null Hulahop

König Joram


Скачать книгу

Der Boden war nicht gefliest. Es war einfach hart gestampfte Erde und die Wände waren rau und schmutzig. Währendem Cassandra alles ganz genau anschaute, spürte sie plötzlich eine Hand auf ihrer Schulter, sie wirbelte erschrocken herum und schaute in ein blasses Knabengesicht. Auf den ersten Blick sah er nicht allzu gesund aus. Er war etwas grösser als sie, schlank, feingliedrig und hatte blondes Haar. „Wer bist du?“, fragte Cassandra. „Ich bin Timbursalem, meine Freunde nennen mich einfach nur Timbu.“ „Und was machst du hier?“, wollte Cassandra wissen. Ihr brannten haufenweise Fragen auf der Zunge. Aber zuerst einmal war sie froh, dass dieser Junge nicht feinselig ihr gegenüber war. Da sie nicht wusste, was mit ihr passiert war, als sie ohnmächtig wurde, wusste sie auch nicht, wo sie sich jetzt befand. Später würde sie nicht mehr so sehr interessieren, wo sie war, sondern in welcher Zeit sie war. Im Moment, war sie aber einfach nur froh, dass sie nicht mehr alleine war. Dieser Timbu sah ganz nett aus. Vor allem sein spitzbübisches Lächeln fiel Cassandra sofort auf. „Was ich hier mache? Das müsstest du mir erklären. Ich bin dir nur gefolgt. Du müsstest mir auch erklären, was das für eine Zaubermaschine war, in welche du eingestiegen bist.“ Cassandra verstand gar nichts mehr. Von was sprach dieser Junge? Zaubermaschine und dass sie ihm alles erklären müsste? „Okay, von vorne. Von wo bist du?“ Cassandra versuchte Klarheit in die Sache zu bringen. „Also, ich bin Timbursalem, wie ich dir schon erzählt habe. Ich wurde am 9. Juli 3023 vom Brutgenerator ausgeworfen. Ich wohne mit drei anderen Knaben im Zimmer 7924. Diese Typen sind aber total langweilig. Die nehmen eine Realmakerkapsel nach der anderen in den Mund und finden sich mega cool, wie sie so auf der ganzen Welt herum jetten. Oberlangweilig, wenn man doch weiss, dass diese Kapseln und der Tripper einem nur eine Halluzination vorgaukeln. Als diese Jungs heute Morgen wieder eine Kapsel hinter die Kiemen warfen und nicht mehr ansprechbar waren, machte ich mich aus dem Staub. Ich wollte den Schachtelturm etwas genauer anschauen. Darum schlich ich mich aus dem Zimmer. Ganz leise und vorsichtig setzte ich einen Fuss vor den anderen. Ich kontrollierte immer wieder, ob sich auf den Gängen und Treppen ein Saubi aufhielt. Ich wollte ja nicht erwischt werden. Dann sah ich, dass sich ganz weit vorne im Gang eine Türe öffnete. Schnell versteckte ich mich hinter einer Ecke. Da ich wissen wollte, wann die Luft wieder rein sein würde, blinzelte ich um die Ecke und schaute, welcher Saubi denn aus dem Zimmer kommen würde. Was glaubst Du wie erstaunt ich war, als ich dich sah?! Ich beobachtete dich und schlich dir nach. Ich fühlte mich wie Sherlock Holmes. Immer weiter bist du hinunter gegangen. Wie viele Treppen waren es nochmals? Keine Ahnung - ist aber auch nicht wichtig. Dann bist du in den komischen Entsorgungs-Raum rein gegangen und hast dir die vielen verschiedenen Geräte angeschaut. Eine grosse Maschine hat es dir besonders angetan gehabt. Ich war so fasziniert von dem Raum, dass ich in eine Maschine lief und mir den Kopf anschlug. Das verursachte einen kleinen Laut. Ich sah, wie du stehen bliebst. Schnell versteckte ich mich hinter der Maschine. Vermutlich hast du dich umgeschaut und nach der Ursache für diesen Ton gesucht. Dann hörte ich, wie du mit deinen Fingernägeln über eine Oberfläche kratzt. Jetzt konnte ich wieder hinter der Maschine hervorschauen. Ich sah, wie du einen Griff frei gelegt hast und in die Maschine gestiegen bist. Kaum warst Du drin und hattest die Türe hinter dir geschlossen, begann dieser grosse Klotz von Maschine zu leuchten, brummen und rütteln. Und plötzlich war wieder alles ganz ruhig. Ich machte mir Sorgen um dich und öffnete die Türe. Aber du warst weg. Ich war so was von erstaunt. Darum beschloss ich, das gleiche zu tun. Ich wollte wissen, was mit dir los ist und wo du bist. Vielleicht brauchtest du meine Hilfe, überlegte ich mir. Also setzte ich mich ebenfalls in dieses Ungetüm und sah mir die Kästchen mit den Zahlen genauer an. Auf einer grossen Übersichtstafel sah ich, dass darauf immer die gleichen Zahlen geschrieben sind, wie auf den unten angebrachten Zahlenblöcken. Ein Block fehlte aber und darüber war die Zahl 0853 geschrieben. Ich dachte, dass das bestimmt die Zahlen sind, welche du auf deinem Zahlenblock eingegeben hast. Also nahm ich ein Kästchen in die Hand und tippte genau die gleichen Zahlen ein. Ich hoffte ganz fest, dass mich diese Zahlen zu dir bringen würden. Am Schluss drückte auf den blauen Knopf. Was dann passierte, kannst du dir ja denken.“ Cassandra stand da und verstand überhaupt nichts mehr. Was war das bloss für eine Maschine gewesen? Die Fragen in ihrem Kopf überschlugen sich nun noch mehr. In Timbus Hand sah sie den Zahlenblock. Was diese Zahlen wohl auf sich hatten? Und wo waren sie hier? Die Kinder beschlossen die Zahlenblöcke zu behalten und verstauten sie in ihren Hosentaschen.

