Uwe Kling

Katzenjammer


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tupfte Aurora den Schweiß von der Stirn ihres Mannes.

      “Ach du Scheiße”, sagte David.

      “Hat er das jetzt schon wieder gesagt?” Aurora schüttelte den Kopf.

      “Er hat gar nichts gesagt”, antwortete David tonlos. “Ich kann jetzt unser Schiff von außen sehen.”

      “Oh.”

      “Was denn, ist es so schlimm?” Lea begann ihre Hoffnung auf ein baldiges Ende dieses katastrophalen Ausfluges zu begraben.

      Charlie war mit seinem Hubschrauber auf einer Lichtung in der Nähe gelandet und auf den nächsten Hügel geklettert.

      “Ich glaub’s nicht”, entfuhr es ihm, als er den Piloten in seinem gelben Overall durch sein Fernglas beobachtete, wie er verschiedene … Charlie versuchte sich die Dinger genauer anzusehen. “Spanferkel auf Stativen?”, ungläubig nahm er sein Fernglas herunter und starrte auf die Linsen. “Wollen die jetzt ein Picknick machen?”

      Vorsichtig schlich er näher und entsicherte seine Schrotflinte. Als er bis auf zehn Meter heran gekommen war, blieb er stehen. Der Pilot schien ihn noch nicht bemerkt zu haben.

      “Ähm, schöner Abend, dieser Abend?”, rief Charlie dem Piloten zu.

      Dieser hielt in seiner Bewegung inne und drehte sich langsam um.

      “Ach du Scheiße”, sagte David.

      “David!” Aurora war empört.

      “Es ist zum Kotzen, dass dieser Kahn hier nur eine einzige Kommandoeinheit hat. Was ist so schlimm an einem schönen, elektronischen Display, wo alle etwas sehen können?” Lea rüttelte am Arm ihres Vaters. “Sag schon, was ist los, Papa?”

      “Wir haben Besuch.”

      Lea und Aurora schluckten.

      “Ich dachte immer, ET sieht ganz anders aus.”

      Der Pilot bewegte sich nicht. Er sah Charlie nur an.

      “Kannst du mich verstehen?”

      Keine Reaktion.

      “Unglaublich. Holzt mit einem blinkenden Blecheimer den halben Wald ab, kriegt die Zähne aber keinen Millimeter auseinander.” Charlie runzelte die Stirn. “Falls du überhaupt Zähne hast.”

      Charlie wagte sich weiter vor, bis der Lauf seiner Schrotflinte nur noch einen halben Meter von dem Außerirdischen entfernt war. Der Pilot blickte auf die Waffe und streckte neugierig die Hand danach aus. Erschrocken drückte Charlie ab. Die Schrotladung riss ein handgroßes Loch in den Bauch des Außerirdischen. Er war sofort tot.

      David schrie auf.

      Lea und Aurora sahen ihn entsetzt an.

      “Wir müssen verschwinden”, David war bleich. “Sofort!”

      Charlie sah entsetzt auf die blutige Leiche vor ihm. “Du blöder Arsch!”, er konnte seine Stimme nur mühsam unter Kontrolle halten. “Du kannst doch nicht erst Salzsäule spielen und dann versuchen mich zu entwaffnen. Scheiße, Scheiße, Scheiße!”

      Vor ihm begann es zu blubbern und zu schmatzen. Erschrocken sah er auf.

      “Was ist denn jetzt los?”

      Das Schiff begann zu tropfen. Es schien zu schmelzen wie Schnee in der Sonne. Außerdem breitete sich bestialischer Gestank aus. Charlie drehte sich um und rannte los.

      Kapitel 2

      “Autsch!”

      Lea war mit ihrem rechten Stöckelschuh umgeknickt. Schnell beugte sie sich nach unten um ihren Knöchel zu reiben und bereute es sofort. Der Saum ihres sehr knappen Kleids, das sie sich nach einer Empfehlung von „Dr. Smooth - Lebens-und Liebesberatung im Internet” für ihr bevorstehendes Blind-Date besorgt hatte, war beim Vorbeugen ein Stückchen höher gerutscht, als für ein Mini-Kleid normaler Weise üblich. Der Mann, der ihr seit zehn Minuten folgte, atmete deutlich hörbar durch die Zähne ein.

      Lea richtete sich sehr schnell wieder auf und verlor beinahe erneut die Balance.

      “Scheiß Absätze”, fluchte sie.

