Werner Boesen

Entfremdung und Heimkehr


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Letzten beißen die Hunde!Rolle der ErzieherAuf der Stufe von Neo-PrimitivenHeimkindwärter mit Anwendung Kapo-PrinzipSie machten keine Fehler und wirkten wie PerfektionistenDas JugendamtSachbearbeiter in Sachen Heimkind-AngelegenheitenZusammenarbeit mit Juristen (Paragraphenjongleuren)Die Nonne als HeimleiterinIhre Seelsorge entsprach falschem Gottesverständnis und ließ den Teufel agierenIhre Prügel glich einem TrommelfeuerTeufel mit EngelsgesichtGott und TeufelDas Gute und das Böse im Menschen wirktGott dient dazu das Böse durch das Gute zu bekämpfenDer Teufel wird auch von Gott nicht besiegt trotz dessen Allmacht„Verrückte“ Erwachsenenwelt

      Abbildung 1: Erlebniswelt von Heimkindern in geschlossenen Einrichtungen

      1.3. Etwas verändert?

      Die Frage, ob sich heute etwas verändert hat an und in den geschlossenen Einrichtungen, klingt hoffnungsvoll. Doch wir würden uns etwas vormachen, wenn wir nur diese Hoffnung hätten. Veröffentlichungen zur Ersterscheinung dieses Buches im Jahre 1992 zeigten auf, dass sich so gut wie nichts verändert hatte. Erst im Jahre 2008 kam es auf Druck des Kinderheimverbandes zur politischen Aufarbeitung durch eine Bundestagskommission und die verantwortlichen Kirchenträger schlossen sich an. Unsere einschlägigen Erfahrungen bestätigen, dass die Änderungsbereitschaft verantwortlicher Instanzen minimal ist, zumal es weiterhin an Kinderrechten im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland fehlt. Erst im Jahre 1992, nachdem die Kinderheimzeit über zwanzig Jahre hinter mir lag, gelang es mir, mich mit diesen Erlebnissen an die breite Öffentlichkeit zu wenden. Meinen Geschwistern ist dies noch kaum möglich. Und die Mehrheit schweigt weiterhin, denn die Torturen wirken. Deshalb fordere ich weiterhin

      HOLT DIE KINDER AUS DEN HEIMEN!

      Nicht Berufstätige sind gefragt, sondern Menschen als Vorbilder und das „rund um die Uhr“. Wer glaubt, vielen etwas bieten zu wollen, bietet letztlich niemandem besonders viel. Es ist wichtig, sich auf wesentliches zu konzentrieren. Für die Kindererziehung im Kleinkindalter bedeutet dies, sich nur so viele Kinder zu holen, wie man mit seiner gesamten Privatheit erziehen kann. Staatliche Erzieher/innen können dies aufgrund ihres Berufsverständnisses und der Ausrichtung auf einen zeitlich organisierten 8 Stunden-Tag (ein Drittel eines 24stündigen Tages) an fünf Arbeitstagen pro Woche nicht leisten.

      1.4. Das Leben ist im ständigen Fluss! Suche nach Identität, wer bin ich?

      Nachdem ich vom siebten bis vierzehnten Lebensjahr im Kinderheim war, kam ich anschließend zu Pflegefamilien (insgesamt zwei). Bei den ersten Pflegeeltern waren Günter und ich noch zusammen (ca. ein halbes Jahr), anschließend trennten sich unsere Wege. Bei den zweiten Pflegeeltern wurde mir die schulische Qualifizierung ermöglicht bis zum Abitur. Zu Beginn der zweiten Pflegschaft brach der Kontakt mit meiner leiblichen Mutter. Ich wollte sie nicht mehr sehen, da ich keinerlei Hoffnung hatte, dass sie die Erziehung noch ausüben könnte. Sie kam dann auch nicht mehr. Nachdem ich nach dem Abitur noch erfolgreich studierte, habe ich anschließend das erste Buch geschrieben. Nach Fertigstellung des ersten Buches suchte ich dann wieder den Kontakt mit meiner leiblichen Mutter, um mir und meinen Geschwistern weitere Fragen beantworten zu können. Obwohl meine Geschwister noch nicht bereit waren und zum Teil auch heute noch nicht bereit sind, den Kontakt zu finden, wollte ich es nun doch wissen. Was bewog mich dazu?

      Mir fehlte noch ein Teil meiner wahren Identität. Ich wollte Klarheit, wer nun meine Eltern sind und was sie mir in meinem Verhaltensrepertoire mitgegeben haben. Was war dran an der Aussage einer Pflegemutter: „Du kannst nur von Deinem Vater geerbt haben!“ Die Pflegemutter hatte einige Male meine leibliche Mutter kennengelernt.

      Es gab noch weitere Beweggründe, die mehr oder weniger wichtig sind und die ich hier nicht alle aufzählen möchte. An verschiedenen Stellen dieses Buches werde ich den einen oder anderen Aspekt hervorheben. Letztlich ist es nicht so wichtig, die einzelnen Beweggründe vollständig zu kennen. Es war eine innere Kraft, die mich dazu bewog, meine Eltern zu finden.

      Wie suchte ich meine Eltern?

