Daniel Lehmann

Corona


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allein auf dem Parkplatz.

      „Und was machst Du noch am Wochenende, Daniel?“

      „Ich wollte eigentlich morgen zu Lasse nach Frankfurt fahren.“

      „Lasse? Der Investmentbanker?“

      „Ne, das mit dem Investmentbanker ist doch schon lange vorbei.“

      „Aha, und was macht Lasse?“

      „Er ist Anwalt für Patente, Medikamente und so.“

      „Wie, Medikamente und so?“

      „Vor ein paar Jahren hatte er zum Beispiel einen Prozess gegen eine indische Firma, die billige HIV-Generika produzieren.“

      „Und mit so einem Arsch gehst Du ins Bett?“

      „Er hat mir erklärt, dass wenn zu viele billige Generika produziert werden, die Pharmakonzerne bald kein Geld mehr haben für die HIV-Forschung.“

      „Und in Indien sterben dann Menschen, die noch jahrzehntelang leben könnten, wie die Fliegen. Dein Stecher muss ja echt gut sein, damit Du so einen Scheiß nachplapperst.“

      „Na, besser von nem Arsch, als gar nicht oder nur vom Leben gefickt, liebe Steffi.“

      Schweigen.

      „Tut mir leid, Steffi.“

      „Mir auch. Aber hey, Du kannst ja doch austeilen, Daniel. Gefällt mir.“

      Umarmung trotz Corona.

      Fünf Kilometer später. Am Telefon.

      „Hi Lasse.“

      „Ah, hallo Daniel. Was macht die Kunst?“

      „Du, ich wollte nur fragen, ob es bei unserem Treffen morgen bleibt.“

      „Ja, unbedingt. Und wie war Deine Woche? War bestimmt Aufregung bei Euch in der Schule, ob ihr nun früher in die Osterferien starten könnt.“

      „Na, ich war ja nicht an der Schule, ich war in Berlin auf Klassenfahrt. Hab ich Dir doch erzählt.“

      „Ja, stimmt. Mann, Du musst echt nie arbeiten. Lehrer müsste man sein. Ich musste diese Woche einen wichtigen Prozess vorbereiten.“

      Ist auch nur Arbeit.

      „Nun gut, es war schon schön in Berlin, aber es war auch Arbeit.“

      „Du ich muss jetzt, hier bricht gerade alles zusammen. Na, dann erhole Dich mal gut von deinem stressigen Job. Bis morgen.“

      „Ja, ciao.“

      Was bricht denn wohl zusammen?

       Julius

      Langsam geht die Sonne unter. Und wieder der Hof vor dem Gefängnis. Gestern habe ich mich hier von Daniel verabschiedet. Eigentlich schön, dass er gestern hier war. Er hat ein kleines Bäuchlein bekommen, aber es steht ihm ganz gut. Hatte der eine Schüler wirklich gesagt: „Da sind aber noch ganz schöne Vibes zwischen Ihnen und Ihrem Ex. Da geht doch noch was.“

      Spricht er so offen mit seinen Schülern? Auf jeden Fall geht er toll mit ihnen um. Mal hören was mein Chef mir Wichtiges zu sagen hat. Na, eigentlich weiß ich es ja schon. Wahrscheinlich soll ich noch heute meinen Festvertrag unterschreiben. Das ging ja schnell mit Personalrat und Frauen- und Behindertenvertretung. Vielleicht haben die auch noch auf den Corona-Turbo gedrückt?

      „Julius, Du kannst Dir sicher denken, worum es geht?“

      „Ich hab die Stelle bekommen?“

      „Eigentlich ja.“

      „Aber der Personalrat hat ein Problem…“

      „Nein. Du warst der beste Kandidat. Das fand auch der Personalrat. Aber ich kann Dir die Stelle trotzdem nicht geben. Wir machen dicht. Ab sofort. Aber wir melden uns, sobald wir wissen, dass wir wieder aufmachen. Du machst echt eine tolle Arbeit. Habe gerade eine Lobes-E-Mail von der Schule aus Weinheim bekommen, von Herrn Lehmann. Aber den festen Vertrag, den kann ich Dir in der jetzigen Situation nicht geben. Der Verwaltungsrat hat die Notbremse gezogen.“

