Axel Birkmann

Der tote Hund in der Dachrinne


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für immer geheim halten. Wenn die Presse davon Wind bekommt. Wir stehen schon genug in den Schlagzeilen. Also?«

      »Wir kommen. Fassen Sie nichts an. Riegeln Sie den Fundort ab. Starten jetzt noch Flieger?«

      »Ja, nur ein paar Wenige, die Post- und Paketmaschinen, und ein paar Nachtflüge. Das haben wir schon geregelt. Auf die zweite Start- und Landebahn umgeleitet. Aber morgen früh, wenn die ganzen Businessleute unterwegs sind, um die Welt zu retten, das wird ein Chaos. Die Leiche muss dann weg sein.«

      »Herr, Herr...«

      »Huber, Ludwig Huber!«

      »Herr Huber, das wird sie, das verspreche ich Ihnen. Wo sollen wir uns melden, wir müssen aufs Rollfeld. Das ist Ihnen doch klar?«

      »Ja, ja. Kommen Sie zu direkt zu uns zur SGM. Terminalstrasse Mitte, Nummer 18. Wir geleiten Sie dann zur Fundstelle.«

      »Also noch einmal, riegeln Sie die Stelle ab, bitte nichts anfassen und der, der die Leiche gefunden hat, soll sich für uns bereithalten. Wer hat denn diagnostiziert, dass der Tote erschossen worden ist?«

      »Das habe ich.«

      »Haben Sie schon einmal eine Leiche gesehen?«

      »Nein!«

      »Woher wissen Sie dann, dass er erschossen worden ist?«

      »Na ja, der Tote hat drei rote Löcher in der Brust.«

      »Haben Sie die Leiche gesehen?«

      »Nicht persönlich. Der Marshaller hat es mir gesagt. Drei Schusswunden mitten in die Brust. Dann gehe ich davon aus, dass er erschossen worden ist.«

      »Kann sein, muss aber nicht. Wir sind unterwegs. Nichts anfassen!«

      »Ich werde sofort alles abriegeln lassen. Niemand kommt mehr an die Leiche ran.«

      »Gut. Bis gleich.«

      Kreithmeier klappte sein Handy zu und blickte Melanie an.

      »Und?«, fragte sie, als er nichts weiter sagte.

      »Das Übliche. Spurensicherung und ein paar Männer von der Bereitschaft. Wir müssen uns beeilen, bevor die SGM Männer noch alle Spuren verwischen. Und wenn es ein Mord war, dann werden wir nicht lange auf die Mordkommission aus München warten müssen oder auf Männer vom LKA. Die mischen sich gerne ein. Vor allem bei einem so extravaganten Tatort wie dem Münchner Flughafen. Also volles Rohr werte Kollegin: Zeidler, Schurig. Und Dallinger soll ein paar Kollegen mitbringen. Trinken wir aus. Der Espresso wird sowieso schon kalt sein. Auf geht’s.«

      Der Weg von Freising zum Flughafen war nicht lang. Als Kreithmeier den BMW über die Isarbrücke steuerte, konnten sie schon von weitem den vom Lichtermeer des Flughafens hellrot erleuchteten Himmel erkennen. Je näher sie heranfuhren, umso heller erschien der ansonsten dunkle Nachthimmel. Wie eine riesige Industrielandschaft erschien der Komplex vor ihnen. Tausende von Lampen, Lichterketten und blinkenden Sicherheitsbirnchen. Im Licht der Strahler glänzten die Flugmaschinen wie silberne Zigarren. Das alltägliche emsige Treiben hatte sich beruhigt. Nur wenige Busse und Dienstfahrzeuge fuhren auf dem Vorfeld. Alles war ruhiger, bedächtiger. Die Ruhe vor dem großen Sturm am nächsten Tag. Die Startbahn musste am nächsten Morgen wieder einsatzfähig sein. Es wunderte ihn sowieso, warum sie die Leiche nicht ganz einfach aufgeladen und woanders hingebracht haben. Zuerst kam der Flughafen, dann erst alles andere. Das hatte der Direktor der FMG, der Flughafen München GmbH, der Betreibergesellschaft des Flughafens München schon des Öfteren in seinen Reden oder gegenüber der Presse bekräftigt.

