Axel Birkmann

Der tote Hund in der Dachrinne


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was müsst ihr ja auch noch tun, denn sonst bräuchten wir euch ja gar nicht«, laberte Rainer Zeidler.

      »Hallo?«, feixte Melanie.

      »Ich meinte ja nur.«

      »Da haben wir noch viel zu tun, wenn ihr weiter nichts habt. Hat der Hund vielleicht jemanden gebissen?«

      »Ob ihr es glaubt oder nicht, auch am Hund keine fremden DNA Spuren. Sein Gebiss war sauber, wie geputzt.«

      Melanie rutschte vom Tisch. Dabei zog sich ihr Rock verdammt weit hoch. Rainer starrte auf ihren Schoss. Melanie glättete mit den Händen so gut es ging ihren Rock und warf Rainer einen strengen Blick zu. Wie ein ertappter Lausbub entzog er sich ihrem Blick und schaute betroffen auf den Boden.

      Melanie stellte sich vor die Tafel und schrieb ein paar Stichpunkte auf. Dann drehte sie sich um und fragte Schurig: »Es ist doch komisch, dass ein toter Hund, über den wir anfangs noch gelacht haben, uns ein paar Rätsel aufgibt, die wir nicht so einfach lösen können, als es mir im Moment noch scheint. Nur ein toter Hund? Und was regen wir uns denn auf? Eine unbekannte Waffe. Ein vereitelter oder abgebrochener Einbruch. Zu mehr ist die Freisinger Unterwelt nicht in der Lage«, lachte sie. Und sie lachte immer heftiger und lauter.

      Schurig stand wie versteinert da und sagte nichts. Auch Kreithmeier starrte die Kollegin an. Er wusste nicht, was er sagen wollte. Es war jetzt besser die Unseligen von der Spusi zu verabschieden, sie sollten Melanies hysterischen Anfall nicht mitbekommen.

      »Okay, Jungs, das war schon mal recht ordentlich fürs Erste. Kommt morgen wieder, wenn ihr mehr wisst. Ihr habt Recht, jetzt müssen wir unsere Arbeit machen.«

      Während Melanie weiter lachte und nicht aufhören wollte, geleitete Alois Kreithmeier die beiden Männer sanft aber bestimmt zur Tür. Nachdem er die beiden aus dem Büro geschoben hatte, verschloss er die Tür und setzte sich auf seinen Tisch. Melanies Lachen war ansteckend. Ob sie hysterisch war oder ganz einfach nur mit der Situation überfordert, das wusste er nicht, aber sie wollte einfach nicht aufhören zu lachen. Er sah sie an. Sie war eine hübsche Frau. Ihr Busen hob und senkte sich, ihr ganzer Körper zitterte vor Anstrengung, und sie wischte sich die Tränen aus den Augen. Es war ansteckend. Kreithmeier fing auch an zu lachen. Sie hörten erst damit auf, als jemand von der Bereitschaft seinen Kopf durch die Tür steckte und rief, die Familie Löbinger wäre jetzt da.

      Alois Kreithmeier und Melanie Schütz stellten sofort ihr Lachen ein, holten tief Luft und bedankten sich bei dem Beamten. Sie würden sofort kommen. Einen Moment noch.

       »Frische Luft!«, rief Melanie und riss eines der Fenster auf. Die kalte Novemberluft brachte sie schnell wieder runter. Tief atmeten sie beide durch. Dann verließen sie das Büro, um sich um die Familie zu kümmern. Auf jeden Fall wussten sie jetzt einiges mehr. Ob es der Familie weiter half, zu wissen, wie ihr kleiner Hausfreund ums Leben gekommen war, das könnten sie auch noch später entscheiden. Vorerst wollten sie etwas mehr über die Familie, etwaige Feinde und falsche Freunde wissen. Und wo der Herr Vater geblieben ist, das wäre auch interessant. Ein letzter Blick auf die Wand, dann verließen sie ihr Büro.

      Sara Löbinger

      »Schön dass Sie da sind«, begrüßte Alois Kreithmeier die Familie des Bauunternehmers, »es wird nicht lange dauern, wir möchten Ihnen nur noch ein paar Fragen stellen. Reine Routine. Vorher möchte ich für Sie einmal alles zusammenfassen. Und ich muss Sie darüber informieren, dass wir alles aufzeichnen werden.«

      Er stellte ein digitales Aufnahmegerät auf den Tisch und schaltete es ein, nachdem niemand der Familie sich dagegen empört hatte.