      „Schöne Scheiße.“

      „Ich weiß. Total beschissen, dass wir dichtmachen. Gerade für die ehemaligen Häftlinge, die hier führen, ist es hart. Du weißt ja, wie gering die Opferrenten zum Teil sind. Aber Du kommst doch klar, oder?“

      „Ja klar, ich komme klar.“

      „Sag mal, bist Du eigentlich umgezogen? Die Adresse schien mir neu.“

      „Ja, in die Papageiensiedlung, nach Zehlendorf.“

      „Papageiensiedlung? Kenne ich nicht.“

      „Klar, kennst Du die. Von Bruno Taut. Reformwohnen. Weimarer Republik. Arbeiter in anständigen Wohnraum. Das war zumindest der Anspruch. Ein wenig wie die Tuschkastensiedlung. Nur dass die Tuschkastensiedlung immer noch einer Genossenschaft gehört. Kennst Du die?“

      „Ja, die kenne ich.“

      Klar, die Tuschkastensiedlung ist ja auch bei Dir im Osten. Hast wahrscheinlich noch nicht so ganz realisiert, dass die Mauer gefallen ist.

      „Onkel-Toms-Hütte, Waldsiedlung… wurde vom Land Berlin an die Deutsche Wohnen verscherbelt und jetzt überlegt Berlin, die zurückzukaufen.“

      „Deutsche Wohnen kenne ich natürlich, Julius. Wer kennt die nicht in Berlin. Spätestens seit dem Volksbegehren Deutsche Wohnen und CO enteignen. Und bei den Miethaien wohnst Du jetzt?“

      „Du, was denkst Du denn? Glaubst Du, man kann sich seine Vermieter gerade aussuchen?“

      „Hey, alles klar, Julius? Bist Du doch sauer wegen der Stelle? Ich kann da wirklich nichts dafür.“

      „Dass keine Führungen mehr stattfinden, verstehe ich ja, aber was hat das mit meiner Forschungsstelle zu tun? Im Archiv bin ich doch allein.“

      „Ich habe das nicht entschieden.“

      Ne, es entscheidet ja nie jemand irgendwas.

      „Ist schon gut. Ist kein Problem. Ich komm‘ klar. Ich würde mich freuen, wenn die Krise vorbei ist, hier wieder Führungen zu machen.“

      „Bleib gesund, Julius.“

      „Ja, Du auch. Ich gebe Dir besser nicht die Hand.“

      Zurück im Gefängnishof.

      Plink: Eine Nachricht von der Sprachschule.

       Hallo Julius,

       aufgrund der Corona-Krise entfallen alle Sprachkurse an unserer Schule.

       Wir freuen uns dann in besseren Zeiten mit Dir als Mitarbeiter wieder voll durchzustarten.

       Bleib gesund!

      So schnell kann man zwei Jobs los sein. Wenn ich doch nur eine richtige, feste Stelle gehabt hätte. Habe immer nur Rechnungen geschrieben. Für die Sprachschule und für das Gefängnis. Und wenn ich nur schon eine Wohnung hätte, dann würde wenigstens das Jobcenter mir die Miete bezahlen. Also zumindest, wenn sie angemessen wäre.

      Alle Besichtigungen von Zwei-Zimmer-Wohnungen, die ich geplant hatte, kann ich knicken. Die sind dann, wenn ich überhaupt Hartz-IV kriege, zu groß. Ok, Netz hab ich genug. Wo war doch gleich die Wohnung auf Immoscout, die dann noch in Frage kommt?

      Da, also Friedrichshain. Nette Bilder und das Beste, der Preis:

       Mietendeckel!!!

       278,51€ Kaltmiete

       84,00€ Betriebskosten

       Die umfassend sanierte 1- Zimmer- Wohnung befindet sich im 4. Obergeschoss des Vorderhauses und verfügt über einen Flur, von dem das Zimmer sowie das Bad und die Wohnküche