J. D. Möckli

Der unerwünschte Zusammenhang von Sex und Liebe


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ernster Miene mustert Jones seinen Mitarbeiter, während er dessen Personalakte öffnet. »Harper, wie Sie sicherlich wissen, sind wir vor drei Monaten von Mitchell Industries aufgekauft worden. Da Sie ja bei der Vorstellungsversammlung unseres neuen CEOs gefehlt haben, haben Sie sicher auch nicht mitbekommen, dass dieser eine vorzeitige Mitarbeiterbeurteilung verlangt hat.« Jones grinst schmierig.

      Dieses Verhalten lässt Darius lautlos vor sich hin murren. Natürlich hatte er bei der Versammlung gefehlt, war er doch zu dem Zeitpunkt in London, um dem Vorstand von Tesco die Plakate für die neue Werbekampagne vorzustellen. Aber offensichtlich ignoriert Jones diese Tatsache gekonnt. »Es ist mir bekannt, was der neue CEO gesagt und verlangt hat. Harold Carter hat mich netterweise über den Inhalt der Versammlung informiert«, erwidert er betont freundlich und verkneift sich jeglichen Kommentar zu den Aufgaben eines Abteilungsleiters, kann sich aber dennoch ein Räuspern nicht verkneifen, um seine Selbstbeherrschung wieder zu festigen.

      Jones verzieht kurz abfällig die Lippen. »So, hat er das? Dann muss ich ja nichts mehr dazu sagen, Harper.« Er nimmt ein paar zusammengeheftete Blätter hoch und reicht sie Darius. »Das ist Ihre Beurteilung, Harper. Sie liegt schon bei Mitchell auf dem Schreibtisch. Wenn Sie also etwas dazu zu sagen haben, warten Sie gefälligst damit, bis die Jahresendgespräche stattfinden. Sie können jetzt wieder an Ihre Arbeit gehen.«

      Ohne einen Blick auf die Blätter in seiner Hand zu werfen, steht Darius auf und verlässt das Büro. Er macht sich keine Gedanken wegen der Bewertung. Schließlich hat er, seit er vor zehn Jahren extra auf die Kanalinsel gekommen ist, um bei der STM zu arbeiten, immer gute bis sehr gute Bewertungen erhalten. Jones ist der vierte Abteilungsleiter, den er dabei erlebt, und auch mit dessen Vorgänger war er auf menschlicher Ebene nicht immer wirklich gut ausgekommen, dennoch hatte dieser ihn fair bewertet.

      Erleichtert, dass er das penetrante Aftershave nicht länger ertragen muss, betritt er sein Büro. Wieder an seinem Schreibtisch wirft er dann doch einen Blick auf die Bewertung und erstarrt, als er dort die schlechteste Note vorfindet, die in der Firma vergeben werden kann. Mit zitternden Händen blättert er um und beginnt seine Leistungsziele für dieses Jahr und die Kommentare von Jones durchzulesen. Jedes einzelne Leistungsziel ist mit einem von drei Punkten bewertet worden und die Kommentare sind niederschmetternd. Darius presst die Kiefer so fest zusammen, dass es wehtut. In der Rubrik Werte und Verhalten gibt es auch nur die Mindestpunktzahl und als er unter Qualität liest, dass die Kunden seine Arbeit durchgehend bemängelt hätten, schlägt er mit der geballten Faust auf den Tisch.

      Erschrocken drehen sich seine beiden Kollegen zu ihm um.

      Vor Wut bebend liest Darius weiter, bis er zu dem Punkt Kommunikation kommt. »Dieser Mistkerl! Was soll die verdammte Scheiße? Ich und unfreundlich? Überheblich?«

      Dann sackt er in sich zusammen. Schlagartig wird ihm klar, dass das nur das Vorspiel für eine Kündigung sein kann. Wie soll er denn auf dieser kleinen Insel einen neuen Job finden? Noch dazu einen so gut bezahlten? Er müsste zurück nach … ja, wohin eigentlich?

      Er spürt eine Hand auf seiner Schulter und sieht hoch.

      Harold lächelt ihn aufmunternd an. »Lass den Kopf nicht hängen. Du hattest immer super Bewertungen. Du bist der Beste hier in der Abteilung und gehst für die externen Präsentationen sogar zu den Kunden, obwohl das gar nicht deine Aufgabe wäre. Mitchell wird sicher auch die vorherigen Bewertungen lesen und erkennen, dass da etwas nicht stimmen kann. Er wird sicher mit dir reden wollen, bevor er dich rauswirft. Fall es überhaupt so weit kommen sollte.«

      Darius sieht von Harold wieder auf seine Bewertung. »Was hat der Kerl nur gegen mich? Er ist seit einem knappen Jahr unser Abteilungsleiter und die letzte Bewertung von ihm war noch gut bis sehr gut! Und jetzt das!«, er schiebt die Papiere wütend von sich. Am liebsten würde er jetzt gleich nach Hause gehen oder noch besser, ins Uranus und sich gründlich abschießen.