      Ich suchte zunächst nur meine Mutter, da ich sie noch in Erinnerung hatte. Meinen Vater kannte ich nicht. Ich setzte an dem Ort an, wo meine Mutter und ich zuletzt wohnten und wandte mich an den damaligen Sozialarbeiter. Dieser schrieb mir sogar recht schnell zurück und teilte mit, dass meine Mutter sich am Tag x nach Ort y abgesetzt hat. Ich schrieb Ort y an. Das zuständige Gemeindeamt schrieb, dass sich meine Mutter zwar angemeldet hatte, aber seit einiger Zeit unabgemeldet verzogen ist. Dann erinnerte ich mich an den Hinweis von Doris, dass sich unsere Mutter zuletzt von Ort Z gemeldet hatte. Ich schrieb Ort Z an und hatte Erfolg. Meine Mutter war dort wohnhaft. Ich war froh, dass die Suche doch ein recht schnelles Ende fand.

      Das erste Treffen verabredete ich mit ihr allein. Da sie sehr weit weg wohnte, holte ich mir für eine Nacht ein Hotelzimmer. Sie hat keine eigene Wohnung und lebt in einer Frauenunterkunft einer sozialen Trägerschaft. Die Frauen werden dort von Sozialarbeitern betreut. Insofern suchte auch die betreffende Sozialarbeiterin den Kontakt mit mir. Es klappte auch dann fast alles wie geplant. Was ich nicht planen konnte, war die Auseinandersetzung mit meiner Gefühlswelt. Ich erwartete hier eine gewisse Gefühlskälte und Distanziertheit sowie eine plausible Rechtfertigung für die Tatsache, dass wir im Kinderheim aufwachsen mussten. Doch es kam ganz anders.

      Zunächst fing mich die Sozialarbeiterin am Eingang ab und so ergab sich sicherlich verständlicherweise das Erstgespräch mit ihr. Sie gab mir schnell zu verstehen, dass sie so gut wie nichts über die Kinder weiß und so erzählte ich ihr zunächst einmal kurz unsere Lebensgeschichte. Es ergab sich schnell ein Dialog und ich musste feststellen, dass sie meine Mutter mit entgegengesetzten Eigenschaften beschrieb, wie ich sie in Erinnerung hatte. Zwei wesentliche Aspekte waren aus meinem Kenntnisstand die wechselnden Männerbekanntschaften und die Verwahrlosung der Wohnung. Dies hätte sich die Sozialarbeiterin nicht vorstellen können. Bevor sie in die Frauenunterkunft gekommen sei, hätte sie in eheähnlicher Gemeinschaft mit einem Rentner gewohnt. Als dieser verstarb, wäre meine Mutter psychisch zusammengebrochen und konnte sich nicht mehr helfen. Die erforderlichen Behördengänge unterblieben und so musste eine soziale Einrichtung eingreifen. Meine Mutter wäre sehr verschlossen und sie würde sehr wenig über ihre Familie sprechen. Leider hat sie auch kaum Interessen und weiß wenig Sinnvolles anzufangen. Sie lebt quasi in den Tag hinein.

      Ob nun meine Mutter durch den Tod ihres letzten Partners psychisch zusammenbrach oder doch schon vorher gewisse Eigenschaften vorhanden waren, die die letztlich herbeigeführte Hilfslosigkeit bei ihr verursachten, blieb zunächst der Sozialarbeiterin verschlossen. Dies klärte sich für mich bei den noch folgenden Gesprächen mit meiner Mutter.

      Im ersten Gespräch mit der Sozialarbeiterin bekam ich etliche Weinkrämpfe, weil ich es nicht verstehen konnte, dass meine Mutter als liebe Frau, die keinem etwas zu Leide tut, beschrieben wurde.

      Solch einer Mutter musste man die Kinder wegnehmen. Die Sozialarbeiterin bestätigte mir, dass in der Gegend, in der ich aufwuchs, für gewisse menschliche Bedürfnisse kein Verständnis vorhanden war und dass Alleinerziehende diesbezüglich besonders in Augenschein genommen wurden. Die Kinder waren die Leidtragenden. Heute sei dies nicht mehr so. Wie tröstlich, dachte ich. Dennoch gibt es tausende von Kindern noch in geschlossenen Einrichtungen. Ich deutete an, dass es noch vieles zu erzählen gäbe und ich die gemachten Erfahrungen in einem Buch niedergeschrieben habe. Das Buch würde ich ihr gerne zur Verfügung stellen. Sie nahm das Angebot dankend an. Als meine Mutter dann kam, wechselten wir noch einige Worte mit der Sozialarbeiterin und ich verließ dann mit meiner Mutter die Frauenunterkunft und ging mit ihr spazieren.

      Meine Mutter gab ihre Verschlossenheit recht schnell auf. Jedoch waren bestimmte Themen noch ein Tabu für sie, zum Beispiel wer ist mein Vater. Sie erzählte mir einiges über ihre Familie und so erfuhr ich, dass sie mit acht Geschwistern aufgewachsen ist und die meisten auch noch lebten und so weiter …

      Es folgten noch viele Gespräche. Beim zweiten Gespräch nahm ich Günter mit. Unsere Mutter erzählte wieder viel über ihre Familie und so stellte sich doch recht bald ein klares Bild unserer familiären Herkunft. Jedoch bedurfte es noch einiger