Axel Birkmann

Der tote Hund in der Dachrinne


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die jeweiligen Tatorte nach Fingerabdrücken, DNA Spuren und allerlei Hinweisen, die dem ermittelnden Kommissar helfen sollten, die Verdächtigen zu überführen.

      Zu der Marotte mit den langen Haaren kam noch hinzu, dass er einen alten VW Käfer fuhr. In Kreithmeiers Augen eine alte Rostlaube, in Zeidlers Augen ein ehrenwerter Oldtimer mit Historie. Mit Rainer über alte Autos zu reden half nichts. Er hatte immer Recht. Zu jeder alten Rostbeule fiel ihm eine originelle Geschichte ein. Und er war sogar Mitglied in einem Oldtimerverein. Kreithmeier fuhr privat einen Golf 2, Baujahr 1992, mit über 180.000 Kilometern auf dem Tacho. Rainer meinte, dass der Wagen jetzt bald ein Youngtimer werden würde, wenn er den Wagen pflegen und hegen würde. Alois war der Wagen ziemlich egal. Das Vehikel musste ihn von A nach B bringen. Und für einen neuen hatte er kein Geld. Seit der Trennung von seiner Frau, war es finanziell nicht mehr ganz so einfach für ihn. Sie hatten zwar keine gemeinsamen Kinder, aber trotzdem musste er einen Teil seines monatlichen Salärs an sie abtreten. Einige Jahre noch. Dann hörte das auch auf. Wenn der Golf nicht mehr durch den TÜV kommen sollte, dann müsste er sich um einen neuen Fahruntersatz kümmern. Doch bis jetzt lief der alte VW noch. Und außerdem hatte er ja noch seinen Dienstwagen, einen Dreier von BMW.

      Zeidlers Kollege Schurig dagegen war ein komischer Kauz. Wesentlich schlimmer. Ein rigoroser Korinthenkacker, Erbsenzähler. Keinen Humor, kein Lachen. Nur immer die Arbeit im Kopf. Mister Mikroskop, wie er gerne mal von den Beamten genannt wurde. Kurzgeschorene Haare, bleiches Gesicht, gerade Zähne, immer frisch rasiert. Stechend blaue Augen. Ehemaliger Chemiker bei Wackerchemie. Dann hierher nach Freising gezogen. Sicher nicht der Liebe wegen. Dallinger hat mal im Kaffeeraum den Spruch losgelassen, dass der Schurig seinen Namen geändert hätte, und zwar von Schaurig zu Schurig. Alle hatten gelacht. Und dass er, bevor er mit einer Frau etwas anfange, zunächst einen Abstrich machen würde und er mit Sicherheit in seinem Schlafzimmer ein Mikroskop stehen hätte. Kreithmeier hatte das nicht so lustig gefunden, doch die Kollegen hatten sich bei diesem Witz fast kaputt gelacht. Sogar Melanie Schütz fand das lustig. Seither hatte der Schurig seinen zweiten Spitznamen weg: Schaurig.

      Melanie Schütz setzte sich auf ihren Bürostuhl, zog ihre Pumps aus, öffnete eine Schublade ihres Schreibtisches und stellte die Schuhe ordentlich dort unter. Aus einer anderen Schublade zauberte sie ein paar Rosa farbene Filzpantoffel hervor und schlupfte hinein.

      »Ach, das tut gut. Jetzt habe ich diese Treter fast über 10 Stunden an. Mit kleinen Pausen. Eine unnatürliche Art des Laufens. Aber die Männerwelt will es so.«

      »Wer schön sein will, muss eben leiden.«

      »Diese dummen Sprüche gab es sogar in unserer Welt vor dem Mauerfall. Nun ja, in einem anderen Dialekt, aber der Sinn war der Gleiche.«

      »Stimmt doch, oder?«

      »Klischees. Nichts als Klischees. Ihr Männer wollt doch, dass wir Frauen immer Top aussehen. Lange rasierte Beine, keine Falten und immer ein Lächeln auf den Lippen. Und ist der Busen zu klein, verdient eine Armada an Schönheitsschnipplern ein Vermögen daran, das zu ändern. Und warum das alles? Nur weil ihr Männer niemals mit dem zufrieden seit, was ihr bekommen habt.«

      »Und ihr Weibsleut wollt auch immer an uns herum schulmeistern. Jede Frau, die ich kennengelernt habe, wollte mich verändern. Man tut das nicht und man tut das nicht und so weiter. Frauen und Männer verstehen sich halt nicht.«

      »Aber sie sollten zueinander finden. Und Männer sind wie junge Pferde, immer auf dem Sprung. Leicht zu erschrecken, vor allem mit zwei Worten.«

      »Mit welchen zwei Worten?«

      »Liebe und Heirat. Kurz ausgesprochen und schon rennen sie wild von der Koppel.«

      »Schmarren.«

      »Ach Kreiti lassen wir das. Das ist eine neverending Story. Und wir beide werden das nicht ändern. Kaffee?«

