Elle West

Die Partisanen


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ihre Hand, stellte aber schnell fest, dass sie diese Berührung weder genoss, noch sie erwidern würde. Auch was körperlicher Nähe betraf, war sie distanziert. Diese Tatsache war für ihn jedoch schwerer zu ertragen, weil er nun einmal Bedürfnisse hatte. Würden sie endlich verheiratet sein, würde sie sich hoffentlich nicht mehr so abweisend verhalten. Doch würde sie sich ihm auch dann weiter so kühl zeigen, würde er sich eben weiterhin Geliebte halten. Vielleicht konnte er sie sogar zu einer Ehe nach islamischem Recht überreden und seinen Betrug damit legal machen. Er verstand nicht, wie eine so junge und schöne Frau so leidenschaftslos und kalt sein konnte. Sie war immer so merkwürdig verschlossen und sie lachte beinahe nie, obgleich sie, wenn sie lächelte, noch besser aussah. Damian hatte noch keinen Weg gefunden, sich ihr zu nähern, aber er vermutete, dass es auch nicht möglich war, ihr wirklich nahe zu sein. Das war nicht ihre Art und so hatte er angefangen, auch andere Frauen zu treffen. Da sie, zumindest bisher, meistens auf einem anderen Kontinent als er gewesen war, hatte sie diesbezüglich auch keinen Verdacht gegen ihn und es ihm sehr leicht gemacht, sie zu betrügen. Vielleicht würde er nun, da sie mit ihm zusammen leben würde, kein Bedürfnis mehr nach anderen Frauen verspüren. In jedem Fall war er erleichtert, dass er seinen amerikanischen Freunden vom Militär endlich seine schöne Verlobte vorstellen konnte, sodass sie ihn nicht länger für einen Prahler hielten. Sie war so selten bei ihm gewesen, dass seine Bekannten annahmen, er habe sich diese Verlobte entweder nur ausgedacht, oder dass sie wirklich hässlich war, sodass er sich für sie schämen musste. Nun würde er ihnen triumphierend das Gegenteil beweisen können.

      „Erzähl mir von London.“, bat er, um den Eindruck zu erwecken, er interessiere sich auch für ihr Leben ohne ihn. „Hat Sally den Abschied gut verkraftet?“

      Christina blickte aus dem Fenster. Bei der Erwähnung ihrer Freundin, zog sich ihr der Magen zusammen, so sehr vermisste sie Sally. Aber darüber wollte sie nicht mit ihm reden. Es ging ihn nichts an, wie schwer es für sie beide gewesen war. „Ja, es geht schon.“, antwortete sie verhalten.

      Er nickte leicht. Sie wollte nicht darüber reden und wenn sie es nicht wollte, dann unterließ sie es einfach, ganz gleich, wie hartnäckig er es versuchen würde.

      „Dann musst du eben hin und wieder zu Besuch nach England.“, erwiderte er. „Allerdings geht das natürlich nicht sooft, wegen den Kosten. Aber vielleicht kann ich dir ein oder zwei Mal im Jahr einen Flug bezahlen.“

      Sie musste sich beherrschen, um nicht über ihn zu lachen, denn er meinte es vermutlich nur gut. Sie selbst könnte sich die Flüge leisten, sehr viel häufiger als er auch nur ahnte. „Ich brauche dein Geld nicht, Damian. Ich verdiene mir mein eigenes.“, erinnerte sie ihn.

      Er lachte, beinahe mitleidig und klopfte ihr ebenso auf den Oberschenkel. „Aber mit deinem Gehalt wirst du wahrscheinlich Jahre lang dafür sparen müssen, Kleines.“, sagte er und schüttelte den Kopf über sie. „Außerdem werden wir bald heiraten. Ich bin immer noch dafür, dass wir dann ein gemeinsames Konto einrichten. Wirklich, Luna, ich komme gerne für dich auf.“

      „Darüber haben wir doch schon gesprochen.“, sagte sie und schrie innerlich vor Wut auf. In Momenten wie diesen, hasste sie ihn beinahe. Wie konnte er es wagen, stets so herablassend mit ihr umzugehen? Selbst wenn sie die wäre, für die er sie hielt, wäre diese Arroganz unangebracht gewesen. Und sie hatte, bereits nach den paar Minuten, die sie mit ihm zusammen war, das Gefühl, seine Selbstverliebtheit habe sich ebenso gesteigert, wie sein lächerliches Bedürfnis, sie zu erziehen. „Ich will kein gemeinsames Konto und ich werde meine Meinung dazu auch nicht ändern.“

      Er presste die Lippen aufeinander, um sich einen bissigen Kommentar zu verkneifen. Christina fiel auf, dass seine Lippen wie zwei Striche aussahen, die Grausamkeit ausstrahlten, welche sie bei ihm nie kennen gelernt hatte.

      Christina wandte neuerlich den Blick ab. Die Befürchtung, einen riesigen Fehler zu machen, stieg in ihrem Bewusstsein immer deutlicher auf. Sie wollte sich ja bemühen, sich aufrichtig um diese Beziehung und eine Ehe bemühen. Doch nicht nur seine selbstgerechte Art, sondern auch ihre Bindungsangst hielten sie auf Distanz. Selbst wenn sie ihm die Wahrheit über sich würde sagen können…sie wollte nicht.

