Markus Orians

Ein philosophischer Streifzug durch die Jahrtausende


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Schriftliches in Latein verfasst und gelehrt wurde. Niemand außer den Brahmanen konnte die Veden lesen. Dies bestärkte natürlich ihre uneingeschränkte, reli-giöse und gesellschaftliche Machtposition.

      Vor den Ariern gab es in Indien keine Geschichtsschreibung. Die erste Hauptperiode, das Vedische Zeitalter ist von 1500-500 etwa anzusetzen. Veda oder Plural die Veden sind religiöse Literatur, die aber noch magisches und mythisches Gedankengut enthält, das noch weit älter ist. Die Veden übertreffen die Bibel an Quantität etwa um das sechsfache. Sie waren Kultbücher für die Priester. Bei jeder Opferhandlung mussten vier Priester anwesend sein.

      Die Veden galten als unantastbare Wahrheiten, die bis ins dritte Jahrhundert vor Chr. nur mündlich weitergegeben wurden. Da die vedische Religion keine Tempel und Götterbilder kannten, konzentrierte sich das kultische Geschehen auf die Opfer. Dabei steht die heilige Silbe „OM“ zu Beginn und am Ende jeder Rezitation bei den Hymnen, von denen es etwa 1000 gibt.

       An Varuna:

       Möge ich nicht Varuna, Oh König, in das irdene Haus (Grab) eingehen- Sei gnädig, du von guter Herrschaft! Zeige Gnade!

      Die Texte erinnern an Bitten, Beschwörungen oder Zaubersprüche, denn bestimmte Krank-heiten wurden mit bestimmten Verfehlungen verbunden wie z.B. die Wassersucht. Man verband sie mit jemandem, der die Unwahrheit gesagt hat.

      Da die Rituale und Formen der Brahmanen im Laufe der Zeit immer mehr erstarrten, suchten Philosophen und weise Menschen, auch Frauen, deren Namen man nicht kennt, nach Ideen, die sie mehr berührten. So entstanden noch vor der Zeit Buddhas, also zwischen 700-500 die Upanishaden. Schopenhauer sprach ehrfürchtig von der erhebendsten Lektüre, die in der Welt möglich ist.

      Bei den Upanishaden werden Fragen zur Welt und dem Selbst gestellt. Upa heißt nahe, nämlich in der Nähe des Meisters, der die heiligen Texte nur einer begrenzten Anzahl von Eingeweihten lehrt. Die Texte sind anderer Natur als die der Veden. Zauberei, Beschwörun-gen und Magie findet man hier nicht mehr.

      Der Aufbau des Makrokosmos entspricht dem Mikrokosmos. So ist Atman, der Weltatem, die göttliche Kraft und das Selbst ihrem Wesen nach gleich dem Wind und dem Atem des Körpers.

      Die Namen der Verfasser sind kaum bekannt. Im Gegensatz zum Westen treten die Philosophen in Hintergrund zu den Schriften, die sie verfassten. Auch Frauen haben diese Texte mitgeschrieben. Sie nahmen zu dieser Zeit auch an der Wahrheitssuche teil.

      Eine Unterweisung aus den Upanishaden:

       Hol mir doch eine Feige!

       Hier ist sie Ehrwürdiger.

       Spalte sie!

       Sie ist gespalten.

       Was siehst du darin?

       Ganz feine Körner, Ehrwürdiger.

       Spalte nun eines von ihnen!

       Es ist gespalten, Ehrwürdiger.

       Was siehst du darin?

       Gar nichts, Ehrwürdiger!

       Wahrlich mein Lieber, dieses Feinste, das du gar nicht mehr wahrnimmst, aus ihm ist jener große heilige Feigenbaum entstanden. Glaube mir, mein Lieber, was diese feinste Substanz ist, die ganze Welt enthält es als ihr Selbst. Das ist das Wirkliche, das Atman, das du bist !

      Brahman könnte man als göttliche Kraft übersetzen. Es ist aber auch ein Paradoxon, weil es für die Hindus keinen theistischen, persönlichen Gott gibt. Das Paradoxon wird in der doppelten Bedeutung von Brahman deutlich. Es heißt so viel wie: es bewegt sich und es bewegt sich nicht, es ist fern und es ist doch so nah. Es geht hier um die Einheitserfahrung durch die Meditation über die Erleuchtung. Sie entspricht dem, was die Mystiker wie Meister Eckhard oder Johannes vom Kreuz mit „Verzückung“ umschrieben haben.

