Christoph Hochberger

DER KELTISCHE FLUCH


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ersten Männer genutzt, um die übrigen Edlen für seine Idee zu begeistern. Er war ein durchtriebener, hinterlistiger Mann und Borix schon lange ein Dorn im Auge.

      „Und welche Familie soll den Nachfolger stellen? An welchen Edlen hattest du dabei gedacht?“, fragte der alte Unterführer Matoluric gedehnt. Er gehörte dem Gefolge Toromics an und nutzte nun die Anwesenheit von Borix und Turumir aus, um Novoronix in die Enge zu treiben.

      In diesem Augenblick glitten viele Hände in die Nähe der Dolche. Novoronix antwortete nicht sofort.

      Der erste Mann des Ri war anwesend, das machte die Situation gefährlich. Er bewegte sich auf dünnem Eis. Zwar besaß er das Recht, in der Versammlung offen über das Für und Wider einer Nachfolge für den derzeitigen Häuptling zu sprechen, jedoch wörtlich einen Mann oder eine Familie zu nennen, kam Verrat gleich. Das hätte Zweikampf bedeutet, und einen solchen hätte der verweichlichte Edle niemals gegen den hünenhaften Clanführer bestehen können. Diese Tatsache war ihm bewusst, daher fiel seine Antwort äußerst diplomatisch aus.

      „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Du weißt doch, dass nur der Ri selbst einen Nachfolger benennen kann. Im plötzlichen Todesfall des Ri müsste die gesamte Versammlung darüber abstimmen.“

      Die Männer entspannten sich.

      Matoluric schüttelte nur abschätzig den Kopf und ließ sich nieder. Borix und Turumir hatten die Unterhaltung der Männer angespannt verfolgt.

      Mühsam schluckte Borix seine Wut hinunter.

      Sein Blick traf den Turumirs. Der nickte.

      Borix trat vor. „Hört, ihr Edlen und Krieger, was ich zu sagen habe!“

      Einige der Männer begannen unvermittelt Fragen zu stellen:

      „Wie geht es dem Vates?“

      „Ist er erwacht?“

      „Was hat sich ergeben?“

      Unwirsch schüttelte Borix den Kopf und sagte nichts, bis die Frager beschämt verstummten.

      „Was den Bruder des Ri angeht, so bin ich nicht befugt, euch Auskunft über seinen Zustand zu geben. Der Ri wird euch morgen früh, wie angekündigt, selbst darüber berichten. Aber er schickt mich in anderer Angelegenheit zu euch. Er befahl mir, zehn unserer besten Reiter auszuwählen. Diese Männer sollen sich vor Morgengrauen mit ihren Tieren zum Tor begeben“

      Unruhe machte sich unter den Versammelten breit. Einige schlugen vor ihre Brustplatten. Jeder wusste, dass die Wildnis zu dieser Stunde den Geistern des Waldes und finsteren Dämonen gehörte. Es war gefährlich, sich in einer solchen Nacht auf eine Reise zu begeben.

      Borix ignorierte das Gerede und sah sich um. „Todonmacus, Ufatar, Cymoc, Amnic, Tectonix ...“

      Alle diese Männer gehörten den verschiedenen Gefolgen und Familien des Clans an, und so sah es im ersten Moment danach aus, als würde die Wahl des ersten Mannes des Ri wertfrei erfolgen. Doch seine weiteren Benennungen sorgten für Unruhe im Gefolge des Novoronix. Denn Borix nutzte die Befehlsgewalt, die ihm Toromic für kurze Zeit überlassen hatte, gnadenlos zur Schmähung des Erzrivalen aus. Er benannte drei weitere Männer, die wie die übrigen, nicht dem Gefolge des Novoronix angehörten.

      „Cetonac, Banastier, Onurovic.“

      Novoronix war inzwischen vor Wut rot angelaufen und hatte offensichtlich große Mühe, sich zu beherrschen.

      Borix nahm es befriedigt zur Kenntnis.

      „Die Ehre, die übrigen beiden Boten auszuwählen, stelle ich dem großen Novoronix frei“, schloss er feierlich und konnte sich ein Grinsen über die gelungene Provokation kaum verkneifen. Auch Turumir nickte befriedigt.

      Novoronix bedachte ihn mit einem Blick, der vernichtend wirken sollte, doch Borix lachte innerlich darüber. Dieser verdammte Edeling, dieses weibische, dürre Männchen konnte ihm nichts anhaben. Sollte ihm dieser Bastard auch nur die geringste Gelegenheit bieten, würde er ihn töten.

