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Helle und dunkle Tage


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sicher wieder zurückbringen. Wir ließen uns überreden, und als die Sonne etwas höher stand, schwammen wir von der Landungsbrücke aus los und sagten nur Günters Freund Willi etwas von unserm Vorhaben. Wir hatten bald mit den Wellen zu kämpfen, kamen dem Schiff aber immer näher und erreichten schließlich das Fallreep, das zum Glück schon ausgelegt war. Uber uns stieg die eiserne Wand des Kriegsschiffes hoch, zu sehen war kein Mensch, und wir waren schon sehr angestrengt. Als uns schließlich ein Wachhabender entdeckte, sagte er uns, dass noch kein Boot zur Küste bereitstünde. Wir mussten also wieder zurückschwimmen.

      Wir wählten dazu die etwas näher liegende Küste, die wir mit schweren Beinen schließlich auch erreichten. Ich hatte mich total verausgabt; Hans und Günter mussten mich stützen bei dem Weg, der noch bis zum Strand vor uns lag. Erst mit einem Rumtee in der „Strandterrasse“ bekam ich langsam wieder Boden unter die Füße. Die folgenden Tage verbrachte ich dann lieber mit Mutti und Renate. Wir konnten am nächsten Tag auch das Schiff besichtigen, und Mutti bekam sogar noch eine Sonderführung von einem Bordoffizier. An Land gab es sportliche Wettkämpfe mit der Marine und abends Tanz – aber daran konnte ich erst im nächsten Jahr teilnehmen.

      1936 war ein glückliches Jahr für Deutschland, das die olympischen Spiele veranstaltete. Dabei wollte sich der Nationalsozialismus dem Ausland gegenüber von seiner besten Seite zeigen ,wozu die gute Organisation der Spiele, aber auch die allgemeine Begeisterung gehörte. Politisch wichtig war auch das Fehlen von Arbeitslosigkeit und eine fundierte Währung. Die Gäste aus dem Ausland wurden mit natürlicher Freundlichkeit empfangen und untergebracht und dann war der Einmarsch der Nationen in die Arena ein wahres Fest mit begeisterten Sportlern aus aller Herren Länder. Wir konnten im Kino bei „Fox tönender Wochenschau“ vieles mitverfolgen. Deshalb beschlossen wir auch, unsere Fahrräder mit an die See zu nehmen, um von Dahme aus zur Segelregatta nach Kiel fahren zu können.

      Als wir ankamen, hatten wir noch eine gute Woche Zeit, die wir wie immer mit Burgenbau um unsern Strandkorb, Schwimmen und Faulenzen verbrachten. Dabei fiel uns ein niedliches kleines Mädchen auf, das mit einer großen Bademütze als einziges Kleidungsstück am Wasser spielte. Als es sah, dass wir unsern Sandwall mit Wasser festigten, kam es mit seinem Eimerchen und half uns. Bald waren wir die besten Freunde. Nach einiger Zeit erschien die Mutti der kleinen Karin, um zu sehen, ob sie uns auch nicht störte. Wir erfuhren, dass die Familie aus Kiel kam und mit ihrem Vater, der U-Boot-Kapitän war, und einem Baby von einem halben Jahr genau wie wir hier den Urlaub verbrachten. Es machte mir Freude, mich mit der kleinen Karin zu beschäftigen und so war ich für einige Tage eine Art Babysitter. Nur einmal gab es fast ein Unglück, als ich sie vom Steinwall aus hoch auf der darauf gebauten Abschlussmauer spazieren ließ. Sie ließ auf einmal meine Hand los, drehte sich um und sprang auf mich hinunter. Ich konnte sie gerade noch auffangen und uns beide vom Absturz bewahren; aber die Knie zitterten mir . Ich habe diesen Vorfall lieber niemandem erzählt.

      Die Eltern hatten, als Strandkorbnachbarn, von uns gehört, dass wir einige Tage nach Kiel fahren wollten und boten uns spontan ihre Wohnung an. Als wir einwandten, dass wir mit Günter und seinem Freund Willi vier Personen sein würden, meinten sie, dann könnten ja zwei im Wohnzimmer auf der Coach schlafen. Nun, besser konnten wir es garnicht haben, und so fuhren wir am übernächsten Tag ab.

      Wir kannten das Hinterland mit den großen Einzelhöfen, die meist noch mit roten Steinen und Fachwerk erbaut waren und am First gekreuzte Pferdeköpfe als Schmuck hatten, von kleineren Fahrten mit dem Fahrrad schon. Es war schön, zwischen den Kornfeldern eben einherzufahren, die zum Teil auch schon abgeerntet waren. Nur Oldenburg hielt uns etwas auf, weil wir wegen des alten Kopfsteinpflasters nicht im Sattel bleiben konnten. Dann aber ging die Straße schnurstracks bis Kiel.

      Die Wohnung unserer Freunde lag nicht weit vom Hindenburgkai entfernt, der gleich an der inneren Förde liegt, wo sich der meiste Betrieb abspielt. Hier liegen die vielen kleinen Jollen vor Anker, die, bis über die Toppen geschmückt mit bunten Flaggen, ihre Besitzer zur Olympiade gebracht hatten, aber auch die großen „Windjammer“, wie das Schulschiff „Gorch Fock“ Nun aber ankerten hier große Dreimaster aus dem Ausland: wir sahen gleich am Kai ein Segelschiff aus Polen und Günter fragte den wachhabenden Offizier, ob wir an Bord kommen dürften. Die Besatzung freute sich offenbar über die Abwechslung und zeigte uns alles Wissenswerte von der Kombüse bis zu den Schlafkojen, den Motor und die Takelagen. Als wir uns aber erkundigten, wo die Olympia-Regatta stattfinden sollte, wurde uns gesagt, dass alles weit draußen auf der Außenförde gestartet würde und die Aussichtsschiffe alle ausgebucht seien. Wir mussten uns also mit dem „Flair“ und der Stadt Kiel begnügen.

