann ahnen, wie viele Opfer von einer Mutter abverlangt werden“, ging es larmoyant weiter.

      Und aus dem Fundus der Entsagungstruhe kamen die wohlbekannten Geschichten.

      Das Rotkraut auf Walters Teller musste wiederum aus der Trickkiste eines Magiers stammen.

      Er wurde immer mehr.

      Apropos Opfer.

      Davon konnte er etliche Lieder, nein Arien singen.

      Zum Beispiel den Fraß runter zu würgen war ein Opfer!

      Das allergrößte Opfer aber war, als ihm seine Mutter Berta aufs Auge drückte und ihn damit in eine Ehehölle hinein manövrierte.

      Berta entlockte Margarethe noch einige Geschichten über die verunglückte Brunhilde.

      Margarethe war in ihrem Element.

      Walter reichte es.

      Er stand auf, kippte den Rest des Rotkohls in die kleine Biotonne und verschwand in sein Zimmer.

      Es dauerte nur Sekunden und Margarethe riss die Türe auf.

      „Es ist heiß! Du musst die Türe und die Fenster offenlassen, damit es durchzieht!“

      Walter setzte sich brav an seinen alten Schreibtisch und wollte die Immobilienannoncen einiger Tageszeitungen durchblättern.

      Seine Mutter hatte keinen Internetanschluss. Sie brauchte dieses unnütze, neumodische Zeug nicht! War auch egal, denn auch seinen Laptop hatte sich Berta gekrallt. Aber für die rasche Freiheit war ihm bei der Scheidung alles recht gewesen.

      In der Küche schluckte Berta einige Pülverchen. Die brauchte sie zur Nervenberuhigung, seit der Trennung von Walter.

      „Mein armes, armes Kind!“, bedauerte sie Margarethe.

      Berta seufzte: „Du und ich haben es beide nicht leicht! Es wird noch dauern, bis wir beide das verkraftet haben“, jammerte Berta laut genug, damit Walter es auch hören konnte.

      „Ich habe noch immer diesen fürchterlichen Anblick vor mir!“, flüsterte Berta und schlug die Hände vors Gesicht.

      In Erinnerung an die entsetzlich ungustiöse Geschichte schluckte auch Margarethe sicherheitshalber ihre Herztropfen.

      Walter war sich sicher, dass es nur Placebomedizin war, denn sooft wie seine Mutter die Tropfen einnahm, musste sie schon längst eine Vergiftung haben.

      Oder sie hatte die Konstitution eines sibirischen Elchs.

      „Tante Brunhilde“, seufzte er leise.

      Sie hatte recht gehabt.

      „Bub!“, hatte sie laut ausgerufen, als sie von der bevorstehenden Eheschließung erfuhr.

      „Heirate ja nicht diese übriggebliebene Betschwester!

      Wohlerzogenheit und beste Manieren hin oder her, aber da muss man einen Trennungsstrich ziehen!

      Wenn deine Mutter sie will, dann soll sie die Alte heiraten, heute ist das kein Problem.

      Kümmere dich um das Kind, aber triff nie eine Entscheidung, die dir jemand anderer einreden will.

      Merk dir das, Bub!“

      Brunhilde hatte immer zu ihm gehalten.

      Damals, als er mit dreizehn Jahren am Silvesterabend mit einigen Freunden Kracher warf. Nicht nur im nahe gelegenen Park und am Gehsteig.

      Irgendwann erspähte er das offene Klofenster der bissigen Hausbesorgerin. Er warf zwei Kracher hinein.

      Blöderweise als diese gerade in Begleitung ihrer Lieblingslektüre, in Ruhe eine Sitzung am stillen Örtchen starten wollte.

      Als guten Einstieg für das Neue Jahr gab es eine Anzeige bei der Polizei.

      „Mit dem Bankert werden sie noch eine Freude haben, Frau Professor!“ prophezeite hämisch die Hausmeisterin.

      „Der hat eine kriminelle Energie!“

      Mama Klein war am Boden zerstört.

      Die Schande!

      Die Nachbarn!

      Als Brunhilde davon erfuhr, lachte sie lauthals und riet ihrer Schwester sich nicht ins Hemd zu machen.

      Sie drückte ihm ein ordentliches Taschengeld in die Hand und sagte: „Schieß der alten Hyäne noch eine Ladung ins Häusl, aber lass dich nicht erwischen!“

      So ab sechszehn Jahren wurden die Mädchen immer interessanter für Walter.

      Außer dem Ausrutscher mit den Krachern war Walter bis dato ein ‚Braver’.

      Gymnasiast, der Vater Professor für Deutsch und Geschichte, also beste Familie. Hervorragende Manieren, daher auch von den Eltern diverser Mädchen als Partygast gerne gesehen.

      Den Mädchen wiederum war die Wohlerzogenheit eher egal, ihnen gefiel der fesche, große Blonde mit den blauen Augen.

      Es gab nicht nur eine Interessentin.

      An einem Freitag, einem dreizehnten (!), war er zur Geburtstagsparty der begehrten Manuela eingeladen.

      Seit damals war er etwas abergläubisch.

      Er war in der Blüte seiner Pubertät.

      Er hatte die fesche Manuela im Arm und Iggy Popp auf dem Plattenteller, der „I’m a real wild one and I like the wild fun“ grölte.

      „Weg mit dem Musterknabenimage!“, schwor er sich an diesem Abend.

      Außerdem wollte er die Schöne endlich küssen.

      So ganz traute er sich aber noch nicht.

      Wie gut, dass es Alex als Mitschüler und Freund gab.

      Der hatte zwei Flaschen Bacardi eingeschmuggelt.

      Walter kippte auf die Schnelle einige Bacardi Cola.

      Das Zeug wirkte super.

      Alles war easy, alles war roger in Kambodscha.

      Manuela kicherte erwartungsvoll, als er immer mutiger wurde.

      Vielleicht war es auch an der Zeit einen Schritt weiter zu gehen?

      Iggy Popp und sein Song gaben den zusätzlichen Kick.

      Auf seinen Wunsch ertönte nochmals das Lied vom wirklich Wilden, der den wilden Spaß mochte.

      Bevor es mit Manu zur Sache gehen sollte, gab er noch rasch ein Solo auf der Luftgitarre und er röhrte mit Iggy Popp gemeinsam.

      Irgendwie verlor er dann das Gleichgewicht und er knallte mit dem Hinterkopf auf die Steinfliesen.

      Dann wurde es dunkel.

      Als es wieder hell war, lag er mit verbundenem Kopf und ausgepumptem Magen in einem Krankenhausbett.

      Das Nachspiel war nicht ohne.

      Manuelas Liebe war erloschen.

      Besser gesagt ersoffen.

      Im Aufwaschkübel, gemeinsam mit den Bacardi Colas und dem Cheeseburger, die er vor seinem Aufprall noch von sich gegeben hatte.

      Vielleicht hätte er damals doch nicht im Bad mit dem After Shave von Manuelas Vater, zwecks besseren Mundgeruchs, gurgeln sollen.

      Das hatte ihm anscheinend die Eingeweide rausgefetzt.

      Alex hatte er natürlich nicht verraten, er nahm den Alkoholschmuggel auf seine Kappe, was bei seinem entsetzlichen Brummschädel auch schon egal war.

      Es folgte ein lebenslanges