Ly Fabian

Infektion


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reichte ihrer Tochter einen Schutzkittel und zog selbst auch einen über.

      »Keine Sorge, du kommst früh genug zu Hannah. Gib mir deinen Rucksack, ich schließe ihn so lange in meinem Spind ein.« Sie gab Marie den Schlüssel, bevor sie den Putzwagen aus einer Abstellkammer holte.

      »Wenn wir Hand in Hand arbeiten, sind wir schnell fertig. Mit diesem Spray sprühst du die Sanitäranlagen ein.«

      Sie öffnete die Tür zur Toilette des Krankenzimmers.

      »Hier. Siehst du? Waschbecken, Toilette und Dusche einsprühen. Das kann dann erst einmal einwirken. In der Zwischenzeit machen wir die Zimmer sauber, beziehen die Betten frisch und zuletzt reinigen wir die Duschkabinen.«

      Marie nickte. Sie nahm das Desinfektionsspray und sprühte in sämtlichen Kabinen die Armaturen und Schüsseln ein. Ihre Mutter hetzte durch die Zimmer, zog die Bettwäsche ab, während Marie Tische und Stühle abwischte. Schlussendlich verstaute Lisa drei große Wäschesäcke auf einem Wagen, den sie mit Maries Hilfe in die Wäscherei im Keller brachten. Dort diskutierte sie mit einer überforderten Haushälterin, bis sie einige Packen neue Wäsche mitnehmen durften. In der Wäscherei war es unangenehm schwül. Marie war froh, als sie wieder auf Station waren. Sie bezogen die Betten im ersten Zimmer gemeinsam. Lisa legte über jedes frisch bezogene Bett eine durchsichtige Schutzfolie.

      »Normalerweise bringen wir die Betten nach unten, dort werden sie desinfiziert und kommen frisch bezogen wieder nach oben«, seufzte sie.

      Marie kippte ein Fenster, um das Zimmer zu lüften.

      »So, ein Raum ist fertig. Wir liegen ganz gut in der Zeit, die anderen Betten kann ich allein beziehen. Ich koche jetzt erst einmal einen Kaffee. Du kannst eine Kanne mit hochnehmen. Betty sagte mir gestern, dass der Automat auf ihrer Station spinnt.« Lisa verschwand in der Küche.

      Marie ging in den Umkleideraum, tauschte ihren Schutzkittel gegen einen Neuen und packte die Kleidung, die sie für Hannah mitgebracht hatte, vom Rucksack in den Plastikbeutel. Danach ging sie in die Stationsküche. Es war schon fast halb vier. Seit zwölf hatte sie ihrer Mutter geholfen. Ihr Magen knurrte hörbar.

      »Mama, hast du hier noch irgendwo etwas essen?«

      »Oh Schatz, tut mir leid. Ich habe gar nicht mehr daran gedacht, Oma hat mir ja etwas mitgegeben«

       Lisa holte eine Tupperschüssel aus der Tasche und stellte sie in die Mikrowelle. »Gemüsesuppe mit Graupen. Hat sie gestern noch gekocht.«

      Während der Kaffee in die Kanne lief, setzten sich beide an den Tisch und löffelten die heiße Suppe.

      »Oh, habt ihr auch etwas für mich übrig?« Eine mollige ältere Frau in einem grauen Kittel stand in der Tür.

      »Aber sicher Gülcin, setz dich.« Die Frau setzte sich und nahm freudig den Teller entgegen, den Lisa ihr gab.

      »Wartet, ich hab noch Brot.« Sie nahm ein Fladenbrot aus einem Beutel und brach es in drei Teile.

      »Ich soll helfen, die Station sauber zu machen und dann noch die nebenan. Unten werden die restlichen Patienten verlegt.«

      »Ja, ich weiß, das Haus soll als Notunterkunft vorbereitet werden. Bis Montag soll das ganze Gebäude geräumt sein.«

      Gülcin schüttelte den Kopf. »Was für ein Schwachsinn.«

      Lisa füllte die Thermoskanne und schenkte sich und Gülcin den restlichen Kaffee ein. Marie nahm die volle Kanne vom Tisch und verabschiedete sich.

      »Egal was ist, in einer Stunde bist du wieder hier«, rief ihr Lisa hinterher.

      Vor der Intensivstation stand ein Bett mit Gittern an beiden Seiten. Der Patient darin stöhnte. Ein knorriges, nacktes Bein hing über dem Gitter. Kraftlos versuchte der Alte, sich hochzuziehen.

      »Brauchen Sie etwas?«, fragte Marie den Greis.

      »Ich will nach Hause!« Der Mann wackelte an dem Metall und schrie mit einer hohen Fistelstimme.

