Uwe Kling

Katzenjammer


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ein ‚Piep‘.

      Sie öffnete die Augen.

      ‚Piep‘.

      Sie zog ihren Fuß zurück, er sah sie enttäuscht an.

      ‚Piep‘.

      Drei der Monitore blinkten rot. Sie war sofort wieder hellwach und begann wild auf der Tastatur herumzutippen. Martin war irritiert. “Was ist denn los?”

      Sie blickte von einem Monitor zum andern, während sie immer weiter tippte. “Das hatte ich aber schon lange nicht mehr.”

      “Was hattest du schon lange nicht mehr?” Martin hob die Hand und winkte. “Hallo, darf ich auch wissen, was das Ganze zu bedeuten hat?”

      Sie wendete den Blick nicht von den Monitoren, als sie zu ihm sprach. “Im Netz laufen für mich ein paar …”, nach einem kurzen Zögern lächelte sie, “na ja, ich würde sie ‚Hausierer‘ nennen.”

      “Aha?!”, er verstand gar nichts.

      “Ich habe im Netz ein paar Routinen laufen, die ständig neue Systeme suchen, anklopfen und versuchen eingelassen zu werden.”

      “Mhm”, er verstand noch immer nichts.

      “Also”, sie riss sich von den Monitoren los. “Ich habe ein paar Routinen programmiert, die ständig im Netz laufen. Sie können sich selbstständig von einem Server zum anderen schicken. Sie benutzen Suchmaschinen und Listen um neue Systeme zu finden und dergleichen mehr. Außerdem habe ich sie mit so viel Intelligenz ausgestattet, dass sie alle möglichen Verschlüsselungen und Sicherheitsstufen umgehen können.”

      “Oh”, er begann langsam zu verstehen.

      “Genau. Und falls sie dann mal auf ein System stoßen, das sie nicht aufkriegen, melden sie sich bei mir.”

      “Wahnsinn”, Martin war beeindruckt.

      “Und genau das ist gerade passiert.” Damit wendete sie sich wieder den Monitoren zu und ihre Finger rasten über die Tasten.

      Er saß still daneben und sah ihr zu. Nach einer Weile ließ er die leise vor sich hin fluchende Lea an ihrer Tastatur alleine. Er machte sich über seine inzwischen halb kalte Pizza her, bis sie sich zu ihm umdrehte.

      “Unfassbar”, sie schüttelte ihre Finger, die vom intensiven Tippen schmerzten. “So ein widerspenstiges Biest hatte ich noch nie.”

      Martin legte seine Pizzaecke in die Schachtel und wischte sich die Finger mit einer Serviette ab. “Vielleicht gibt es ein paar Programmierer, die schlauer sind als du?”, meinte er undeutlich mit halb vollem Mund.

      “Bitte?” Lea kniff die Augen zusammen. “Nenn mir ein System, das du für absolut sicher hältst.”

      Er überlegte, dabei knüllte er die Serviette zu einem Ball zusammen und rollte ihn zwischen den Handflächen. “Der BND”, sagte er, warf den Ball aus dem Handgelenk in die offene Pizzaschachtel vor sich auf dem Tisch … und verfehlte. “Fuck!”

      Sie drehte sich um und tippte los. Drei Minuten später grinste sie ihn an. “Was soll ich denn für Vorstrafen in deine Akte eintragen?”

      Martin, der immer noch versuchte mit dem Serviettenball die Pizzaschachtel zu treffen, sprang auf. “Ist nicht wahr”, ungläubig starrte er auf den Monitor. Er sah seine Akte. Außer Name, Adresse und ein paar Eintragungen über seine schulische Laufbahn stand nichts Besonderes drin, aber dass Lea ohne Probleme an diese Daten herangekommen war, bereitete ihm sichtbar Unbehagen. “Komm, komm”, er winkte mit beiden Händen, “mach das bloß schnell aus.”

      “Hast du Angst?” Überrascht sah sie ihn an.

      “Natürlich”, antwortete er ehrlich entsetzt. “Die sind doch nicht blöde beim BND. Die merken doch sofort, wenn sich bei denen jemand reinhackt und dann machen die eine Fangschaltung und dann schicken die ihre Spezialeinheiten los und dann kriegen die uns ganz schnell am Kanthaken und…”, er blickte mit Panik in den Augen zur Tür.