      „Jedenfalls,“, fing er an, nur um etwas zu sagen, „haben wir jetzt ein richtiges Zuhause, Luna. Du hast endlich wieder eine richtige Heimat.“

      Sie mochte es nicht, dass er jede Stille mit Gerede füllen musste. Das tat er immerzu. Schweigen war ihm unangenehm. „Die hatte ich immer.“, sagte sie entschieden.

      „Du bist doch in den letzten Jahren überall und nirgends gewesen, Kleines.“, erinnerte er sie nachsichtig. Sie hatte in Deutschland mit ihren Eltern gelebt, hatte in Amerika gelebt, wo sie auch ihm begegnet war, danach hatte sie einige Monate in Spanien zugebracht, ehe sie dann nach England gezogen war. Damian selbst hatte nur in Amerika, in seiner Heimat gelebt, ehe er nun in den Irak ausgewandert war. Und für ihn war der Irak nur eine Zwischenstation. Wenn er seine Arbeit hier beendet hätte, was in etwa zwei Jahren der Fall sein würde, würde er wieder nach Atlanta zurückkehren.

      „Das bedeutet nicht, dass ich keine Heimat hatte.“, sagte sie. „Sally ist meine Heimat, meine Eltern sind meine Heimat.“

      Er lächelte sein nachsichtiges Lächeln. „Und bald sind wir ein Ehepaar.“, sagte er, da er erwartete, Teil ihrer Aufzählung zu sein. „Dann bin ich dein Mann und der Irak ist unsere Heimat, auch wenn wir natürlich früher oder später nach Amerika zurückkehren werden.“

      Christina schwieg. Sie hatte keine Lust mehr darüber zu diskutieren. Er verstand offensichtlich nicht, wovon sie redete und er verstand sie nicht. Orlando hingegen hatte von Anfang an begriffen, was sie mit dem Begriff „heimatlos“ gemeint hatte. Vermutlich weil auch er sich so fühlte. Damian kannte dieses Gefühl nicht und sie war nicht daran interessiert, es ihm zu erklären. „Ich bin müde, Damian.“, sagte sie abwehrend. „Kannst du bitte einfach fahren und nichts weiter sagen?“

      „Wie du willst.“, sagte er, doch seine Miene zeigte deutlich, dass er beleidigt war.

      Orlando legte sich auf das gemütliche Hotelbett und rauchte eine Zigarette. Nun, da er Christinas Verlobten gesehen hatte, wunderte er sich einmal mehr, dass sie bei ihm blieb. Sie erschien ihm nicht der Typ Frau für eine feste Bindung zu sein. Immerhin hatte sie gefährliche Geheimnisse und er war sich sicher, dass dieser Amerikaner keines davon kannte. Von Anfang an war er überzeugt gewesen, dass der Mann ihr nicht gewachsen war, nun war er sich dessen ganz sicher. Er ärgerte sich, dass ihr Verlobter ihre Verabschiedung unterbrochen hatte, denn er hatte geglaubt, sie dieses Mal zu einem Umtrunk überreden zu können. Dabei hatte er nicht einmal Hintergedanken verfolgt. Er hatte nur mit ihr zusammen sein wollen, um sich zu unterhalten und sie ansehen zu können. Er redete gerne mit ihr. Sie war humorvoll und schlagfertig und obwohl sie beide viel zu verschweigen hatten, fanden sie doch immer ein Thema, über das sie sich unterhalten konnten. Sie hatte ihm erzählt, dass sie diesen Damian im Irak heiraten würde und dass sie vorhatten, hier zu leben, weil er in Bagdad als Arzt arbeitete. Orlando hatte noch mehr über sie und ihren Verlobten wissen wollen, aber sie war ihm weitgehend ausgewichen. Als er sie gefragt hatte, ob sie diesen Amerikaner liebte, hatte sie ihm nicht geantwortet. Sie hatte gesagt, dass es ihn nichts anginge. Dann hatte er sie gefragt, ob sie weiterhin nach Spanien zu seinem Vater reisen würde, geschäftlich natürlich, und auch darauf hatte sie nicht antworten wollen. Nun fragte er sich, ob er sie je wieder sehen würde. Wenn sie erst einmal im Irak leben würde, würde er ihr vermutlich nicht mehr so häufig im Flugzeug begegnen. Und wenn sie ihre Geschäfte mit Alejandró nicht persönlich verhandeln würde, dann würde er sie vielleicht gar nicht wieder sehen. Dieser Gedanke brachte ihn beinahe um den Verstand, weil er nichts dagegen tun konnte. Offensichtlich hatte sie eine Entscheidung getroffen, wollte einen anderen Mann heiraten. Orlando nahm nicht an, dass sie all ihre Pläne umwerfen würde, nur weil er leidenschaftlich von ihr hingerissen war.

      Er erhob sich und schenkte sich ein Glas mit Dattelschnaps ein, der hier in jedem Hotelzimmer bereit stand. Seine Nerven konnten die beruhigende Wirkung des Alkohols vertragen. Während er trank, stellte er sich ans Fenster und blickte auf die Stadt hinunter. Obwohl Bagdad so lebhaft wie immer war und die Menschen dicht aneinander vorbeigingen, glaubte er, bei ihnen die nervöse Hektik zu