Ly Fabian

Infektion


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Frau arbeitet. Dazu hat sie noch einen kleinen Jungen, um den sie sich auch kümmern muss. Heute früh sah es auch noch nicht so schlimm aus. Erst in den letzten Stunden muss es rapide bergab gegangen sein. Es ist so schlimm!«

      Lisa strich sich das Haar aus der Stirn, dann zog sie sich eine Cola aus dem Automaten. »Ich habe auch schon wieder so verdammte Kopfschmerzen.«

      »Da, willst du?« Gülcin zog eine Packung Ibuprofen aus ihrer Manteltasche.

      »Danke, das ist meine Zweite heute. Ist fast schon ein Grundnahrungsmittel für mich.« Lisa steckte die Tablette in den Mund und spülte mit einem Schluck Cola nach.

      »Also los, gehen wir. Hoffentlich leben meine Reifen noch.«

      Gülcin schulterte ihre Tasche. Sie nahmen die Treppe. Im Erdgeschoss standen jede Menge leerer Betten auf dem Gang. Lisa schluckte, als sie daran dachte, dass ihnen morgen wahrscheinlich dieses Geschoss bevorstand. Außer der Ambulanz und den Funktionsräumen, Röntgen und Physiotherapie gab es allerdings hier unten nur eine Station.

      Im Empfangsbereich lümmelten mehrere Soldaten herum. In dem dahinterliegenden Café wurden die Tische gedeckt. Es roch nach Eintopf. Ein Offizier kam auf sie zu.

      »Was machen Sie hier?«

      »Wir arbeiten hier. Im ersten Geschoss.«

      »Das wurde geräumt.«

      »Stimmt und wir haben die Stationen für ihre neue Bestimmung als Auffanglager vorbereitet.«

      »Nein, das wird ein Militärstützpunkt. Letzte Anweisung. Bin auch nicht begeistert. Seit drei Stunden machen wir das Gebäude dicht.«

      Er begleitete Lisa und Gülcin zum Ausgang.

      »Der Garten ist schon gesichert. Beim Eingangsbereich werden noch mehrere Lagen Stacheldraht verlegt.«

       Er zeigte auf ein paar Männer, die riesige Rollen aus einem Fahrzeug hoben und Zäune aufstellten.

      Schockiert schaute Lisa sich um. Der Parkplatz war fast nicht wiederzuerkennen. In der Ferne qualmte es.

      »Sehen Sie? In der Stadt gab es Plünderungen. Diese Schweine haben brennende Barrikaden aufgestellt. Ich bin froh, dass unser Nachschub noch durchgekommen ist.« Er wies auf zwei Lastwagen, die gerade entladen wurden.

      »Wo wollen Sie hin?«

      »Nach Hause«, krächzte Lisa.

      »Die öffentlichen Verkehrsmittel haben vor Stunden den Dienst eingestellt. Vielleicht sollten Sie lieber bleiben?«, schlug der Offizier vor. Er war schon älter. Seine Haare waren grau, das Gesicht voller Falten, doch er sah sympathisch aus.

      »Ich muss nach Hause!« Gülcins Stimme überschlug sich fast.

      »Ich auch«, murmelte Lisa. »Meine Mutter dreht durch, wenn ich nicht komme. Mein Auto steht vor der Klinik.«

      »Müssen Sie in Richtung Innenstadt?«

      »Nein, wir wohnen außerhalb.«

      »Wir fahren später auch zurück zur Kaserne.«

      »Bleiben Sie nicht hier?«

      »Nein, nur eine Notbesetzung. Wir haben zu wenig Leute. Einer unserer Wagen bringt jetzt diese Zivilisten in ihr Altenheim zurück.« Er wies auf ein Fahrzeug, das einige, in Rollstühlen sitzende Personen, einlud. »Sobald die zurück sind, fahren wir.«

      Eine Schwester, von der Lisa wusste, dass sie in der Ambulanz beschäftigt war, eilte zu ihnen.

      »Hallo Lisa, du bist ja auch noch hier. Ich begleite die Patienten in ihr Heim. Obwohl zwei davon eigentlich hier bleiben müssten.« Sie schaute böse auf den Offizier. »Bist du noch da, wenn ich zurück bin? In einer Stunde sind wir wieder hier.«

      Lisa schaute zu dem Fahrzeug, in das zwei Soldaten gerade den letzten Rollstuhl hineinhoben.

      »Nein, wir fahren jetzt.« Der Offizier ging zu dem Wagen und verriegelte die Tür.

      »Passt auf, die haben mich zwangsverpflichtet, ich hätte eigentlich schon seit Stunden frei!«, raunte ihr die Kollegin leise zu, bevor sie dem Soldaten hinterherlief und in das Auto einstieg.