      “Langsam, langsam”, Lea hob beschwichtigend die Arme, “keine Angst. Ich bin auch nicht blöde. Ich gebe zu, ich habe ein wenig gemogelt. Ich kenne den BND, weil ich da schon ein paar mal drin war. Deshalb ging das eben so schnell.”

      Martin klappte der Unterkiefer herunter.

      “Die Sicherheitsvorkehrungen sind normaler Standard, mit ein paar kleinen Tricks, die ich alle kenne. Die kriegen mich nicht. Keine Chance”, sie lächelte. “Die wissen noch nicht einmal, dass ich gerade bei denen drin bin.”

      Martin hatte immer noch Panik in den Augen. “Aber…, aber…, logg dich trotzdem aus. Bitte!” Er sah sie flehend an. “Und lass um Himmels Willen die Finger von meiner Akte.”

      “OK, OK”, sie schüttelte den Kopf. Dann tippte sie auf ein paar Tasten und auf dem Monitor waren statt Martins Akte bunte Wabbelblasen zu sehen.

      “Du bist wirklich draußen?”, fragte er ängstlich. “Du hast nicht einfach nur einen Bildschirmschoner eingeschaltet?”

      “Ehrenwort.” Sie blickte ihm ruhig in die Augen. “Beruhige dich. Es ist nichts passiert und es wird auch nichts mehr passieren.”

      Martin sah sie immer noch unsicher an. “Unglaublich”, meinte er schließlich und schüttelte den Kopf. “Wer bist du?”

      “Ein Alien, das habe ich dir doch gesagt. Aber mir glaubt ja keiner.” Sie sah ihn an und fragte sich, ob seine momentane Blässe eher durch die Tatsache ausgelöst wurde, dass er ihre außerirdische Herkunft nun doch ernsthaft in Erwägung zog oder einfach nur durch die Nachwirkungen ihrer Stippvisite beim BND.

      “Die viel interessantere Frage ist: Wer sind die?”, sie nickte mit dem Kopf in Richtung Monitor. “Wer steckt hinter diesem widerspenstigen System?”

      Er atmete tief durch. “Keine Ahnung.”

      “Eins ist klar”, Lea sah wieder auf den Monitor. “Wenn jemand so starke Sicherheitsvorkehrungen trifft, muss er sehr große Angst haben, dass man ihm etwas stehlen könnte.”

      “Und was?”

      “Keine Ahnung”, sie rieb sich am Ohrläppchen. “Informationen, Bankgeheimnisse, Kontenbücher der Mafia, was weiß ich. Irgend etwas Wertvolles halt.”

      “Ah ja”, er nickte. Langsam kehrte wieder etwas Farbe in sein Gesicht zurück. “Und jetzt?”

      “Na, jetzt versuchen wir irgendwie in das System reinzukommen.” Sie grinste über das ganze Gesicht und begann wieder auf ihrer Tastatur herumzuhämmern.

      Martin sah ihr eine Weile zu, drehte sich dann aber wieder um, um den Rest seiner Pizza zu essen. Lea fluchte immer heftiger vor sich hin.

      “Meine Güte”, grinste er. “Im Fluchen kann man von dir richtig was lernen.”

      Lea hörte ihn nicht.

      Schließlich drehte sie sich um. “So wird das nichts”, meinte sie mehr zu sich selbst. “Ich denke, ich muss hier größere Geschütze auffahren.” Damit stand sie auf, ging aus dem Zimmer und kam mit einem Glaszylinder von etwa einem halben Meter Durchmesser zurück. In dem Zylinder schwamm in einer durchsichtigen Flüssigkeit etwas Fleischiges. “Oh”, meinte er überrascht. “Ich habe eigentlich gar keinen Hunger mehr, die Pizza war wirklich ausreichend.”

      Lea lachte. “Ich erkläre es dir gleich, wenn ich alles da habe.” Sie stellte den Zylinder neben die Tastatur und ging wieder aus dem Zimmer.

      In diesem Moment zuckte der Fleischklumpen. Martins Augen weiteten sich. Unsicher ging er zum Schreibtisch, um das merkwürdige Ding besser betrachten zu können. Die eine Seite des Fleischklumpens sah aus wie ein Herz oder eine Leber, noch ganz rosig, so als sei es gerade eben frisch entnommen. Aus der hinteren Seite hing eine Art Geschwür heraus, das an ein Stück Gehirn erinnerte. Vorsichtig klopft er an die Gefäßwand. Das Organ zeigte keinerlei Reaktion. Er beugte sich näher heran.

      In diesem Moment