       »Legen Sie sich bitte wieder hin, ich hole jemanden«, versuchte Marie ihn zu beruhigen. Sie stellte die Kanne auf den Boden und legte das Bein des Mannes zurück. Kraftlos jammernd ließ er sich in die Kissen fallen. Sie klingelte und kurz darauf öffnete sich die Stationstür. Ein junger Arzt schaute Marie fragend an.

      »Ich möchte zu Schwester Betty und hier liegt ein Patient allein herum.«

      Der Alte fing an zu schreien. Der Arzt seufzte und fuhr das Bett auf die Station, wo er es auf dem Gang stehen ließ.

      Betty kam mit einer leeren Infusionsflasche aus einem Zimmer.

      »Oh mein Gott. Herr Pfister. Der sollte doch in sein Altenheim zurückgebracht werden.«

      »Er stand draußen auf dem Flur«, erklärte Marie.

      »Ich habe kein Zimmer für ihn, da muss er hier stehen bleiben. Kommst du grad mit, Marie? Du kannst mir bei einem Patienten helfen.«

      Der Arzt warf noch einen hilflosen Blick auf den Greis und ging dann in das Stationszimmer, in dem ein anderer Arzt mit einem Soldaten diskutierte.

      Marie assistierte Betty, die geschickt einen Verbandswechsel an einer Bauchwunde durchführte.

      »Eine Schussverletzung, wurde vorletzte Nacht notoperiert. Sobald sie stabil ist, wird sie in eine andere Klinik transportiert.« Betty seufzte.

      »Du willst sicher zu deiner Freundin?«

      »Ich habe ihr ein paar Sachen mitgebracht. Die Tüte liegt auf dem Tisch beim Eingang. Und für dich habe ich eine Kanne Kaffee. Steht auch da.«

      »Das sagst du erst jetzt? Hoffentlich hat die keiner weggenommen!«

       Die Krankenschwester deckte die frisch verbundene Patientin zu, kontrollierte die Infusion und schob den Verbandswagen aus dem Zimmer.

      Marie eilte zum Eingang und nahm Tasche und Kanne an sich.

      »Komm mit in die Küche.« Betty öffnete eine Tür. In dem kleinen Raum standen, wie auf der unteren Station, eine Mikrowelle und eine Kaffeemaschine.

       »Willst du auch einen?« Betty holte zwei Tassen aus dem Schrank.

       »Nein danke. Ich würde gerne Hannah sehen. Ich habe auch etwas zum Anziehen für sie dabei.«

      »Das hättest du nicht gebraucht. Ihre Mutter war heute Morgen da. Sie hat ihr einen ganzen Koffer voll mitgebracht.«

      »Egal, nehm ich es halt wieder mit. Hat sie ihr auch ihren iPod mitgebracht?«

      »Nein, nur Kleidung und Kosmetik.«

      »Ich habe ihr etwas Musik zusammengestellt.«

      »Na da wird sie sich freuen.« Betty nahm noch einen Schluck und bedeutete Marie, ihr zu folgen.

      Der alte Mann auf dem Flur war dazu übergegangen, um Hilfe zu schreien. Betty fragte ihn, ob er etwas bräuchte, doch der Alte schrie weiter, ohne auf sie zu reagieren.

      »Ich gebe ihm nachher etwas zur Beruhigung«, meinte sie genervt, bevor sie sich zu Hannahs Zimmer begaben. Hannah sah schlechter aus als gestern. In ihrem Gesicht sah man blaue Adern durch die bleiche Haut schimmern. Ihre Augen waren nur halb geöffnet.

      »Hannah, wie geht es dir?«

      Hanna öffnete die Augen und blickte zu Marie. In ihren Augen lag kein Erkennen.

      »Sie hat Fieber.« Betty nahm das Infrarot Thermometer und hielt es in Hannahs Ohr.

      »Gleichbleibend fast 40 Grad. Sie bekommt Antibiotika, mehr kann man nicht machen.«

      »Meine Oma macht mir immer Wadenwickel, wenn ich Fieber habe.«

      »In dem Schrank da hinten sind Handtücher. Wenn du es hinbekommst, bitte. Ich muss mich um die anderen kümmern. Die Station ist voll und wir sind nur zu zweit.«

      Marie nahm aus dem Schrank vier Handtücher. Das Wasser kam, nachdem sie es eine Weile laufen ließ, eiskalt aus dem Hahn. Geschickt legte sie ihrer Freundin Wadenwickel an.

      Etwas zu tun war besser, als nur herumzustehen. Sie nahm den iPod aus der Tasche und legte der Freundin einen