      »Verdammte Scheiße. Hätte ich mich nur krankgemeldet.« Gülcin stöhnte. Bevor Lisa etwas erwidern konnte, kam der Offizier zurück.

      »Sie müssen sich keine Sorgen machen. Ich begleite Sie zu ihrem Auto.«

      Sie umrundeten vorsichtig die halb entwirrten Stacheldrahtrollen, die überall herumlagen. Am Ausgang des Parkplatzes salutierten zwei Soldaten.

      »Mein Auto steht gleich hinter der Ecke.« Lisa lief voraus. Das Fahrzeug stand genauso da, wie sie es abgestellt hatte. Nur war es leider völlig zugeparkt. Neben ihr standen zwei Lastwagen auf der Straße.

      »Oh mein Gott, wer stellt sich denn so bescheuert hin!«

      »Hm, tut mir leid, es sieht so aus, als ob diese Wagen zu uns gehören. Keine Sorge, die fahren gleich weg. Begleiten Sie mich zurück, dann können Sie so lange noch etwas essen.«

      »Wir können auch hier warten.«

      »Ich denke, es ist besser, Sie kommen mit. Ich sorge dafür, dass Sie schnellstmöglich fahren können.«

      Notgedrungen folgten ihm die beiden Frauen. Auf dem Parkplatz waren die Soldaten inzwischen damit beschäftigt, Sperrzäune aufzustellen.

       Würde mich nicht wundern, wenn sie den Weg noch verminen, dachte Lisa und überlegte, noch einmal hochzugehen, um Marie zu zwingen, sie doch zu begleiten. Wenn sie nur nicht so kaputt wäre!

       Sie ließ sich neben Gülcin auf einen Stuhl fallen. Ein junger Gefreiter brachte ihnen einen Teller Suppe, in dem Wurststücke schwammen.

      »Kann ich noch einen Kaffee haben?«, bat Lisa.

      »Ich bitte auch«, rief Gülcin, die die Wurst misstrauisch beäugte.

      »Keine Sorge, ist Rindswurst«, beruhigte sie der Offizier lächelnd, der sich mit einem vollen Teller zu ihnen setzte.

      »Ich habe mit den Fahrern gesprochen. Sie fahren gleich weg. Nach dem Essen begleite ich Sie zu Ihrem Wagen.«

      Lisa nickte. Inzwischen war es schon kurz nach 20 Uhr. Sie sollte vielleicht Irene anrufen. Die würde jetzt schon wie auf heißen Kohlen sitzen. Sie nahm ihr Handy aus der Tasche.

      Katja nahm ab. »Hallo, es wird etwas später, keine Sorge, uns geht es gut, wir wurden hier nur etwas aufgehalten ... Ist bei euch alles ok? ... Marie bleibt bei Hannah, ihrer Freundin geht es sehr schlecht. Vielleicht kannst du Irene schonend vorbereiten? ... Gut, bis gleich.«

      Sie steckte das Handy wieder ein. Der Offizier reichte ihr eine Karte. »Hier, wenn irgendetwas ist. Sie können mich jederzeit anrufen.«

      Lisa lächelte. »Das ist sehr freundlich. Danke.«

      Der Offizier wandte sich ab, um mit einem Gefreiten zu diskutieren. Gülcin brachte die leeren Teller in die Küche, Lisa trank den restlichen Kaffee und erhob sich.

      »So, die Wagen wurden rangiert. Ich bringe sie zu ihrem Fahrzeug.«

      »Gefällt er dir?«, raunte Gülcin. Lisas Wangen verfärbten sich. Sie schüttelte den Kopf und folgte dem Mann.

      »Sieht fast so aus, als wollten die hier ein Gefängnis errichten.« Gülcin beäugte die Sicherheitszäune misstrauisch, während sie sich durch den Gang quetschten.

      Lisas Wagen war frei. Der Offizier blieb stehen und schaute zu, wie sie einstiegen.

      »Ich hatte die ganze Zeit Angst, er lässt uns doch nicht fahren«, flüsterte Gülcin, nachdem sie losgefahren waren.

      Da bist du nicht die Einzige, dachte Lisa. »Wann musst du morgen in die Klinik, soll ich dich abholen?« »Zwischen zehn und elf. Aber ich werde mich krank melden.« »Kann ich verstehen, würde ich auch. Doch meine Tochter ist dort, ich kann sie da nicht allein lassen.« Lisa seufzte. »Bleibt mir also nichts übrig, als noch einmal hinzufahren.«

      Die Straßen waren weitgehend frei. Auf der Autobahn fuhren nur in der Gegenrichtung vereinzelte Fahrzeuge.

      Lisa