Margret Jacobs

Abstellkammer - Makabere Kurzgeschichten


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Tante hat die Haarknoten raus geschnitten. Sie meinte, das wäre die einzige Möglichkeit, um meine Haare zu retten.

      Jetzt saß eine fette Spinne in meinem Haar. Ich traute mich nicht, sie weg zu schnipsen. Petra hatte mir verraten, dass Spinnen auch beißen können und dass dann der Arm davon dick wird. Ihr war das so passiert. Ihr Arm sah eine Woche lang wie eine fette Wurst aus. Und es hat wohl sehr weh getan. Nein, die Spinne sollte ruhig da bleiben, wo sie gerade war.

      Der Postbote huschte an mir vorbei. Sollte ich winken? Mich bemerkbar machen? Was sollte ich sagen, warum ich da im Dreck saß? Ich ließ es.

      Der Mann war schon wieder weg.

      Doch in den Keller von Petra steigen? Noch mal bei Petra klingeln?

      Es könnte sinnlos sein, das Unternehmen. Sinnlosigkeit war etwas, was ich hasste. Doch es war sinnlos hier weiter zu hocken und auf die Stimme meiner Mutter zu hoffen, die mich erlösen würde.

      Ich ging.

      Nicht weit.

      Bis zu dem Kellerfenster auf der anderen Seite. Der Sturm hatte zugenommen. Er machte mir die Wahl leicht.

      Vorsichtig öffnete ich das Fenster, es war nur angelehnt. Meine Schultern passten so gerade durch. Als ich mit Petra vor einem halben Jahr hindurch geglitten war, rutschte ich wie ein Fisch durch dieses Loch. Jetzt war ich wohl gewachsen. Ich merkte die Betonwand an meinen Schultern kratzen.

      Einer meiner Schuhe plumpste nach unten und knallte lautstark auf den Betonboden auf. Unten gab es keinen Schutz. Ich musste aufpassen, dass ich nicht auf meine Knie und Hände fiel, sonst wären Abschürfungen unvermeidlich.

      Es war stockdunkel.

      Auf dem Tisch würde eine Taschenlampe liegen. Hoffentlich ging die noch!

      Während ich nach unten rutschte, fiel mir ein, dass ich hier auf der Seite des Miethauses, die Stimme meiner Mutter nicht vernehmen könnte, sollte sie mich rufen.

      Ich musste lachen! Warum sollte sie mich rufen? Es war noch viel zu früh am Tag, als dass sie das machen würde. Jetzt lag sie vermutlich im Bett und war am schlafen. Die Glückliche.

      Ich rutschte und rutschte. Es schien kein Ende zu nehmen. Der Boden war weit weg. Ich fiel in ein bodenloses Loch.

      Ich hätte am liebsten geschrien, doch wer sollte mich hören?

      Die Mutter von Petra? Wohl kaum. Die wohnten ganz weit oben und ich war ganz weit unten.

      Würde Hilfe kommen, wenn ich sie brauchte? Wieder musste ich lachen.

      Ich rutschte lachend nach unten.

      Es war vorbei. Ich lag auf meiner Seite und rieb mir das schmerzende Knie. Ich war trotz Vorsicht auf meine Knie gefallen. Ich konnte den Schwung nicht auffangen.

      Immerhin, es gab einen Boden. Wenn auch einen harten.

      Ich tastete umher. Irgendwo musste hier der Tisch stehen mit der Taschenlampe darauf. Hoffentlich hatte Petra diese nicht wieder mit nach oben genommen. Die Deckenlampe hier drin ging seit langer Zeit nicht mehr, so hatte Petra es mir gesagt. Ich tastete trotzdem nach der Wand. Irgendwo dort musste der Schalter sein. Der Tisch war wohl von einem Loch im Boden verschlungen worden.

      Die Wand war noch da. Alles sah tief schwarz aus. Auch meine Hand auf der Betonwand. Sie musste dort sein, denn ich konnte fühlen, wie ich den Beton nach einer größeren Unebenheit abtastete. Ich wurde nicht enttäuscht. Etwas Eckiges tauchte an meinen Fingern auf. Ich drückte drauf, es machte ein „Klick“ und ich wurde schmerzhaft geblendet.

      Ah! Die Deckenbeleuchtung ging wieder. Auch bei ganz viel Pech gab es mal einen Lichtblick. Der Tisch war tatsächlich weg. Alles war weg. Auch die Taschenlampe. Ebenso der Stuhl, der sonst hier stand, damit Petra sich dort hinsetzen konnte und abwarten konnte, bis ihre Mutter sie wieder in die Wohnung ließ. Auch Petras Mutter hatte ein Ruheproblem. Musste an der Tatsache liegen, dass auch Petras Mutter eine Frau war. Frauen brauchten wohl viel Ruhe. Ich war gespannt, wie es mir später, wenn ich eine Frau sein würde, ergehen würde. Würde ich dann auch mein Kind im Keller unterbringen?