      Noch einmal drückt Harold tröstend Darius’ Schulter. »Jones ist einfach nur ein Arschloch und kann dich nicht leiden. Lass den Kopf nicht hängen. Mitchell scheint jedenfalls ganz okay zu sein. Immerhin hat er uns für nächstes Jahr die Einführung einer Personalvertretung versprochen und das will schon was heißen, wenn wir Angestellten eine Stimme bekommen.«

      Harold zuliebe nickt Darius und zwingt sich zu einem Lächeln, das seine Augen aber nicht erreicht. Sein Blick gleitet zu Sebastian, der ihm aufmunternd zunickt. Der blonde Finley ist eher der ruhige Typ und nicht so leicht aus der Ruhe zu bringen.

      Tief durchatmend schließt Darius die Augen, ehe er sich mühsam wieder auf das Cover konzentriert, der Kunde soll ja nicht unter seinen Problemen leiden müssen. Dennoch fällt sein Blick immer wieder auf die Leistungsbeurteilung und es juckt ihn regelrecht in den Fingern, Mitchell anzuschreiben und um einen Termin zu bitten. Aber wäre das nicht kontraproduktiv und würde wie ein Schuldeingeständnis wirken? Darius weiß nicht, was er machen soll und so packt er die Papiere in die oberste Schublade. Aus den Augen, aus dem Sinn!

      ***

      Darius weiß nicht, wie er es geschafft hat, aber das Cover ist fertig, als er am Abend den Rechner runterfährt und seine Sachen zusammenpackt. Erleichtert, dass er jetzt endlich rauskommt, verlässt er das vierstöckige Firmengebäude und geht über die regennasse Straße zur Bushaltestelle, wo er sich mit geschlossenen Augen an den Pfosten des kleinen Unterstandes lehnt. Zum Glück hat es schon vor einer Weile aufgehört zu regnen und die Strahlen der Abendsonne brechen durch die Wolkendecke, sodass er diese auf seinem Gesicht genießen kann.

      In Gedanken geht er zehn Jahre zurück, zu dem Tag, als er aus dem Flughafengebäude trat und ihm zum ersten Mal bewusst wurde, dass er nun hier auf Tonum, der westlichsten der Kanalinseln, leben und arbeiten würde. Mit einem schon beinahe bitteren Lächeln erinnert er sich an sein kleines WG-Zimmer, das er nur dank eines Freundes bekommen hatte. Die Wohnung lag zu seinem Glück beinahe im Zentrum der Hauptstadt Ninechurch und dazu auch noch nahe beim Busbahnhof.

      Sollte seine Zeit hier auf der Insel nun wirklich enden? Jetzt, da er endlich so viel verdiente, dass er sich eine kleine Wohnung in der Stadt leisten konnte?

      Erst als er den Bus hört, öffnet Darius die Augen und stößt sich von dem Pfosten ab, um sich deutlich sichtbar an den Straßenrand zu stellen. Wie so oft um diese Uhrzeit ist er der Einzige, der hier wartet, und es wäre nicht das erste Mal, dass der Bus einfach vorbeifährt, weil der Fahrer ihn übersieht.

      Als er einsteigt, lächelt er den Fahrer freundlich an. »Guten Abend. Danke fürs Mitnehmen«, begrüßt er den alten Mann.

      Der winkt lachend ab. »Ich mache nur meinen Job und wenn Sie sich nicht im Unterstand verstecken, dann kann ich Sie ja auch nicht übersehen.«

      Die STM liegt am äußersten Stadtrand von Ninechurch. Es ist eine ziemlich lange Fahrt, die mit einem Auto deutlich kürzer wäre, aber er genießt diese Zeit der Ruhe und kann zudem noch die Aussicht auf den Narden genießen, auf dessen höchstem Punkt die Rundfestung Tonum über die Stadt und den Hafen wacht. Heute sieht die Festung im Licht der durchbrechenden Sonnenstrahlen besonders mystisch aus, weshalb er spontan sein Handy zückt und ein paar Fotos schießt, obwohl die Bilder nie die Magie der im abendlichen Sonnenlicht glitzernden Festung wiedergeben können.

      Als der Bus schließlich an Darius’ Haltestelle anhält, steht die Sonne schon so tief am Himmel, dass sie von diesem Teil der Insel aus nicht mehr zu sehen ist. Am liebsten würde er jetzt direkt nach Hause und dann ins Uranus gehen, aber der Kühlschrank in seiner Küche ist so leer, dass die weißen Mäuse in den einzelnen Fächern Salsa tanzen könnten. Zum Glück liegt der nächste Tesco direkt auf dem Weg zu seiner Wohnung.

      Durch die Regalreihen des kleinen Ladens schlendernd, überlegt Darius, ob er sich nicht eine oder sogar zwei Flaschen Scotch leisten sollte. Aber eigentlich macht es ihm keinen Spaß, sich alleine zu betrinken, weshalb er sich das Geld lieber für das Uranus aufspart. Mit dem vollen Einkaufskorb geht er an den Spirituosen vorbei direkt zur Kasse, wo ihn die schon ältere, aber sehr nette Kassiererin mit einem freundlichen Lächeln begrüßt und ihm sogar dabei hilft, die Lebensmittel auf die beiden Tüten zu verteilen.

      Die