      »Ja, bitte, mit Milch. Ein Schuss Milch nur.«

      »Als ob ich das nicht wüsste. Wie lange kennen wir uns? Holst du mal bitte das White Board.«

      »Das was?«

      »Die weiße Tafel auf Rollen.«

      »Ich ahnte es.«

      »Was?«

      »Das Sie wieder alles auf diese weiße Tafel kleben.«

      »Und warum nicht. Dafür haben wir doch dieses Ding.«

      »Immer dieses neumodische Zeugs.«

      Melanie Schütz schüttelte den Kopf: »Ich hole uns erstmals Kaffee. Einen Schuss Milch für dich. Wie immer halt.«

      Sie verschwand aus dem Büro und Alois hörte sie in der Teeküche klappern. Er setzte sich in seinen Sessel und lehnte sich zurück. Dabei kam ihm eine Idee. Er schnappte sich den Hörer, klappte sein Notizbuch auf und wählte eine Nummer.

      »Ja, guten Tag, hier ist noch mal Hauptkommissar Kreithmeier, Frau Löbinger. Haben Sie in der Zwischenzeit Ihren Mann erreichen können? Nein, sagen Sie. Er hat doch sicher ein Handy. Keinen Empfang. Aha. Nein, sonst habe ich nichts weiter auf dem Herzen. Wann können Sie mit Ihren beiden Kindern bei uns sein? Ja um 16 Uhr, das passt. Gut, dann bis später.« Er legte auf.

      Melanie kam zurück ins Zimmer und stellte ihm einen Becher dampfenden Kaffee vor die Nase.

      »Danke«, und nippte vorsichtig an der heißen Tasse, »Die Familie Löbinger kommt um vier Uhr. Ist doch Okay.«

      »Passt schon. Wir sollten vorher noch mit den beiden Freaks von der Spurensicherung gesprochen haben. Ich möchte wissen, an was der Hund gestorben ist und welche Fingerabdrücke sie im Haus gefunden haben.«

      »Und wo ist die Tafel?«

      »Hallo? Das war dein Job!«

      Melanie verließ ein zweites Mal das Büro und kam nach ein paar Sekunden wieder zurück, eine schwere Magnetoplantafel vor sich her schiebend. Sie stellte sie provozierend vor Kreithmeiers Schreibtisch und lehnte sich lasziv daran.

      »Und jetzt?«, fragte Kreithmeier gelangweilt.

      »Jetzt machen wir unsere Arbeit«, sagte sie und trank einen Schluck Kaffee. Der Schaum machte ihr auf der Oberlippe ein kleines Bärtchen. Ganz langsam leckte sie den Schaum mit der Zunge ab. Dabei blickte sie ihrem Kollegen tief in die Augen. Sie liebte es ihn zu verwirren. Seit sie zusammen arbeiteten, duzte sie ihn, das hatte er sich nicht ein einziges Mal getraut. Er hasste es, wenn sie ihn Kreiti nannte und noch mehr, wenn sie ihn anbaggerte.

      Alois Kreithmeier war in ihren Augen nicht unbedingt unattraktiv. Doch er machte sich bewusst oder unbewusst hässlicher als er tatsächlich war. Diese schrecklichen Anzüge aus dem Supermarkt. Kunstlederschuhe mit Plastiksohle ohne Fußbett. Darin konnte man nur schlurfen und nicht aufrecht gehen. Wie ein Mann! Und dann seine Frisur. Wer schnitt ihm die Haare? Sicher kein fachkundiger Frisör. Seine Mutter? Seit seine Frau ihn verlassen hatte, war er immer mehr verwahrlost. Auch zu Zeiten seiner Frau wirkte er immer älter als er tatsächlich war.

      Und er hatte Übergewicht. Trotz kräftiger Arme und Beine hatte er einen Bauch. Einen Bierbauch. Oder Schweinsbratenbauch oder Knödelfriedhof, wie die Bayern sagten. Egal. Hier half nur Sport. Ausdauersport. Die paar Minuten mit Gizmo täglich in den Isarauen konnten da nicht helfen. Sie hatte ihm schon öfter angeboten, ihn mal beim Joggen mitzunehmen, doch Kreiti fand immer wieder eine Ausrede, um nicht mitzugehen. Obwohl, seit er den Hund hatte, er nicht mehr ganz so introvertiert war, wie kurz nach der Trennung von seiner Frau. Sie schaute ihn provozierend an und leckte sich ein weiteres Mal ihre Lippen ab.

      Kreithmeier achtete nicht darauf, er kramte in seinen Unterlagen auf dem Schreibtisch, schnappte sich ein paar Papiere und Bilder, stand auf und befestigte sie mit Hilfe runder Magneten an der Tafel.

      »Also! Hier haben wir die Löbingers. Unbescholtene Familie, zwei Kinder. Vater betreibt ein Baugeschäft.....«

      »Wieso unbescholten? Baugeschäft? Da hängt immer Dreck dran. Ich habe gelesen, es gibt fast keine Baustelle mehr ohne kriminelle Machenschaften: Schwarzarbeiter, Bestechung, Betrug und Pfusch am Bau. Also das Unbescholten