Markus Orians

Ein philosophischer Streifzug durch die Jahrtausende


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„Freaks“ unter den Meistern, wie Richard Baker Roshi, oder Toni Packer, aber auch sehr strenge Meister vor allem im Zen Buddhismus wie Shunryo Suzuki, der in Amerika lehrte. Ein buntes Kaleidoskop von Lehrern, die durch die jahrelange, für uns extreme Selbsterfahrungen, eine persönliche Reife und tiefgründige, geistige Erfahrungen und Wissen entwickelt haben. Was sie weitergeben ist daher nicht nur ein tiefgründiges geistiges Wissen sondern vor allem per-sönliche, spirituelle Erfahrung. Zum Teil sehr traditionell und streng hierarchisch gegliedert, zum Teil sich immer mehr sich aus diesen traditionellen Strukturen lösend. So hat Toni Packer in den 80er Jahren sich weit von der Zen Tradition entfernt, indem sie viele Rituale und Übungen, die vor allem eine hierarchische Struktur unterstützten, einfach fallen gelas-sen hat. Damit hat sie nicht nur die amerikanischen Zenklöster beeinflusst. Sie nimmt die Worte des Buddhas ernst, die besagen, dass der Buddha seine Hörer ermahnt hat, das gesprochene Wort nicht zu akzeptieren, noch das, was in einer Schrift geschrieben steht, noch die scheinbare Fähigkeit eines anderen, noch die Überlegung, dass diese Person mein Lehrer ist. Er sagte in seinen letzten Worten: „ seid euch selbst ein Licht. Nehmt keine Zuflucht in äußeren Dingen. Haltet fest an der Wahrheit. Sucht in niemandem Zuflucht außer in euch selbst.“ Diese Haltung führt wahrlich zu demokratischen Strukturen und ganz flachen Hierarchien. Diese geistige Wissenschaft fördert aber auch Selbsterkenntnis, Selbstbewusst-sein und eine kritische Einstellung zur Politik.

      Der Buddhismus ist nicht dogmatisch und konnte sich deshalb auch den säkularen Philo-sophien und der Psychologie des Westens öffnen. Er hat sich westlichen Lehren, die auch Gewaltfreiheit und den Abbau des Egos lehren, weit geöffnet und mit in die eigene Lehre und Methoden eingebunden. Aber auch umgekehrt ist es heute nicht mehr ungewöhnlich, wenn Pfarrer und Mönche eine Zenausbildung gemacht haben oder sogar Zenmeister sind, wie die beiden Benediktinermönche Willigis Jäger oder David Steindl Rast. Der damalige Kardinal Josef Ratzinger und heutige Papst Pius XVI hat Willigis Jäger deshalb verboten, die Messe zu zelebrieren. Genauso lassen sich buddhistische Mönche in humanistischen Thera-pien ausbilden. Therapeuten mit analytischer Ausbildung wie z.B. Luise Reddemann aber auch in der Familientherapie findet man geistige Gesetze und Methoden, die an den Bud-dhismus angelehnt sind. Mittlerweile gibt es eine Fülle von Literatur über Psychotherapie und Buddhismus. Beide Therapien verbinden Wege aufzuzeigen, wie der Mensch sich selbst aus seinem Leiden befreien kann. Die Psychotherapie entstand genauso, wie der Buddhis-mus als Reaktion auf das scheinbar unentrinnbare Leiden in der Welt.

      Innerhalb dieser Auseinandersetzung kommt man zu allen grundlegenden Fragen im Leben, über den Sinn im Leben, Tod, Krisen, Gier, Neid, Verluste, Angst, Glück, Verantwortung, Freiheit, Gerechtigkeit, Beziehung, Identität... Keine Frage, die nicht gestellt werden kann. Man erkennt in dieser Art Selbstreflektion, dass es auf viele Fragen keine konkreten Antwor-ten geben kann. Stattdessen wird man in die Stille geführt, die einem Antworten jenseits der Sprache, jenseits der Ratio ermöglichen kann. Durch dieses „Sich selbst Erkennen oder „me-ditative Fragen“ wie Toni Packard es nennt, kann man feststellen, dass es innerhalb dieses Fragenkomplexes nur Weniges gibt, das wir wirklich wissen. Es bleibt die Möglichkeit in die Stille „hineinzulauschen“ und jenseits von Ratio zu verstehen.

      Im Zazen geht man davon aus, dass ein Großer Teil des Leidens, psychischer Schmerz, aber auch körperlicher Schmerz durch den Widerstand gegen den Lebensprozess auftritt. Unser Versuch, das Geschehene nicht anzunehmen, zu verdrängen und zu verleugnen, verursacht bei uns physische und psychische Schmerzen. Aufrichtige Trauer und die geistige Arbeit können uns wieder mit dem Leben verbinden. Diese Auseinandersetzung führt uns nicht vom Leiden und dem Schmerz weg, sondern mitten hinein und hindurch. Die Krise wird als Notwendigkeit zum inneren Wachstum begriffen. Krisen gehören zum Leben und sind nichts Ungewöhnliches. Man kann altes Denken und Handeln zurücklassen und sich neuem ganz-heitlichem Denken öffnen, das man ohne die Krise sonst niemals kennengelernt hätte. Krisen und Schicksalsschläge sehen wir häufig unter dem Horizont des „ Warum gerade ich.“ Dies ist eine Fragestellung die nicht wirklich zu Antworten führt. Der Horizont des „Wozu, was will mir diese Erfahrung zeigen“, kann uns zu Antworten, zu Einsichten, zum Verstehen leiten. Die Öffnung dieses Horizontes kann mir die inneren Bilder, die Meinung, die Ideologie zei-gen, warum ich diesem leidvollen Denken anhänge. Dies ist eine Voraussetzung die Situation und das gesamte „Sein“ mit neuen Augen zu sehen.