      Etwa um 300 v. Chr. wurde die Bhagavad Gita geschrieben:

      Krishna sagt im 10. Gesang:

       Verkündung:

       Weil du mir lieb bist, will ich sie dir zu deinem Besten offenbaren

       Weder die Scharen der Götter noch die großen Seher kennen meinen Ursprung...

       Jeder Keim aller Geschöpfe bin ich...

       Ich bin der Würfel des Falschspielers

       Ich bin die Stärke des Starken

       Ich bin der Sieg

       bin die Bemühung

       bin die Reinheit des Reinen...

      Die Bhagavad Gita, Gita der Gesang, enthält etwa 100 000 Verse. Das Heldenepos umfasst 700 Strophen. Sie geben Antwort auf die grundlegenden Fragen des menschlichen Daseins. Sie vereinigt viele Strömungen der Zeit und wurde im Laufe der Zeit immer umfassender.

      Ein anderer Text aus der Baghavad Gita:

       Mir ist keiner verhasst noch lieb. Für alle Wesen bin ich der Gleiche.

       Wer sich aber selbst mir weiht (anvertraut) in voller Hingabe, der ist in mir und ich bin in ihm.

      Etwas Ähnliches sagt auch Jesus. Allerdings wird diese mystische Verschmelzung von der Kirche damals wie heute ignoriert.

      Alles ist Brahman- das Reine, wie der Falschspieler. Das Göttliche ist nicht wie in den theistischen Religionen in gut und bös, in Gott und den Teufel getrennt. Zum Leben, zum Sein, zu Atman, zu Gott gehört beides. Es gibt hier keine Antithese. Die Dialektik von Hegel, bei der in der Synthese die scheinbaren Widersprüche aufgehoben sind und nur im Ganzen das Wahre zu finden ist, hier ist das schon vor mehr als 2500 Jahren in der Bhagavad Gita umgesetzt.

      Die Wahrheit, die Erleuchtung ist dem Verstand nicht zugänglich, sie ist nicht in Worte zu fassen und auch nicht für alle zu erreichen. Nur wer bereit ist einen langen Weg zu gehen, der mit Askese, vom Verstand nicht zu begreifende Anstrengungen und Herausforderungen auf sich nimmt, indem er lernt sein Ego und seine Gefühle zu beherrschen, kann diese Befreiung erfahren. Dies ist aber nur durch einen Meister möglich, der zuvor selbst diese Befreiung erlebt hat. Zum Hinduismus gehört die Lehre der Seelenwanderung. Sie ist in Indien tief verwurzelt. Das „Karma“, die Handlung, die jemand ausführt wird sein jetziges und seine zukünftigen Leben bestimmen. Wer Gutes tut, wird als Guter, als Brahmane ge-boren, wer Böses tut, als Bettler, als Kranker oder sogar als Tier wiedergeboren. Dies ist auch der Grund, warum die Inder keine Tiere töten, nicht einmal Moskitos, oder für uns gefährliche Tiere, denn es sind für sie alles wiedergeborene Seelen.

       2.1.2Exkurs: Buddhistische Philosophie vor 2600 Jahren und heute

      Der Buddhismus, nach 500 v. Chr. hat das Sanskrit zu einer toten Gelehrtensprache gemacht, weil Buddha auch für die einfachen Menschen lehrte. Buddha hat wie Jesus in einfachen Gleichnissen gesprochen, weil die Lehre ja auch für einfache Menschen gedacht war. Beide haben einen neuen Weg der Selbstverwirklichung gezeigt. Von beiden gibt es keine einzige Schrift, kein einziges Wort von der oder dem wir sicher sagen können, dass es von ihnen gesprochen wurde. Ähnliches gilt auch für Mohammed.

      Was haben die Religionen aus ihnen gemacht? Buddhas Worte wurden zum Teil Jahrhun-derte später aufgeschrieben. Jesus Worte sind frühestens 40 Jahre und das Johannes- Evangelium etwa 100 Jahre nach seinem Tod aufgeschrieben worden. Auch Mohammeds Koran wurde frühestens 20 Jahre nach seinem Tod aufgeschrieben.

      Es gibt nicht die buddhistische Philosophie. Der tibetische und der japanische Zazen unterscheiden sich beträchtlich. Auch ist der westliche Buddhismus ziemlich weit von den Methoden des östlichen