Dr. Phil. Monika Eichenauer

Zulassung zur Abschaffung - Die heillose Kultur - Band 2


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endlich mal) mit: „Zwar haben auch die Psychotherapeuten von der Vergütungsreform mit einer zehnprozentigen Steigerung ihrer Honorare profitiert. Dies hat jedoch am Abstand zu den ärztlichen Einkommen nichts geändert. Dies zeigen die Zahlen, die dem Bundesministerium für Gesundheit über die Abrechnungsergebnisse der Kassenärztlichen Vereinigungen für 2009 jetzt vorliegen, ganz deutlich.“

      An anderer Stelle lege ich Ihnen, lieber Leser, Zahlen der KV vor, wie sie realiter Honorare an die unterschiedlichen Arztgruppen ausgezahlt haben. Danach hat meine Berufsgruppe über ein Jahrzehnt hinweg lediglich ein Drittel der Honorare der Ärzte im Durchschnitt erhalten. Dieter Best erläutert: „Selbst bei einer maximalen wöchentlichen Arbeitsleistung von 51 Stunden ist es nicht möglich, ein Honorar zu erzielen, das dem der somatisch tätigen Ärzte vergleichbar wäre. Das wird solange so bleiben, wie die Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen an dem Beschluss festhält, dass die Vergütung eines an der Belastbarkeitsgrenze arbeitenden Psychotherapeuten nicht höher sein darf, als die des durchschnittlich arbeitenden Facharztes.

      Es erübrigt sich fast zu schreiben, dass dies eine ungerechte Honorarverteilung ist – und noch mehr, dass es sich hier um eine Honorarverteilung handelt, die geschlechtsspezifisch und kulturtreu ökonomisch am Kapital orientiert durch Männer (denn Frauen sitzen in Deutschland nicht in Chefetagen!) gesteuert und entschieden wird.

      Weiter werden Sie, lieber Leser, noch erfahren, dass eine Kultur ohne Seele, ohne individuelle Geschichte, dafür aber eine mit Pflastern für die Psyche, damit Sie im Falle eines Falles, nicht mehr so viel „merken“, das Ziel der politischen Bemühungen in der Psychotherapie ist.

      Insofern wird in der Überschrift auf das Leben, so wie es zwischen Männern und Frauen in unserer Gesellschaft generell gestaltet und mit geschlechtsspezifischer Bedeutung gefüllt ist, verwiesen, um den Schritt, was mit dem „weiblichen Berufsfeld“ Gesundheitsversorgung oder Gesundheitswesen mittels männlich effizient durchorganisierter Gesundheitswirtschaft passiert, nachvollziehen zu können.

      Gefragt und daher politisch einzufordern sind Besinnung und rückhaltloser Einsatz für das Leben von Menschen und deren Heilung. Innerhalb des Gesundheitswesens wird eine entsprechende Richtung eingeschlagen werden müssen, die ich als „Heilungsprinzip“ formuliere. Allem Anschein nach scheinen dafür Frauen notwendig zu sein – und sind es bereits. Die Dimension des geschlechtsspezifischen Charakters im Berufsfeld scheint dabei in der Tiefe eine nicht unwesentliche Rolle zu spielen, die bisher in Diskussionen nicht genügend wahrgenommen wurde. Die Vernachlässigung kann damit begründet werden, dass bisher viele Männer, sprich Mediziner bzw. Ärzte, im Gesundheitswesen arbeiteten. Damit wurde dieses Berufsfeld gesellschaftlich durch Vermännlichung aufgewertet und salonfähig hinsichtlich der Anerkennung des Berufsstandes durch entsprechende finanzielle Einkunftsmöglichkeiten gestaltet. Medizinische Behandlung wurde zunehmend in der Durchführung der Tätigkeit vermännlicht, sprich, emotionsloser, funktionaler, technisierter und wortloser. Gesprächsbereitschaft war und ist ein vermisstes Gut, eine Rarität, Mitgefühl ist Luxus, der mit Bedacht vielleicht einigen wenigen Patienten zuteil wird.

      Der ehemals auf menschliche Kontakt- und Beziehungsfähigkeit mit Patienten aufbauende Berufsbereich wurde zunehmend ausgetrocknet und zeitlich auf das Notwendigste begrenzt. Im Zuge der Umwandlung der Gesundheitswirtschaft mittels männlicher und rein wirtschaftlicher Mittel und Technologien fiel der Status der Domäne Medizin im Ansehen und wurde neu geordnet: Die Wirtschaft (Mann) thront nun endgültig über Medizin und Heilung und sitzt so in einem primär und inhaltlich weiblichen Berufsfeld.

      Der erste Schritt in diese Richtung wurde mit Anerkennung des Descartesschen Paradigma in der Medizin getan und der Erhebung der Medizin zur Wissenschaft. Fortan wurde Medizin von Männern organisiert und dominiert. Frauen wurden Krankenschwestern und Arzthelferinnen, die ihnen assistieren durften. Medizin entwickelte sich zu einem Geschäft. Frauen wurden aus ihren naturheilerischen Tätigkeitsgebieten ausgegliedert, indem man zum Beispiel Geburt, entsprechende Untersuchungen und Schwangerschaftsbetreuung verwissenschaftlichte und unter dem Gebiet „Gynäkologie“ zusammenfasste. Dies sei hier nur kurz in Erinnerung zu rufen, ohne dieses Thema ausweiten zu wollen. Andererseits führte das wissenschaftliche Studium der Medizin wiederum zur Anerkennung von Frauen in diesem Berufsfeld – sie wurden damit im Laufe der Entwicklung in einen männlich anerkannten Status erhoben.