      Diese Methoden, die die tägliche Praxis und Selbstreflektion mit in den Alltag nehmen, ist das besondere dieser „Religion“ oder Wissenschaft und damit sind sie allen mir bekannten Religionen oder Philosophien überlegen. Die Methoden beinhalten eine systematische Schulung des menschlichen Bewusstseins und des gesamten Geistes.

      Ein japanischer Zenmeister empfing einen Universitätsprofessor, der etwas über Zen erfahren wollte. Der Zenmeister goss zur Begrüßung die Tasse seines Besuchers voll und hörte nicht auf weiterzugießen, bis der Professor ihm sagte, dass die Tasse übervoll ist. Nan in, der Zenmeister erwiderte: So wie diese Tasse, sind auch sie voll mit ihren Meinungen und Spekulationen. Wie kann ich ihnen da Zen zeigen?

      Eine Methode, um die „eigene Tasse“ zu leeren ist das „Koan“. Z.B. Höre das Klatschen der einen Hand.

      Diese Aufgabe verstört so einen rationalen Denker auf Tiefste. Das Klatschen der einen Hand kann man natürlich nicht hören. Die Aufgabe ist also nicht über den Verstand lösbar. Sie ist ein Widerspruch in sich selbst, ein Paradoxon. Trotz-dem hat man nur eine Chance, das Koan zu „verstehen,“ zu begreifen und zu lösen, wenn man konsequent den Verstand und die Vernunft an dieser Aufgabe abarbeitet. Das heißt langsam aber sicher kommt durch eine ernsthafte Auseinandersetzung der Verstand an seine Grenze und zur Ruhe. Bis er ganz zur Ruhe gekommen ist. Der Meister lässt einem mit dieser Aufgabe über längere Zeit alleine „brüten“ und fragt den Schüler immer wieder nach seiner gefundenen Antwort. Solange der Schüler auf der rationalen Ebene antwortet, wird er immer wieder weggeschickt. Bis der Schüler eine andere Lösung, jenseits des Rationalen, einen ganzheitlichen Weg, jenseits des Verstandes, vielleicht findet.

      Es geht hier also um ein anderes geistiges Wissen als wir das in unserer rationalen Welt kennen. Auf diese Weise kann man seinen Verstand leeren und dieses andere Wissen, das durch die Meditation einfließen kann, aufnehmen.

      Die traditionelle Bezeichnung für Meditation sagt Chögyam Trungpa heißt so viel wie „fried-liches Verweilen“. Man soll durch die Meditation Freundschaft mit sich selbst schließen. Der Weg ist kein Glaubensweg, sondern ein Weg der persönlichen Erfahrung. Toni Packer formuliert diese Methode konkreter. Für sie bedeutet Meditation mit unseren gewohn-heitsmäßigen Reaktionen von Angst, Begierde, Zärtlichkeit, Langeweile oder was auch immer direkt in Berührung zu kommen und sie dadurch neu zu sehen. Dies ist dann möglich, wenn ich alles was sich in Bildern oder Erinnerungen mir zeigt weder bewerte, analysiere, abwehre oder festhalte. Denken und die Ratio stoßen hier an Grenzen. Was ich denke ist sehr stark abhängig von den Erfahrungen in der individuellen Sozialisation. Hieraus entstehen Konditio-nierungen und Konzepte, die ich nicht mehr in Frage stelle, beziehungsweise habe ich genau besehen keine Wahl anders zu denken und zu handeln. Diese geistigen Prägungen hindern mich aber frei und immer wieder neu auf Situationen zu antworten und zu reagieren. In der direkten Berührung im Jetzt kann ich über das unmittelbare Empfinden zu einer neuen Einsicht gelangen.

      Die geistige Lehre im Zazen ist einfach und radikal. Sie gibt mir keine Chance, weder meine Verantwortung für mein Tun abzugeben, noch kann ich, wie dies meines Wissens alle theis-tischen Religionen tun, andere Philosophien und Religionen abwerten. Ich habe mich nur mit meinem Geist zu befassen, denn, was und wer ich bin, mache ich über meine geistigen Kräfte selbst. Der Geist ist die Quelle aller Erfahrungen. Das gesamte Leben ist eine geistige Aus-ein-ander-setzung.

      Im Wesentlichen behandelt der Buddhismus die Mechanismen von Glück und Leid. Glück, sowie auch Leid, sind im Wesentlichen eigenes geistiges Werk, ein innerer selbsterzeugter Zustand. Mit äußeren Situationen haben sie wenig zu tun. Nicht die Situationen, in die wir kommen sind das Problem, es ist unser Denken, unsere Denkmuster. Wenn ich mich ändern möchte, geht dies nur durch und über meinen Geist, mein Bewusstsein. Deshalb steht im Mittelpunkt der Meditation den Geist kennen zu lernen. Seine endlosen Gedankenschleifen wahrzunehmen, um sie irgendwann loslassen zu können. Gedankenschleifen mit Wertun-gen, Plänen, Entschuldigungen, Abwehren,