      »Also! Montag, 28. November Sara Löbinger, 41 Jahre alt, ihre Tochter Hannah, 8 Jahre, und ihr Sohn David, 12 Jahre alt. Alle wohnhaft in der Feichtmayrstrasse 1 Ecke Tuchinger Straße im Stadtteil Tuching in Freising. Vernehmende Kriminalkommissare Alois Kreithmeier und Melanie Schütz. Ist das so richtig?«

      »David ist schon 13. Ansonsten ja! Der Rest stimmt.«

      »Gut. Mit Sohn David, 13 Jahre alt. Stopp. Am heutigen Morgen des Montag, des 28. November 2011, hat die Tochter Hannah festgestellt, dass ihr kleiner Rauhaardackel, der auf den Namen Joschi hört, nicht mehr in ihrem Zimmer und auch nicht im gesamten Haus zu finden ist. Richtig?«

      »Richtig!«

      »Warum haben Sie nach dem Hund gesucht? Sie haben heute Vormittag noch ausgesagt, dass der Hund in der Nacht durch eine Art Katzenklappe aus dem Haus kann und das in der Nacht schon öfter gemacht hat. Warum also heute morgen diese Suchaktion?«

      Frau Löbinger überlegte, dann antwortete sie: »Weil Joschi in der Früh immer in Hannahs Zimmer ist, er liegt entweder am Bettende im Bett oder zu ihren Füssen. Das im Bett mag ich nicht so.«

      »Gut, dann hat also Hannah bemerken müssen, dass ihr Hund fehlt. Ist das so Hannah?«

      Kreithmeier beugte sich zu Hannah und sah sie eindringlich an. Melanie Schütz hatte sich verkehrt herum auf einen der Stühle im Zimmer gesetzt und observierte die drei. Sie wirkten alle drei nervös, was aber mit dem Umstand zu tun haben könnte, dass sie in einem Polizeirevier waren. Und so etwas hatten sie ganz sicher noch nie von innen gesehen. Auch das kleine Aufnahmegerät mitten auf dem leeren Tisch störte. Alois stellte die Fragen und Melanie beobachtete.

      »Ja, ich wollte mich an ihn kuscheln, da habe ich bemerkt, dass er nicht da ist«, sagte Hannah und blinzelte den Kommissar verlegen an.

      »Um wie viel Uhr war das?«

      »Um sechs Uhr.«

      »Woher weiß du das so genau?»

      »Weil ich auf meinen Wecker geschaut habe.«

      »Aha! Wann stehst du normalerweise auf. Wann fängt deine Schule an?«

      »Ich gehe in die Paul-Gerhardt-Grundschule. Der Unterricht fängt um 8 Uhr an, ich brauche zu Fuß 45 Minuten, mit dem Fahrrad 15 und mit dem Bus auch 15 Minuten. Bei schlechtem Wetter fahre ich mit dem Bus. Dann gehe ich um 7.15 aus dem Haus. Heute war schlechtes Wetter, also wollte ich den Bus nehmen.«

      »Und wann stehst du dann auf? Wann klingelt der Wecker?«

      »Um 6.30 Uhr.«

      »Und woher weißt du denn welches Wetter ist, und wann triffst du deine Entscheidung?«

      »Einen Tag vorher. Nach der Tagesschau. Heute hatte ich beschlossen den Bus zu nehmen. 7.26 geht der Bus. 10 Minuten später bin ich dann am Krankenhaus. Den Rest laufe ich.« Melanie machte sich Notizen.

      »Aber warum bist du um 6 Uhr schon wach und suchst als Erstes nach deinem Hund?«

      »Na weil ich mich dann noch mal kurz an ihn herankuschele. Er ist so lieb und weich.«

      »Obwohl deine Mutter das nicht erlaubt?«

      »Sie bekommt es normalerweise nicht mit.«

      Frau Löbinger sah ihre Tochter verstört an, fuhr ihr ganz in Gedanken über den Kopf, räusperte sich, als wolle sie etwas sagen, aber blieb ruhig und schwieg. Kommissar Kreithmeier sah sie fragend an. Sie wich seinem Blick aus, nahm die Hand vom Kopf ihrer Tochter und starrte aus dem Fenster.

      »Na gut. Du hast also Joschi nicht in deinem Zimmer entdecken können, was hast du dann gemacht? Hast du bei deinem Bruder im Zimmer nachgeschaut?«

      »Nein! Zu David wäre Joschi niemals gerannt. David mochte ihn nicht, und das fühlte Joschi. Niemals wäre er in sein Zimmer, nein, ich habe in der Küche nachgesehen, wo sein Fressnapf steht.«

      »Und?«

      »Da war er auch nicht. Dann bin ich ins Wohnzimmer. Da habe ich die geöffnete Verandatür entdeckt und dann sofort meine Mutter geholt.«

      »Waren Sie schon wach?«, fragte Kreithmeier Frau Löbinger.

      »Ja, ich war gerade im Bad.«

      »Und dann?«

      »Dann haben wir Joschi im ganzen Haus und im Garten gesucht.«