      Für die Beseitigung des Hungers war gesorgt; denn überall gab es Buden mit Würstchen, Kuchen oder Eis, und obwohl bei Sonne und Seewind fast alle Menschen indianische Bräune zeigten, war die Vielfalt der Rassen und Bekleidungen deutlich zu sehen. Es war gut, dass wir kein Hotel brauchten, sondern unsere Unterkunft hatten, in die wir am Abend dankbar zurückkehrten. Meine „drei Männer“ spielten am Küchentisch Skat, während ich mich um das leibliche Wohl kümmerte und auch einige Karten schrieb. Als sie ihr Spiel beendet hatten, grinsten sie mich vielsagend an: sie hätten beschlossen, dass der Sieger einen Kuss von mir bekäme, ich löste diese Übereinkunft, indem ich den Sieger: Günters Freund, ostentativ auf die Wange küsste.

      Am nächsten Tag nahmen wir die Fähre und setzten nach Laboe über, um uns das Marine-Denkmal, einen 72 Meter hohen Turm in Form eines Schiffsbugs, anzusehen. Es liegt sehr dekorativ am Ausgang der Förde und hat im Innern noch eine große Gedächtnishalle. Es gibt da draußen auch einen Sandstrand, sodass wir uns beim Schwimmen noch erholen konnten. So hatten wir drei schöne Tage in Kiel, wenn wir auch von der Segel-Regatta nichts mitbekommen hatten.

      Eigentlich waren wir wieder froh, in unserm gewohnten Ferienmilieu in Dahme zu sein. Für unsere Kieler Gastgeber war der Urlaub zu Ende, und wir bekamen einen neuen Nachbarn. Es war ein Junggeselle, der sich offenbar für unsere Familie interessierte, denn er versuchte, mit Hans und mir ins Gespräch zu kommen. Er hatte einen besonderen Namen: „Bahne Bahnson“, der uns gefiel. Über eine gewisse Ahnenforschung suchte er denn auch den Kontakt. Wir lagen nebeneinander im Sand und plauderten über Gott und die Welt, bis Mutti mir eines Abends eröffnete, Bahne Bahnson hätte bei ihr um meine Hand angehalten. Ich sagte:“Du hast doch hoffentlich abgelehnt!“, aber Mutti hatte ihm zu verstehen gegeben, dass er sich in erster Linie an mich wenden müsse. Sie vertraute ganz darauf, dass ich die richtige Antwort fände. So sagte ich ihm am Abend, dass ich noch lange nicht an eine Bindung dächte, da ich erst Abitur machen wolle und dann studieren. Er verstand das und zog sich zurück Ich würde meine Freiheit sobald nicht aufgeben!

      Mir genügte der freundschaftliche Umgang mit den gleichaltrigen Jungen, der aber für zwei Tage wieder unterbrochen wurde, und das war die Marine schuld: als wir am Morgen, wie immer, zum Strand kamen, bot sich uns ein ungewohntes Bild; draußen lag ein Schiff vor Anker, wie wir noch keines gesehen hatten: ein großes Kriegsschiff, aber schön und schnittig in der Form, ganz weiß vor dem blauen Himmel und der dunkleren Farbe des Meeres. Günter sagte sofort: „Das ist die Bismarck, das Flaggschiff seiner Art. Da müssen wir unbedingt an Bord!“

      Am Nachmittag fuhren wir mit einer der ersten Barkassen hinaus, auch Mutti und Renate und auch Sietas. Es war das größte Ereignis dieses Sommers. Wir hatten Glück: als wir zu den großen Scheinwerfern am Heck kamen, nahm sich ein netter Maat unser an und machte eine richtige Führung mit uns durch das ganze Schiff. Er selber war für die Scheinwerfer zuständig- aber davon später. Wir bewunderten die militärische Ausrüstung des Schiffes, die Reichweite der Geschütze mit jeweils vier Rohren, die Lenkbarkeit und Panzerung. Dabei waren uns Gedanken an einen Kriegseinsatz völlig fremd. Unser Maat erkundigte sich, ob ich am Abend zum Tanz ins Casino käme, und wir verabredeten uns dort.

      Herr Sietas, unser langjähriger Ferienbekannter, hatte schon einen Tisch bestellt und fühlte sich als Vizepapa. Am Nachmittag erschien dann noch Onkel Hugo, der in Lauenburg eine Zündholzfabrik besaß und uns alle Jahre in Dahme besuchte, mit einer Riesenpackung Pralinen und Rosen für unsere Mutti. Es war ein Bruder von Muttis Schwager Paul in Kassel, aber lustiger, unkonventioneller und kugelrund. Er tanzte gut und gern; weil er aber klein war, konnte ich immer ein bisschen über ihn hinweg blicken. Wir hatten also eine fröhliche Runde, und dann kam auch unser Maat vom Nachmittag und setzte sich gleich