drei Jahre und zwei Monate. Erwähnung fand auch die Größe seines Bootes, eines sechsunddreißig Fuß langen Seglers, was etwa zwölf Metern entspricht. Ich kenne die Weiten der Ozeane und mir würde bange werden, wenn mich lediglich die Planken eines so winzigen Bootes von den unendlichen Wassern und den schwarzen Tiefen trennen würden.
Papeete, 21. August 1898
Ich musste heute an unseren Ausflug vor zwei Wochen denken. Wir waren in der Kirche und während der Predigt habe ich mich vorsichtig umgesehen. Am Gottesdienst nehmen ja auch immer die Hausangestellten teil. Fanaa singt sogar im Chor. Ich habe in die Gesichter der Maoris geschaut und mich gefragt, ob sie in wenigen Stunden die Tikis in den Wäldern aufsuchen und mit Gebrüll und wilden Tänzen andere Gottheiten besingen, ob sie vielleicht Opfer bringen, einen Hahn oder gar eine Ziege. Ich kann es mir wirklich nicht vorstellen, dass diese Leute so etwas machen. Es ist Hysterie der Missionare, die in jedem Stück fremder Kultur eine Sünde gegen den einzig wahren Gott sehen.
Papeete, 1. September 1898
Der Krieg um die Philippinen und Kuba ist entschieden. Die Amerikaner haben sich durchgesetzt, so wie es Victor vorhergesehen hat. Es gab bereits eine Friedenskonferenz, in der ein Franzose vermittelt hat. Monsieur Cambon ist unser Botschafter in der amerikanischen Hauptstadt. Nun ist es noch kein endgültiger Frieden, denn solche Dinge müssen erst lange verhandelt werden. Wichtig ist nur, dass wohl nicht mehr gekämpft wird. Es war zum Glück ein kurzer Krieg, der im April begann und im August endete. Mit dem Ende des Krieges wurde auch die Annexion der Hawaii-Inseln abgeschlossen. Hawaii steht jetzt vollkommen unter der Kontrolle der Vereinigten Staaten. Damit ist der Pazifik an vielen Orten amerikanisch.
Papeete, 14. September 1898
Wir haben Aliette Templier zu Besuch, sie ist heute früh mit dem Dampfschiff eingetroffen. Wir haben eben zu Mittag gegessen. Aliette ist sehr erschöpft und hat sich darum erst einmal im Salon auf die Couch gelegt. Sie findet nachts nur selten Schlaf, weil sie immer an den kleinen Robert denken muss und an ihren Mann. Wir haben gestern noch lange gesprochen. Aliette ist allein auf dem Weg nach Hause, nach Amerika, nach Pittsburgh. Capitain Templier wurde schon vor Monaten in den Krieg berufen. Sie hat noch nicht wieder von ihm gehört, wo der Krieg doch jetzt vorüber ist. Aliette war also die letzte Zeit ganz allein auf Tutuila, in Trauer um ihr Kind und in Angst um ihren Mann. Was mich besonders berührt hat, ist das Gepäck, das Aliette mit sich führt. Sie wollte auf Tutuila kein Grab zurücklassen und so wurde der kleine Robert eingeäschert. Es ist schrecklich, so darüber zu schreiben. Aliette hat die Urne bei sich, nicht hier bei uns, aber auf dem Schiff in ihrer Kabine. Sie will die Urne in Pittsburgh beerdigen lassen. Aliette bleibt nur zwei Tage, dann bringen wir sie wieder aufs Schiff und sie setzt ihre Reise fort.
Papeete, 24. September 1898
Victor hat heute Nachmittag Zeit gefunden, um den Kindern eine Sandkiste zu bauen. Ich war erst dagegen, es sind doch Mädchen. Ich hatte als Kind auch keine Sandkiste. Victor meinte dann aber, die Sandkiste wäre wie ein Stück vom Strand und er hat wohl recht. Auf Moorea haben Thérèse und Julie sehr gerne im Sand gespielt, wenn sie nicht gerade im Wasser waren. Das Holz für die Sandkiste hatte Victor schon in der letzten Woche besorgt, auch das Werkzeug, denn wir haben weder Hammer noch Nägel noch Säge im Haus. Thérèse und Julie wollten natürlich helfen. Ich musste sie zurückhalten, als sie sich die Säge genommen haben. Victor hat natürlich überhaupt nicht achtgegeben. Fanaa hat dann später mit den beiden gemalt und Victor konnte in Ruhe arbeiten. Er hat zunächst ein paar Zentimeter Erdreich ausgehoben und dann vier Pfosten gesetzt, an denen er die zugesägten Bretter genagelt hat. Mit einem Hobel hat er dann noch die Splitter geglättet. Der Wagen mit dem Sand wurde vorgefahren, als Victor gerade mit dem Hobeln fertig war. Es ist schöner heller Sand und er kann daher nicht von einem der Strände stammen, weil auf Tahiti die Strände diesen dunklen Sand haben. Zu dritt haben sie den Sand dann aufgefüllt. Bei diesem letzten Akt waren die Mädchen schon ganz begeistert. Sie sitzen jetzt in ihrer Sandkiste und spielen.
