wie Konzerte oder Merchandising-Artikel haben können.
“In this sample, as in most other studies of the effect of file sharing, stolen music reduces purchased music, by between 0.15 and 0.28 per stolen song. But as in some previous studies, the welfare benefit to consumers far exceeds the cost to producers. It should be mentioned yet again, however, that this welfare benefit is only possible if revenue is sufficient to attract production in the first place” (Waldvogel 2010, 313).
3.2 Abschreckung und Kontrolle: Verwertungsschutz vs. Informationsfreiheit
Die Beurteilung der Piraterie hat selbstredend unmittelbare Konsequenzen für den juristischen Umgang mit ihr, da sie potentiell sowohl die Innovations-, Vergütungs- als auch Schutzfunktion des Urheberrechts tangiert.[54] Der eigentliche Anlass der Studie Schwartmanns war die Evaluierung von Modellen „zur Versendung von Warnhinweisen durch Internet-Zugangsanbieter an Nutzer bei Urheberrechtsverletzungen“ (Schwartmann 2012). Hintergrund ist die Forderung nach einer stärkeren Einbindung der Internetserviceprovider zur Kontrolle und Abschreckung von „Netzpiraten“. Als Vorbild dienen hierbei sogenannte Three-strikes-Modelle, die vorsehen, Internetnutzer bei erfolgter Urheberrechtsverletzung abzumahnen und, je nach Ausgestaltung, bei fortwährender Zuwiderhandlung auch zu bestrafen, bis hin zur vorübergehenden Abschaltung des Internetzugangs. Prominentestes Beispiel hierfür ist das 2010 in Frankreich verabschiedete Hadopi-Gesetz, weswegen wir dieses etwas genauer unter die Lupe nehmen wollen, ähnliche Gesetze wurden jedoch auch in Taiwan (2009), Südkorea (2009), Großbritannien (2010) und Neuseeland (2011) ratifiziert
Ohne im Einzelnen auf die urheber- und verfassungsrechtlich relevanten Details eingehen zu können und wollen [55], wird die Sollbruchstelle dieser Konzeption schnell klar. Nur bei einem eindeutigen und einseitigen Kausalzusammenhang aus Filesharing und Umsatzrückgang lässt sich die Aufgabe der Förderung legaler Inhalte durch Bekämpfung illegaler Inhalte erfüllen. Berücksichtigt man positive Nebeneffekte der digitalen Verbreitung („sampling“) wird die Argumentation brüchig. Ganz zu schweigen von verfassungsrechtlichen Bedenken wegen der möglichen Einschränkung von Grundrechten. Daher müssen Befürworter einer derartigen Strategie sowohl den eindeutigen Schaden der Internetpiraterie, die Erfolge der Abmahnungen als auch die Verfassungskonformität betonen. Die Musikindustrie verweist auf eine Studie zu dem „Effect of Graduated Response Anti-Piracy Laws on Music Sales: Evidence from an Event Study in France”, nach der schon das Bewusstsein um die Existenz von Hadopi die iTunes Single- / Albumverkäufe in Frankreich um 22 bzw. 25 Prozent gesteigert hätten und dies bevor “anyone received a third notice (i.e. before any cases have been referred to the criminal court), and that the increase in sales is observed even before the law‘s final passage” (Danaher et al. 2012, 20). Des Weiteren beruft sie sich auf eine Umfrage der GfK in Deutschland, wonach 81 Prozent der Befragten glauben, Warnhinweise mit der Aussicht auf Konsequenzen würden die Leute dazu animieren, ihre illegalen Aktivitäten zu stoppen (Digital Music Report 2012, 17).
Das deckt sich mit den Befunden von Adermon / Liang aus Schweden, wonach die Androhung von Strafe schon einen signifikanten Effekt erzielte, der sich erst wieder verflüchtigte, nachdem sich die Sanktionsmaßnahmen als bloße Drohungen erwiesen (vgl. Adermon / Liang 2010). Sinkender Internet-Traffic oder Filesharing-Nutzerzahlen in Verbund mit steigenden Erlösen sollen auf diese Weise im Gleichklang den Schaden der Piraterie als auch den Nutzen der Abschreckung demonstrieren. Problematisch an diesen „Erfolgsmeldungen“ ist die einseitige Konzentration auf P2P-Netzwerke. So lässt sich ein allumfassendes Bild der Bandbreite illegaler Aktivität, immer abgesehen vom möglichen Nutzen dieser Aktivitäten, nur zeichnen, wenn man andere im Vergleich zum Filesharing relativ junge Phänomene wie das Sharehosting / Streaming berücksichtigt. Hier konstatiert Hadopi nur eine Stabilisierung der Nutzerzahlen und der Figaro stellt mit Hilfe von Zahlen von Mediamatrix und Netratings gar bei Abnahme der Zahl der Filesharer um 1.5 Millionen eine gleichzeitige Zunahme der Besucher von Streaming Seiten um 1,8 Millionen von 6,5 auf 8,3 Millionen fest. Von einem starken Zuwachs legaler Angebote könne keine Rede sein ( Heise.de 2012).