      Novoronix gab das Blickgefecht auf, wandte sich ab und gab zweien seiner Männer mürrisch den Befehl, an dem Ritt teilzunehmen.

      Äußerlich ungerührt ergriff Borix abermals das Wort:

      „Macht euch bereit, ihr Reiter. Packt genug Vorräte zusammen, holt eure wärmste Kleidung und eure besten Waffen herbei. Außerdem sollte ein jeder von euch ein Ersatzpferd mit sich führen.“

      Er bemerkte die unterdrückte Angst in den Gesichtern der Auserwählten.

      „Ihr wisst, dass es in der Wildnis, neben Geistern und Dämonen, noch andere Gefahren gibt ...“, versuchte er die Männer an die Caledonier, einen immerhin fassbaren Gegner, zu erinnern.

      Da wurde er von einer rauen Stimme unterbrochen:

      „Zu Eisklumpen gefrorene Hände bereiten mir Furcht.“

      Die Männer sahen sie verdutzt um, dann begannen die ersten zu grinsen. Borix war überrascht.

      „Ein Bär, der noch keine Lust verspürt, den Winterschlaf zu beginnen, könnte eine Gefahr sein“, spöttelte ein anderer. Die Männer lachten. Die großen Bären lagen längst im Winterschlaf, außerdem griffen sie so gut wie nie Menschen an. Es waren scheue Tiere.

      „Ein Caledone, der dumm genug ist, sich so weit in unser Gebiet vorzuwagen, wäre eine Gefahr!“ rief Banastier, ein kräftiger, junger Kerl. Das Gelächter wurde lauter. Nun stimmten auch die übrigen Auserwählten in die Spottreden mit ein.

      „Eine große Gefahr in der Wildnis ist immer ein schwieliger Arsch, vom langen Reiten.“

      „Eine Männlichkeit, die nicht mehr als solche zu erkennen ist, macht mir Sorgen, friert sie einem dort draußen doch sicherlich ab!“

      Lautes Gelächter durchbrandete das Versammlungshaus.

      Nachdem sich die Männer etwas beruhigt hatten, ergriff Borix wieder das Wort. „Macht euch bereit...“

      Die Belustigung wich aus den Gesichtern der Anwesenden.

      Borix und Turumir verließen das Versammlungshaus.

      Nachdem sie verschwunden waren, begannen die Krieger aufgeregt zu diskutieren. Der Edle Novoronix wandte sich an seine Gefolgsleute und flüsterte: „Diese Demütigungen werde ich nicht mehr lange hinnehmen.“

      Seine Vertrauten nickten düster.

      Shana war fast eingeschlafen, als Toromic die Hütte betrat. Durch halb geschlossene Lieder beobachtete sie ihn. Er legte seinen Umhang ab und kam auf ihr gemeinsames Lager zu. Sie hob den Kopf, öffnete die Augen und sah ihm mit einer Mischung aus Angst und Neugier entgegen. „Wie steht es um Tarcic?“

      Er ließ sich neben sie fallen und atmete tief durch.

      „Die Männer sagten, dass er getobt habe, ohne das Bewusstsein zu erlangen. Als ich jedoch in seiner Hütte ankam, sah ich ihn nur daniederliegen, wie einen Todkranken.“

      „Hat er etwas gesagt?“ fragte Shana.

      „Er hat gesprochen. Etwas wie: ´Es wird kommen ...`“, antwortete Toromic. Er richtete sich auf. „Ich habe Helwed bei ihm gelassen. Sie wird versuchen, ihn aufzuwecken.“

      „Glaubst du, dass es ihr gelingen wird?“

      „Woher soll ich das wissen?!“ entfuhr es ihm. Er vergrub das Gesicht in den Händen. „Es ist alles zu viel. Ich weiß nicht, wie lange ich noch lügen kann, sollte er ohnmächtig bleiben. Auch Borix hat etwas bemerkt. Vielleicht sollte ich den Derwydd die Wahrheit sagen, wenn sie kommen, um Tarcic zu heilen. Vielleicht sollte ich mich den Folgen meiner Tat stellen, denn man kann nicht ewig vor dem Zorn der Götter fliehen.“

      „Sag so etwas nicht.“ Shana sah ihn flehend an. „Wenn sie dich hätten töten wollen, so wäre das doch längst geschehen. Möglicherweise geben sie dir noch eine Gelegenheit, alles wieder gut zu machen? Schließlich hast du den Druiden doch nicht absichtlich erschlagen.“

      Toromic