Axel Birkmann

Der tote Hund in der Dachrinne


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      »Ein paar Fragen noch. Waren Sie allein im Fahrzeug?«

      »Ja.«

      »Warum lag der Körper fast unbeschädigt auf der Betonpiste. Die startenden und landenden Flugzeuge hätte ihn doch überfahren müssen?«

      »Zu dieser Zeit nicht. Ab 19 Uhr ist das Landeaufkommen wesentlich größer als das Startaufkommen. Die Businessflieger aus den Großstädten trudeln im Minutenrhythmus ein. Und der Tote lag hinter der Landepunktaufsetzmarke der Reifen. Ein paar Meter weiter vorne und Sie hätten von diesem Mann nichts mehr erkennen können. Die landenden Maschinen hätten ihn regelrecht wie Brotaufstrich auf den Asphalt geschmiert.«

      »Eine sehr bildhafte Erklärung. Aber vielleicht ist das genau die Absicht gewesen. Eine ungewöhnliche Art und Weise eine Leiche unidentifizierbar zu machen und zu beseitigen. Nur haben der oder diejenigen sich verrechnet, den Leichnam zu weit nach hinten gelegt. Absicht oder taktischer Fehler?«

      Die Schiebetür wurde plötzlich aufgerissen und Melanie Schütz stand vor ihnen. Ein freundlicher Soldat hatte ihr einen Parka mit Fellbesatz um die Schulter gelegt. Sie musste nicht mehr so frieren. Melanie zwängte sich in den Wagen und setzte sich neben ihren Kollegen.

      »Es ist verdammt kalt hier draußen, und du sitzt hier im warmen Wagen. Wie aufmerksam von dir.«

      »Ich hatte Sie gefragt, ob wir nicht noch schnell zu Ihnen nach Hause fahren sollen, damit Sie sich umziehen können. Aber „außer Indianer kennen keinen Schmerz“, habe ich keine Antwort bekommen. Wie ich sehe, hat sich Old Shatterhand schon um Sie gekümmert. Er hätte Ihnen nur noch seine warmen Hosen leihen sollen.«

      »Ich liebe es, wenn du dir um mich Sorgen machst, Kreiti. Aber egal. Ich habe etwas entdeckt. Und Zeidler und Schurig sind auch schon da.«

      »Aha. Die Herren der Spurensicherung haben es geschafft hierher zu finden. Hat jemand schon einen Bestattungswagen organisiert? Die Leiche muss in die Pathologie. Nach Freising ins Krankenhaus oder nach München in die Gerichtsmedizin? Das ist hier die Frage.«

      »Wer wird überhaupt für den Fall zuständig sein? Eines ist ja klar, das alles hängt miteinander zusammen: der Einbruch, der tote Hund und jetzt sein Herrchen. Wie es aussieht, ist er in Salzburg oder Wien nie angekommen.«

      »Was haben Sie denn gefunden?«

      »Fußspuren! Und Reifenspuren!«

      »Und wo?«

      »Auf der Wiese, nicht weit vom Tatort entfernt.«

      »Ich komme mit, und Sie, Herr Tischler, Sie warten hier. Rühren Sie sich nicht vom Fleck. Wir sind noch nicht fertig.«

      Ludwig Huber war sichtlich überfordert mit der Thematik, dass jemand in seinem Flughafen eine Leiche abgelegt hatte, womöglich sogar hier vor Ort jemand erschossen worden war. Aufgeregt rannte er umher, sprach mit seinen Beamten, mit dem Grenzschutz und mit den beiden Männern der Spurensicherung, die angefangen hatten die Fundstelle zu untersuchen.

      Bevor Zeidler und Schurig damit begonnen hatten, packten sie aus grauen Metallkoffern seltsame Gestelle aus, die sich später als Stützständer für Halogenstrahler herausstellten. Sie platzierten um den Fundort mehrere dieser Ständer auf, verkabelten alles mit dem Polizei Einsatzwagen und verwandelten die Nacht durch das grelle Licht der Halogenlampen in helllichten Tag. Dann begannen sie mit der Untersuchung der Leiche und dem Boden um den Fundort herum.

      Kreithmeier begrüßte die Beiden mit einem schnellen Servus und folgte dann Melanie Schütz auf die Wiese. Ludwig Huber sah, dass die beiden sich von der Landebahn entfernten und folgte ihnen.

      »Hier sind ein paar Fußspuren und etwas weiter weg ein Reifenprofil.«

      Melanie deutete auf die feuchte Wiese. Kreithmeier bückte sich, kramte eine Taschenlampe aus der Jackentasche und leuchtete damit direkt auf einen der Abdrücke.