      Sie zupfte ihr Kleid zurecht, fuhr mit der Hand durch ihre lockigen Haare und blickte sich um. Etwa hundert Meter weiter war ein Brunnen auf einem kleinen Platz. Auf den konzentrierte sie sich und stelzte wieder los.

      Eigentlich hielt sie nichts von solchen mehr oder weniger anonymen „Beratungen“ aus dem Netz. Aber ein Blind-Date hat sie noch nie ausprobiert und schlimmer als sonst konnte das auch nicht werden, da alle ihre bisherigen Verabredungen ohnehin eher in Katastrophen geendet waren.

      Dr. Smooth hatte ihr in seiner letzten e-mail Anweisungen übermittelt, die sich so interessant anhörten, dass sie einen Versuch wert waren, hatte sie überlegt. Obwohl ihr die Interpretation einzelner Details doch einige Schwierigkeiten bereitet hatten.

      ‚Mach dich schön. Zeige ihm deinen exquisiten Geschmack.‘

      ‚Was ist schön?‘, dachte sie und blickte auf ihr Kleid. ‚Ist so eine ‚Wurstpelle‘ wirklich schön? Zumindest scheine ich den Perversen hinter mir beeindruckt zu haben‘, seufzte sie. ‚Und was ist exquisit? Ist Schmuck aus Computer-Bausteinen exquisit genug?‘, sie schüttelte den Kopf. ‚Es ist wahrscheinlich einfacher, wenn man diese merkwürdigen Regeln und Rituale von klein auf trainiert.‘ Sie überlegte, ob ihre Füße einen ernsthaften Schaden von diesen Schuhen davon tragen könnten. ‚Was muss da versprochen werden, um die Hälfte der Menschen dazu zu bewegen sich ein Leben lang freiwillig einer solchen Folter zu unterziehen?‘

      Endlich erreichte sie den Brunnen.

      “Uff”, pustete sie erleichtert.

      Was für ein Gefühl festen Halt zu spüren.

      Wieder musste sie an die e-mail von Dr. Smooth denken. ‚Sei nicht zu früh. Es macht sich gut, wenn du mindestens zehn Minuten zu spät kommst.‘

      Lea schielte auf ihre Uhr. Zehn Minuten zu früh. Sie war auf ihren Stöckelschuhen schneller als sie befürchtet hatte.

      Bei Dr. Smooth war es, wie auf vielen ähnlichen Sites, üblich sich mit einem Nickname, einem Pseudonym, anzumelden und anderen gegenüber auszugeben. Sie hatte sich angemeldet als ‚Alien Woman‘, ihr Date hatte sich ‚Terminator‘ genannt.

      ‚Terminator‘. Sie schüttelte den Kopf. ,Hoffentlich steht jetzt nicht gleich so ein Kleiderschrank vor mir, der drei Köpfe größer ist als ich.’ Sie hasst es, wenn sie an jemandem hochsehen musste.

      “Hasta la vista, Baby.”

      Lea schreckte herum, als sie die kieksende Stimme hinter sich hörte. Da stand ein spindeldürrer, junger Mann mit einer dicken Brille, einem für seine Verhältnisse mindestens 3 Tage alten Bart, einem zu großen Hemd und einer zwar sauberen, aber sicher schon oft getragenen Jeans.

      “Du bist bestimmt Alien Woman?” Es war mehr eine Frage als eine Feststellung. Er blickte sie unsicher an, bereit zur Flucht, falls Lea ihn auslachen oder nach ihm schlagen sollte.

      Lea war verwirrt.

      “Terminator?”

      Ein Lächeln huschte über das Gesicht des jungen Mannes. “Na ja, der Name ist vielleicht ein bisschen hoch gegriffen. Ich heiße Martin, aber das klingt so …”, er überlegte kurz, “… gewöhnlich.” Lea wollte etwas erwidern, aber Martin ließ sie nicht zu Wort kommen. “Na ja, und wenn man dann noch so aussieht wie ich, hat man praktisch keine Chance, dass irgendeine Frau mit einem ausgeht. Und schon gar nicht so eine wie du.”

      Sie sah ihn fragend an. “Wie meinst du das?”

      “Na, so eine Wahnsinnsfrau wie du würde doch normalerweise nicht im Traum daran denken mit einem Martin auszugehen, der so aussieht wie ich oder?”

      “Hm, das mag schon sein…”, begann Lea vorsichtig. Martin zuckte