      Unvergessen ist mir, als ich als Leiterin der Frauen- und Männerstation eines Landeskrankenhauses genauso wie meine leitenden männlichen Kollegen anlässlich einer Besichtigung von Zechen im Ruhrgebiet mit in die Grube einfahren durfte. Ich zählte zum ärztlichen Stab und galt damit offiziell nicht als Frau sondern als Arzt. Die berufliche Identität war der Garant, in die Grube einfahren zu dürfen – denn Frauen war dies nicht gestattet. Ich hatte die Männerkleidung in der Kaue anzuziehen und los ging es in den Fahrstuhl, der in die Tiefe fuhr.

      Gefühle gelten in der Regel als „weibliches“ Attribut und werden von Männern gerne als Frauenkram abgewertet. Im Vergleich mit einem gesunden Mann, der als Maßstab für den gesunden und richtigen Menschen dient, werden Frauen schnell intellektuell und geistig als zweitklassig abqualifiziert. So wurde den Männern ein elementarer Teil der Welt, dessen sie schon immer zum Leben bedurften und den sie sich durch Frauen in ihr Reich holten, genommen und vorenthalten: Sie haben sich ihre Gefühlswelt selbst vorenthalten, um die patriarchalischen Strukturen und Mechanismen, die diese „Weltentrennung“ hervorgebracht haben, zu erhalten. Männer hatten qua Rollenstereotyp keine Gefühle zu haben!

      In meinem Beruf habe ich vielen Männern geholfen, wieder Zugang zu ihren eigenen Gefühlen zu finden, weil sie sich sonst selbst zerstört hätten – und ihre Frauen und Familien gleich mit. Umgekehrt habe ich Frauen geholfen, ihre Männer zu verstehen, die so ganz anders funktionieren.

      Ausgleich und Balance zwischen den Geschlechtern kann jedoch nicht allein mittels der in unserer Berufsfachgruppe täglich zu leistenden Beziehungsarbeit hergestellt werden. Hier ist ein gesamtgesellschaftlich breiter, kultureller Prozess erforderlich. Frauen und Männer sollten nicht gegeneinander arbeiten. Es kann nicht darum gehen, dass Männer weiblich und Frauen männlich werden. Aber es muss darum gehen, dass sie einander anerkennen und sich gegenseitig unterstützen. Denn wir lieben alle auch das Gegenteil, das Anderssein und Fremdsein.

      Wenn Männer und Frauen sich weiterhin gegenseitig abwerten und bekriegen, dienen sie nur der Wettbewerbsideologie – und wieder sind es die Männer, die von diesen Erfolgen profitieren – und stützen die oben aufgezeigten ökonomischen Spielregeln, die langfristig unser Leben in Schutt und Asche legen. Der einzige männliche Grund, dies zu tun, ist in Beziehungen und damit im Gesellschaftsleben oben zu bleiben.

      An dieser Stelle möchte ich ein ZEIT-Zitat einfügen, das als typisch für die gegenseitige Wahrnehmung von Frauen und Männern gelten kann und das die Männer auf ihren tatsächlichen Platz verweist:

      „’Gib einer Frau nie deine Kreditkarte in die Hand’, witzeln Männer gern, und Kabarettisten spötteln, dass Frauen selbst mit verbundenen Augen in fremden Städten in der Lage sind, ohne Umwege den Prada-Laden anzusteuern. Das Geldausgeben scheint – glaubt man Männern – eine weibliche Kernkompetenz zu sein. Studien und Statistiken hingegen belegen, dass Frauen sehr wohl mit Geld umgehen können – besser sogar als Männer. Sie erwirtschaften mit ihrem Geld mehr Gewinne, erleiden weniger Verluste und legen bewusster an als Männer (…) Männer identifizieren Geld mit Macht und Kontrolle. Sie streben nach Gewinnmehrung. Für Frauen dagegen bedeutet Geld Sicherheit und Autonomie. Das sieht Renate Schubert, die Nationalökonomie an der Universität Zürich lehrt, ähnlich: ‚Frauen haben meist weniger Geld zur Verfügung, das macht sie risikoscheuer. Zudem agieren Frauen vorsichtiger, wenn sie über weniger Informationen verfügen. Männer dagegen sind sehr von sich überzeugt. Sie glauben zu wissen, wie Finanzmärkte funktionieren, überschätzen sich oft und treffen falsche Anlageentscheidungen.’“ (Nadine Oberhuber, 16. Juni 2005)

      In Anbetracht der Ergebnisse von Untersuchungen wie der eben zitierten, müssen sich die Männer einige Wahrheiten anhören – ohne dass wir umgekehrt wissen, ob Frauen es auch