      »Schuhgröße 46. Männlich denke ich. Es ist ein Profil wie bei einem Stiefel. Vibram-Sohle. Hier sind noch weitere Abdrücke. Der Boden ist zwar leicht gefroren, aber die Täter haben trotzdem Abdrücke hinterlassen, ganz im Gegensatz bei der Villa der Löbingers.«

      Er leuchtete mit der Taschenlampe die Umgebung ab und hielt den Lichtkegel plötzlich direkt auf ein paar schwarze Springerstiefel gerichtet. Erschrocken fuhr er hoch und blickte in das ziemlich dämlich dreinblickende Gesicht Ludwig Hubers.

      »Was machen Sie denn hier?«

      »Ich bin Ihnen gefolgt.«

      »Und warum, wenn ich fragen darf?«

      »Na, ja, damit Sie vielleicht keine falschen Schlüsse ziehen sollten.«

      »Wieso denn das?«

      »Wegen der Fußabdrücke.«

      Kreithmeier strahlte dem Sicherheitsmann direkt ins Gesicht.

      »Und weiter?«

      »Die Abdrücke könnten von mir stammen.«

      Ludwig Huber hob den rechten Fuß und drehte die Laufsohle nach oben. Schuhgröße 46, Vibram-Sohle und Profil.

      Kreithmeier leuchtete die Sohle an und dann wieder auf den Abdruck.

      »Der Schuhabdruck ist von Ihnen, Herr Huber, hatten Sie nicht am Telefon gesagt, Sie wären noch nicht bei der Leiche gewesen?«

      »Ja, das tut mir leid. Ich war schon hier und habe alles überprüft. Und ich habe mir Sorgen gemacht, wegen dem Flugplatz.«

      »Darauf geschissen, Sie Vollidiot, Sie haben Spuren zerstört und sich wahrscheinlich auch noch überlegt, wo Sie den Toten hin schaffen können. Hauptsache Ihr Flugverkehr wird nicht gestört. Sie hätten sie gerne entsorgt, die Leiche? Das ist ja krank.«

      Ludwig Huber schwieg, es war ihm peinlich, erstens, weil er den Kommissar angelogen hatte und zweitens, weil der seine Gedanken lesen konnte. Natürlich war er hier gewesen und hatte überlegt, ob er den Toten nicht ganz einfach von der Landebahn entfernen lassen und woanders hinlegen sollte. Der Gedanke war da. So hätte der Leichenfund keinen Einfluss auf den Flugverkehr gehabt. Aber zu guter Letzt hatte ihn die eigene Courage verlassen und er war unverrichteter Dinge zum Hauptquartier zurückgekehrt und hatte die Polizeidienststelle in Freising angerufen. Von denen hatte er dann die Mobilfunknummer Kriminalkommissar Kreithmeiers bekommen. Und jetzt waren die beiden Kommissare am Fundort. Es half nichts zu leugnen, sie würden es sonst später herausfinden.

      »Ja, Sie haben Recht. Ich war schon einmal da. Aber die Reifenspuren sind nicht von mir. Und auch von keinem meiner Mitarbeiter. Wir fahren niemals übers Grüne. Ehrenwort.«

      Kreithmeier war sauer auf diesen eingebildeten Pseudokriminalen. Hatte der allen Ernstes daran gedacht, im Sinne des Flughafens zu handeln, wenn er die Leiche ein paar hundert Meter weiter weg transportiert? Er schritt ohne ein weiteres Wort zu sagen zu Melanie Schütz. Huber drehte sich um und verschwand Richtung Landebahn im Dunkeln.

      »Ein Trottel. Der wollte tatsächlich die Leiche verstecken oder über den Müll beseitigen, da wette ich, nur damit niemand gestört wird. Eigenartiger Mensch. Wie kann man nur so dummdreist sein«, sagte Melanie ziemlich erbost.

      »Lass es gut sein, sind wir mal froh, dass der sich nicht bei der Polizei beworben hat. Also zurück zu den Reifenspuren, wo sind sie?«

      »Hier entlang. Immer wieder mal gibt es Abdrücke auf dem Rasen. Das Unkraut ist zusammengefahren. Um diese Jahreszeit richtet es sich nicht mehr so schnell auf. Die Spur führt dort hinten in eine Ecke des Geländes. Dort kann ich irgendein Bauwerk erkennen, relativ flach, sieht aus wie aus Beton.«

      »Sie haben Recht! Herr Huber, was ist das dort?«, fragte Kreithmeier ohne sich umzusehen.

      »Herr Huber? Wo ist denn der hin? Herr Huber!«, rief er diesmal lauter.

      »Ja! Hier!«, klang es aus der Ferne.

      »Kommen Sie bitte noch mal!«

      Wenige Augenblicke später stand Ludwig Huber wieder neben ihnen.

      »Warum