      Ich probierte mein Glück an der Kellertür. Die war verschlossen. Ich hatte mein Glück ja auch schon eben aufgebraucht. Man konnte nicht alles haben. Ich ging die Wände ab. Vielleicht gab es ja eine Geheimtür, wie man das im Fernsehen immer sah. Dadurch konnte man dann entschlüpfen. Aber ich war nicht in einem Fernsehfilm, sondern in dem Keller von Petras Mutter. Zuviel Realität.

      Es ging weiter. Ich ging weiter. Man musste sich bewegen, um Veränderungen herbei zu führen. Das wusste ich.

      Fünf Schritte in die eine Richtung und zehn Schritte in die andere. Der Raum war großzügig angelegt. Man konnte hier sehr gut drin spielen. Wenn nur Sachen zum spielen hier drin gewesen wären. So sah es aus wie ein Verlies. Eine Gefängniszelle. Mein Kinderzimmer war da besser, auch wenn die Tür oftmals abgeschlossen war, wie die Tür hier.

      Ich machte ein Geräusch. Es hallte.

      Ich lauschte. Es war nichts zu hören. Der Beton schluckte jedes Geräusch.

      Es gab Menschen dort oben.

      Ich würde nicht ohne Stuhl oder Tisch raus klettern können. Das war unmöglich!

      Ich schluckte. Kein Wasser hier drin. Nichts zu essen. Alles war weg. Eine Falle. Ein Gefängnis.

      Ich hämmerte gegen die Tür. Sie war aus Stahl. Ich konnte kaum meine eigenen Geräusche hören.

      Sie würden mich finden.

      Petra saß auf einem Schemel in der Abstellkammer der Wohnung. Sie hatte das Klingeln an der Wohnungstür gehört. Es würde sinnlos sein, sich bemerkbar zu machen. Ihre Mutter hielt nichts davon, sie vor einer gefühlten Ewigkeit aus der Abstellkammer zu lassen. Aber hier war es wenigstens warm, wärmer als im Keller unten. Und hier gab es etwas zu essen.

      Skiurlaub

      >>Ja, das machst du fantastisch!<< Herr A war ganz hin und weg und überschüttete das andere Mädchen mit Lob und Motivation.

      Das andere Mädchen tat ihr Bestes, Herrn A zu gefallen. Es war auch ganz hin und weg. So viel Aufmerksamkeit, damit hätte es nicht gerechnet! Die Skier fühlten sich zwar an wie zwei Fremdkörper an ihren Füssen, aber mit etwas Übung war es ihr gelungen, diese vorne wie ein Dreieck hinzustellen und so zu halten. Das war, so sagte Herr A, die wichtigste Stellung beim Ski fahren. Der Pflug. Nur so könne sie sicher und langsam den Hügel herunter gleiten.

      Es fühlte sich an, als würde sie in Höchstgeschwindigkeit herunter schießen. In Wirklichkeit war sie so langsam, dass sie kaum einen Meter gerutscht war. Herr A war begeistert. Das Mädchen hatte Talent. Talent musste man fördern. Es war egal, dass es kein Junge war. Dieses Mädchen hatte seine Aufmerksamkeit verdient.

      Erschöpft ließ sich Angelika hinfallen. Es war anstrengend in dieser Haltung zu bleiben. Sie wollte aufhören. Aber Herr A ermutigte sie eindringlich weiter zu üben. So raffte sie sich an den Skistöcken wieder hoch und versuchte erneut, ein Stückchen den leicht abschüssigen Hang herunter zu rutschen. Auf dem Hosenboden wäre es einfacher gewesen. Aber was sollte es, sie musste es versuchen. Hier oben die Skier auszuziehen, das hätte Herrn A sicher nicht gefallen. Also, nicht aufgeben!

      Meine Güte, war das ein netter Vater! Sie schwärmte heimlich für diesen Vater, der ihr so viel Geduld und Aufmerksamkeit entgegen brachte. Was hatte ihre Freundin doch für ein Glück, so einen Vater zu haben!

      Ihre Freundin stand am unteren Rand des Hangs und schaute hinauf. Sie konnte es nicht fassen. Ihr Vater war wie ausgewechselt! Sie kniff die Augen zusammen. War der Mann da oben tatsächlich ihr Vater?

      >>Weiter so. Du schaffst das! Ich bin ja so stolz auf dich, wie schnell du das lernst! Ja, du bist sportlich