Zusätzlich zur Feststellung des ökonomischen Nutzens von Warnhinweisen muss, wie oben angedeutet, zu deren Legitimation noch die Verhältnismäßigkeit und Vereinbarkeit mit Grundrechten berücksichtigt werden. Schwartmann kommt in seiner Auftragsstudie für das Wirtschaftsministerium zu dem Urteil, verfassungsrechtlich sei „eine aus technischen Gründen unabdingbare Inpflichtnahme der Zugangsanbieter vor dem Hintergrund der Berufsfreiheit nicht zu beanstanden und stellt mit einer Kombination aus Aufklärung und Warnhinweis ein verhältnismäßiges Mittel beim Vorgehen gegen Urheberrechtsverletzungen im Internet dar“ (Schwartmann 2012, 20f.). Dieses Urteil löste einerseits Häme in der Netzgemeinde aus, aber auch sachlich seriöse Kritik. Im Schattenbericht der Digitalen Gesellschaft zur Studie von Schwartmann heißt es: „Die europäischen Versuche haben gezeigt, dass diese repressiven Maßnahmen kontraproduktiv sind. Das Warnhinweismodell birgt erhebliche Kosten für Staat und Wirtschaft, schränkt Grundrechte unzulässig ein, ist weder verhältnismäßig noch ausgewogen, privatisiert die Rechtsdurchsetzung und birgt datenschutzrechtliche Risiken. Zudem sind Warnhinweise nicht effektiv und haben ungewollte Konsequenzen. (Digitale Gesellschaft e.V. 2012, 29).
Klar wird an diesen fundamental oppositionellen Äußerungen vor allem, dass sowohl Uneinigkeit herrscht bei der Lokalisierung eindeutiger Ursache-Wirkung-Zusammenhänge als auch bei grundsätzlicheren Fragen zur Ausgestaltung und dem Wesen von Gesellschaft und im Besonderen der Balance von Privatinteressen und dem sogenannten Allgemeinwohl, von Verwertungsschutz und Informationsfreiheit. Wobei die Polarisierung dieser Begriffe im Grunde nicht sachdienlich ist, da z.B. das Allgemeinwohl als Leerformel allen gesellschaftlichen Akteuren als Orientierungspunkt und Zielvorgabe dient. Eher handelt es sich um Deutungskämpfe eher individualistischer oder kollektiver Allgemeinwohlkonzeptionen wie sie auch im öffentlichen Urheberrechtsdiskurs zwischen wirtschaftsliberalen und eher sozialdemokratischen Positionen zu finden sind:
„Despite its many potential benefits, the 3SP is not without disadvantages. First, it can resolve the illegal file-sharing problem, but at the same time it may harm artists that benefit from those activities. Second, it might impose obligations on the ISPs that will force them to undertake structural and financial changes like allocating human resources to deal with right holders’ claims. Third, the 3SP might impose a new role on ISPs which they did not initially anticipate, putting them in a difficult position and causing adverse financial consequences. Finally, the 3SP might have dramatic impacts on individual rights including privacy, due process rights, free speech, and users’ rights” (Haber 2011, 322).
3.3 Musikproduktion: Quantität vs. Qualität
Ein weiterer wichtiger Aspekt des Copyrights und Unterschied zum kontinentaleuropäischen Urheberrecht ist dessen ökonomische Grundierung im Glauben an den freien Markt und die Vertragsfreiheit. Während das Copyright als ein Instrument im freien Spiel der Marktkräfte verstanden wird, gilt das Urheberrecht seinen Verteidigern, wie wir in der Diskursanalyse sehen werden, als ein Bollwerk gegen diesen freien Markt. [56] Im Diskurs wird diesem juristisch durchaus wichtigen Unterscheidung keine große Bedeutung geschenkt und werden individualrechtliche und utilitaristische Elemente der Legitimation des Urheberrechts bunt vermischt. Das dient auch als Brücke zur anfangs erwähnten Begründung des Investitionsschutzes zur Sicherung kultureller Vielfalt. Hierzu ein Auszug aus einem offenen Brief zum Tag des geistigen Eigentums, indem die utilitaristische Begründung des Copyright zum Schutz des kontinentaleuropäischen geistigen Eigentums Verwendung findet: „Langfristig wird so die kulturelle und kreative Vielfalt in unserem Land abnehmen und wir verspielen eine unserer wichtigsten Zukunftsressourcen“: [57]
Der Digital Music Report 2011 der IFPI (International Federation of the Phonographic Industry) konstatiert ebenso einen direkten Zusammenhang zwischen Piraterie-bedingten Umsatzverlusten und sinkenden Investitionen in neue Künstler. Ebenso sieht der IFPI vor allem unbekanntere Bands von diesen Gewinneinbrüchen betroffen. Superstars würden dank ihrer schon existierenden Popularität weniger von sinkenden Verkaufszahlen betroffen sein. “While much attention is paid to the live music market and to revenues from branding and other non-recording revenue sources, these tend to be the privilege of established artists rather than new and developing acts” (IFPI 2011). Abseits der Interessen bedingten