      Für Kreithmeier war der Flughafen ein Monster, das sich langsam wie schwarze Antimaterie weiter ausbreitete und alles auffraß, was sich ihm in den Weg stellte. Zuerst die Eröffnung 1992 von Terminal 1. Zehn Jahre später Terminal 2. Und das über dem Landkreis Freising hängende Damoklesschwert der Dritten Startbahn mit einer weiteren Abfertigungshalle, die 2015 eröffnet werden soll. Millionen von Menschen wurden jedes Jahr durch die flachen futuristischen Gebäude geschleift. Und was hatte Freising davon? Ein paar Übernachtungen mehr von übermüdeten Flugzeugbesatzungen. Nicht mal eine S- oder U-Bahn Anbindung und leider keine zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen, weil das Areal nur halb zu Freising gehörte. Der Rest war Hallbergmoos und Erding. Und ein Toter, den das Monster auf die Landebahn gespuckt hatte. Wie waren da die Zuständigkeiten? Erding, Freising, München oder gleich das Landeskriminalamt? Und dann mischten ja noch Zoll, Bundesgrenzschutz und die SGM mit. Es würde kein einfacher Fall sein. Vielleicht wäre es am Besten, das LKA würde sich allein darum kümmern. Und er könnte mit seiner hübschen Begleitung wieder zurück in die Haydstrasse und dem toten Hund in der Dachrinne ihre Beachtung schenken.

      Ein paar Minuten später parkte Kreithmeier den Dienstwagen vor der SGM, der Sicherheitsgesellschaft am Flughafen München mbH in der Terminalstrasse. Ein aufgeregter übergewichtiger Mann in einer dunkelblauen Uniform rannte auf sie zu und riss die Wagentür auf.

      »Kommissar Kreithmeier?«

      »Ja!«

      »Ludwig Huber. Kommen Sie. Sind Sie allein? Wo ist Ihr Team«, fragte er nervös. Er schwitzte. Sein Gesicht war feucht. Und er atmete schwer.

      Melanie Schütz und Kreithmeier stiegen aus. Gizmo sprang freudig bellend hinterher.

      »Das ist meine Kollegin Melanie Schütz und das ist mein Hund Gizmo. Beide begleiten mich. Die Spurensicherung kommt noch, die brauchen immer länger, bis sie ihren ganzen Krempel zusammen gepackt haben.«

      Als Gizmo den Sicherheitschef entdeckte, stellte er sich breitbeinig vor ihm auf und knurrte ihn an. Huber rückte einen Schritt zurück.

      »Gizmo!«, rief Melanie scharf und sofort war der Hund still und blickte treu auf die Kommissarin. Kreithmeier blickte erstaunt auf seine beiden Partner. Es war unglaublich wie das Tier dieser Frau folgte, dachte er. Der Rüde war sicher schwanzgesteuert. So folgte er ihm selbst niemals.

      Huber hielt gebührenden Abstand zu dem Rüden.

      »Ist das ein Polizeihund?«, fragte er.

      »Gewissermaßen.«

      »Ungewöhnlich. Ich dachte, Sie haben nur deutsche Schäferhunde.«

      »Gizmo ist eine Ausnahme. Und sehr zuverlässig.« Kreithmeier kraulte Gizmo den Nacken, während er sprach.

      »Und wo liegt jetzt der Tote.«

      »Auf dem vorderen Teil des Rollfelds. Wir fahren mit einem Marshaller Fahrzeug dort hin. Beamte des Bundesgrenzschutzes haben mit meinen Leuten zusammen den Fundort gesichert und abgeriegelt. Kommen Sie.«

      Kreithmeier zog seine Jacke aus dem Wagen, schlupfte hinein und klappte den Kragen hoch. Obwohl es bis jetzt noch keine einzige Flocke Schnee gegeben hat, war es kalt, ein eisiger Wind fegte über das ebene Gelände des ehemaligen Erdinger Mooses. Für den Bau des Flughafens hatte man künstlich den Grundwasserspiegel gesenkt. Die Feuchte des Mooses war verschwunden und die regelmäßigen Nebelbänke hatten sich aufgelöst.

      Ludwig Huber schritt voran zu einem schwarzgelb karierten Bus, der normalerweise für das Einwinken der Flugzeuge gedacht war. Er öffnete die Schiebetür und sagte: »Bitte nehmen Sie Platz. Wenn Ihre Leute kommen, wird sie ein Kollege von mir zu uns aufs Flugfeld fahren.«

      Ludwig Huber nahm neben dem Fahrer Platz.

      Kreithmeier, Gizmo und Melanie Schütz setzten sich hinter die beiden in den Bus. Gizmo freute sich, dass er dabei sein durfte, er legte sich ruhig zu den Füssen der beiden Kommissare und wedelte freudig mit seinem Schwanz. Seine beiden Fledermausohren waren aufgestellt, so als ob er jedes Wort mitbekommen wollte, was fortan gesprochen wurde.

      Der Fahrer steuerte den Wagen zu einem Tor in der Flughafenumzäunung. Jemand vom Wachdienst öffnete und schon fuhren sie mit Blaulicht über das riesige Vorfeld an den Maschinen von Air Berlin vorbei, die seit einiger Zeit fast die gesamte Hälfte des Terminal 1 belegten. Nach einer breiten Brücke über die Anfahrtstrasse ging es auf einen der Taxiway bis auf die Startbahn. Aus der Ferne konnte Kreithmeier mehrere Blaulichter erkennen, die in einem Kreis mitten auf der Betonpiste