       Drinnen

      Es war klar, dass die Kinder jetzt auf all ihre Fragen, Antworten wollten. Also machten sie sich auf, die Umgebung zu erkunden. Mit den Händen strichen sie den Wänden entlang. Ein eigenartiges Gefühl. Im Schachtelturm war alles sauber und glatt. Keine Ecken und Kanten und auch keine rauen Stellen. Immer wieder nahm ein Kind etwas zur Nase hoch und roch daran. Wenn es nichts roch, ging es vorsichtig mit der Zunge daran und versuchte es zu schmeckten. Dann hustete wieder eines der beiden Kinder und weiter ging die Entdeckungsreise. Nach einer Weile kamen sie bei dem Gang an, aus welchem die schlurfende Person hinaus gegangen war. Der Gang war zum Glück offen und nicht durch eine Türe vom anderen Raum abgetrennt. An den Wänden des Ganges hingen Fackeln, welche den Weg beleuchteten. Cassandra war erstaunt, dass hier keine elektrischen Lampen brannten. Das muss wohl ein neuer Modetrend sein, dachte sie sich. Dann schlichen die beiden Kinder weiter. Bei der ersten Fackel blieb Timbu stehen. Er schaute sich das Feuer genauer an und wollte es in die Hand nehmen. "Au", schrie er erstaunt auf. Das schmerzt, wenn man das Feuer halten will. Cassandra musste kichern. Sie hatte zwar noch nie ein Feuer in der Hand gehabt, wusste aber aus dem Triper, dass es sehr unangenehm war, wenn man mitten ins Feuer griff. Timbu warf ihr einen bösen Blick zu und weiter ging ihre Entdeckungsreise. Der Gang in dem sie sich befanden schien endlos. Dann endlich kam auf der rechten Seite eine Türe. Eine grosse, schwere Holztüre. Auf ihr waren schöne Ornamente geschnitzt. Oben war die Türe nicht gerade, sondern hatte einen Bogen. Sie sah wunderschön aus. Die Kinder öffneten die Türe nur einen Spalt und schauten vorsichtig hinaus. Was sie da sahen, verschlug ihnen fast den Atem. Da waren haufenweise Menschen. Erwachsene und Kinder zusammen auf einem Platz. So etwas gab es in Cassandras und Timbuktus Welt nicht. Die Kinder auf dem Platz spielten fröhlich miteinander. Die Erwachsenen plauderten, lachten oder schimpften miteinander. Ein wirres Durcheinander. Es hatte Marktstände hinter denen Erwachsene standen und laut schrieen, andere träumten vor sich hin, währenddem sie irgendwohin liefen. Die Kleider der Menschen sahen fremdartig und schmuddelig aus. Die meisten Kleider waren aus Schafwolle oder Ziegenhaar gefertigt. Ein paar Leute trugen Kleidung aus Baumwolle. Die Farben der Kleider waren immer etwa die gleichen, grün, rosa, violett, blau oder beige-braun. Die Kleider waren eigentlich nur riesengrosse Tücher, welche um den Körper geschlungen waren. Alle Menschen trugen einen Turban. „Hast du das gesehen?“, fragte Cassandra Timbu. „Die tragen ganz andere Kleider als wir. So können wir nicht auf den Platz gehen. Hast du irgendwo solche Tücher gesehen?“ Timbu schaute sich um und dann hatte er sie gesehen. "Schau Cassandra, bei der Marktfrau dort hinten, hat es in der Ecke einige am Boden liegen. Ich schleiche mich zu ihr.“ „Das kannst Du nicht machen, das ist viel zu gefährlich. Hast du die Wachen dort gesehen?“, entgegnete Cassandra. „Ach was, das schaff ich schon. Ich bin ja auch dir gefolgt, ohne dass du etwas gemerkt hast", entgegnete ihr Timbu und grinste sie mit seinem schelmischen Lachen an. Cassandra wollte noch erwähnen, dass sie ihn aber gehört hätte, da hatte Timbu die Türe bereits etwas weiter geöffnet, beugte er sich vornüber und schlich leise und geschmeidig auf allen vieren, wie eine Katze, davon. Cassandra blieb der Mund offen stehen und ein paar Augenblicke später war Timbu bereits hinter der Marktfrau und noch ein paar Sekunden später wieder zurück. Mit den Tüchern. Cassandra war erstaunt, dass sich ein Mensch so elegant und leise bewegen konnte. Wo hatte er das nur gelernt? In ihrer Welt, in welcher man sich als Kind nur im eigenen Zimmer bewegen konnte, lernte man diese Fähigkeiten nicht. Als sie ihn danach fragte, grinste er und erklärte stolz, dass er nicht das erste Mal aus seinem Zimmer ausgebrochen sei. Schnell wickelten sich die Kinder die grossen Stoffbahnen über ihre normale Kleidung. Zum Schluss banden sie sich gegenseitig einen Turban um den Kopf. Jetzt waren sie gerüstet für die „neue“ Welt. Noch ein Blick zwischen der Mauer und der Tür hindurch und dann schnell… Stopp, was war das? Da kamen ein paar Männer auf sie zu gelaufen. Schnell zogen die beiden Kinder die Türe wieder zu und schauten durch einen kleinen Spalt nach draussen. Die Männer kamen ganz nah an die Türe heran und schauten sich um, als hätten sie