Papeete, 8. Oktober 1898
Victor hat seine Geschicklichkeit entdeckt. Nachdem ihm die Sandkiste so gut gelungen ist, hat er sich jetzt auch an einer Schaukel versucht. Es ist nicht so schwer, wie es sich anhört, denn die Natur hat schon einen Teil der Schaukel in unseren Garten gestellt. Es gibt bei uns nämlich einen Baum, der einen schönen, kräftigen Ast besitzt. Einen Ast, der ein ganzes Stück waagerecht gewachsen ist und an dem sich die Seile der Schaukel befestigen lassen. Victor musste sich nur noch um den Schaukelsitz bemühen. Er hat ein dickes Brett genommen, es so lang gelassen, dass beide Mädchen darauf Platz finden und dann hat er die Seile daran verknotet. Der Schaukelsitz ist nicht offen, die Kinder sollen ja auch nicht herausfallen. Victor hat dazu zwei Stäbe genommen, sie an den Enden gebohrt und dann das Schaukelseil eingefädelt. Die Stäbe lassen sich hoch- und herunterschieben, sodass die Mädchen sich daran festhalten können, wenn sie in der Schaukel sitzen. Alles ist an nur einem Nachmittag fertig geworden. Wir haben jetzt einen richtigen kleinen Spielplatz im Garten, und wenn die Mädchen sich streiten, dann wird Victor eine zweite Schaukel bauen. An dem Ast ist noch genügend Platz.
Papeete, 23. Oktober 1898
Ein bedrohlicher Vorfall, der sich in Afrika zwischen französischem und britischem Militär ereignet hat, rückt jetzt gegenüber allen anderen Meldungen in den Vordergrund. Ein französisches Expeditionsunternehmen ist in den südlichen Sudan bis an den Nil-Fluss vorgedrungen und hat ein verlassenes Fort besetzt. Dies ist schon vor ein paar Monaten geschehen und unsere Landsleute haben sich dementsprechend eingerichtet und als Zeichen der Eroberung auch die Trikolore gehisst. Nun gehört der Sudan zu Ägypten und Ägypten steht unter dem Schutze des Empires. Folgerichtig kam somit auch im September ein britisches Kanonenboot den Nil heruntergefahren. Franzosen und Briten stehen sich also gegenüber, so ist die Lage. Es ist wohl noch kein Schuss gefallen, aber es könnte sein, dass wir vor einem Krieg stehen. Es wird jetzt zwischen den Regierungen verhandelt. Das Ergebnis ist uns noch nicht bekannt. Ich muss sofort an Mutter und Vater denken. Was passiert mit ihnen im Falle eines Krieges, werden sie ausgewiesen, werden sie schikaniert, weil sie Franzosen sind, wird Vater sein Vermögen und seinen Beruf verlieren? Was gibt es so Wichtiges im Sudan, dass wir es erobern müssen. Ich möchte über die Sache gar nicht mehr nachdenken.
Papeete, 31. Oktober 1898
Wir sind heute auf der Jérôme bis nach Tautira auf Tahiti iti gesegelt. Es war eine Dienstfahrt der Jérôme, doch Victor hat heute und morgen frei. Wir durften aber dennoch mitfahren, es passte gerade. Wir werden meinen Geburtstag auf einem Grillfest feiern, das von der Gemeinde Tautira veranstaltet wird. Victor musste die Einladung annehmen und so sind auch Fanaa und die Kinder mitgekommen. Ich hoffe nur, es erfährt keiner, dass ich morgen Geburtstag habe. Ich mag keine Laudatio.
Papeete, 5. November 1898
Es gibt Neues zur Dreyfus-Affäre. Lucie Dreyfus hat etwas unternommen, um ihren Mann zu retten. Der Figaro bestätigt uns jetzt, dass sie mehrere Petitionen gestellt hat, um nach langen Mühen endlich Erfolg zu haben. Sie hat eine Revision des Falles erreicht. Es wird vermutet, dass Alfred Dreyfus wegen dieser Revision sehr wahrscheinlich nach Frankreich zurückgebracht wird. Ein großer Erfolg für Lucie, so sieht sie ihren Mann doch zumindest wieder, unabhängig davon, wie der Prozess ausgeht. Es liegt uns auch eine alte Ausgabe des Petit Journals vom 27. Februar vor, in der einige Akteure des Falles abgebildet sind. Ich kenne nicht jeden darauf und kann auch nicht die Rolle eines jeden in der Affäre erklären. Lucie Dreyfus ist ebenfalls mit einem Bild vertreten. Es ist keine Fotografie, aber ich erkenne sie gut darauf. Ihr Blick scheint mir sorgenvoll zu sein. Als ich sie vor etlichen Jahren traf, war alles viel fröhlicher an ihr. Insgesamt bin ich jetzt etwas traurig, nicht auch in Frankreich zu sein und alle Fortschritte des Falles unmittelbar zu erfahren. Diese Verzögerungen, dieses abgeschnitten sein ist im Moment einfach nur sehr schade. Victor sieht es gelassen. Er meinte, dass wir gegenüber den Zeiten von vor zehn oder fünfzehn Jahren, wohl erstaunlich schnell erfahren,