Christian Polito

Gummistrapse im Bach


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und vertraute ab sofort voll und ganz auf Steffi.

      Ok, einmal noch wollte ich Recht haben und googelte Nächte lang wegen der Sitzstangen.

      Rund oder eckig, dick oder dünn, hoch oder niedrig, rau oder glatt.

      Eine Woche später kam ich mit zwei, laut Internet, optimalen Sitzstangen aus dem Baumarkt zurück.

      Ja gut die waren nicht ganz billig, aber dafür haben wir sie dann nach sechs Tagen gegen Äste aus dem Wald ausgetauscht, weil das den Hendln besser gefallen hat.

      Als ich das Recherchieren komplett einstellte, hatte Steffi mit meiner Hilfe - ich reichte Schrauben und übernahm Dienstbotenfahrten - den Stall in ein paar Tagen fertig und er war perfekt.

      Jetzt musste der Schlafstall mit ca. 4 qm Grundfläche und 1,5 m Höhe nur noch an seinen eigentlichen Standort getragen werden, der sich ca. 20 läppische Meter vorm Haus befand.

      Warum wir ihn nicht gleich dort gebaut haben?

      Weil wir nicht blöd sind und so die Laufwege zwischen Werkstatt und Bauplatz verkürzt haben - eh klar.

      Weniger klar war uns, dass der fertige Schlafstall gefühlte 50.000 Tonnen wog, was wir nach einem ersten Versuch das Ding an zu heben und einem „Scheiße, mein Kreuz!“ meinerseits aber sehr schnell realisierten.

      Der Toni, ein inzwischen befreundeter Sägewerksbesitzer ausm Nachbarort, half uns aber mit seinem Traktor das Problem zu lösen, konnte sich ein „Den habt’s tragen wollen?!“ inklusive herzhaft, sympathischen Lachen aber nicht verkneifen.

      Egal, der Stall war fertig und einsatzbereit.

      Jetzt fehlten nur noch die Hendln und die waren mit Hilfe vom Franz aus einem anderen Nachbarort schnell besorgt. Einige Tage später zogen sechs Hühner und ein Hahn namens Herr Moritz bei uns ein, die von Kater Caso neugierig, aber misstrauisch beobachtet wurden.

      Wir entschieden uns dafür, dass die Hendln tagsüber völlig frei auf dem Gelände bewegen durften und nur Nachts wegen Fuchs und Marder in den Stall mussten.

      Die Einheimischen rieten uns zwar eindringlich davon ab, weil es ja Tagsüber auch Greifvögel gab, aber was wussten die schon - unsere Hendln sollten frei sein.

      Die Hendln waren jetzt seit einigen Wochen bei uns und auch wenn sie aufgrund ihres jungen Alters noch keine Eier legten, waren sie einfach nett an zu schauen, wie sie da so rumpickten, liefen und gackerten.

      Als wir schon fast gar nicht mehr damit rechneten, war es dann soweit und die ersten Eier lagen in, den nach deutscher Ingenieurskunst gefertigten, Nestern.

      „HAHAAAA! Das recherchieren hat sich gelohnt!“ sagte ich, was postwendend mit einem „HAHAAAA! In die Luft gsprängt hätten ses trotzdem nicht!“ von Steffi quittiert wurde.

      Die ersten eigenen Eier, ja gut für Veganer die ersten selbst geklauten Eier, waren die Besten auf der ganzen Welt! Tiefgelber, cremiger Eidotter ummantelt von einem festen, schneeweißen Eiweiß, garniert mit dem Geschmack von Freiheit und purer Lebensfreude - ein Traum!

      Die Frage was zuerst da war, die Henne oder das Ei, war damit übrigens auch endlich geklärt - naja zumindest was die Edermühle betraf.

      Erna aus der Box

      Eines morgens kam ich zum Hühnerstall und sah voller Entsetzen, dass da ein Huhn verkehrt rum auf’m Boden lag.

      Auf’m Rücken und die Hax’n in die Luft gestreckt - so einen Anblick kannte ich bisher nur bei toten Fischen im Aquarium, wobei Fische ja keine Hax’n haben und Federn auch nicht.

      Wurscht.

      Ich wollte gerade mit der Mund zur Mund Beatmung beginnen und „Den Defibrillator Schwester Stephanie! Schnell!“ schreien, als ich bemerkte, dass das Hendl bei vollem Bewusstsein war und mich etwas genervt anstarrte.

      Es lebte also, aber verhielt sich eben wie eine Schildkröte, die man umgeworfen hatte.

      Aufgrund meiner Haustiererfahrung konnte ich allerdings ausschließen, dass man uns eine Schildkröte als Huhn verkauft hatte - ja lach Du nur, aber Arschlöcher gibt’s überall.

      Kurzerhand drehte ich das Huhn namens Erna einfach wieder um.

      Jetzt stand es da, beide Flügel hängend und einer davon blutig, und schaute mich mit einem WTF-Blick an.

      An meine älteren Leser - WTF heißt What The Fuck und… naja, das Huhn wusste einfach nicht was los ist und hat dementsprechend g’schaut, verstehst.

      Da es unsere ersten Hühner waren, und eine Befragung von Erna meinerseits „Ja geh Erna, was is denn mit Dir passiert…? Hmmm…?“, keine Ergebnisse brachte, riefen wir natürlich sofort den Tierarzt, der unverkennbar irritiert war, warum jemand wegen einem Huhn anruft.

      Für alle Städter, die die Irritation des Tierarztes nicht verstehen - auf’m Land den Tierarzt wegen einem Huhn zu rufen, kommt in etwa gleich gut an, als wenn Du in der Stadt das Gesundheitsministerium anrufst, weil der Schnee nicht weiß, sondern grau ist.

      Im Gegensatz zum Gesundheitsministerium kam der Tierarzt aber tatsächlich um sich die Geschichte an zu sehen und gab uns aus Mitleid ein paar Vitamintropfen für Erna - ich glaube er schätze einfach unser Engagement.

      Darüber hinaus empfahl er uns, sie zu separieren, sprich sie vorübergehend einzeln zu halten, weil der blutige Flügel davon kam, dass andere Hühner sofort auf schwächere Artgenossen los gehen und und somit in der Hierarchie brutal nach unten treten.

      Ich überlegte kurz die Internetdomain „Kapitalisten Hühner aus der Edermühle“ zu registrieren, verwarf diese Idee aber wieder.

      Das Katzenhuhn

      Wir stellten Erna provisorisch einen unserer alten Umzugskartons in den Innenhof, den sie auch sofort als Schlafplatz akzeptierte.

      Nach zwei Wochen hingen ihre Flügel zwar noch immer wie gelähmt nach unten, aber ansonsten war sie ein mehr oder weniger ganz normales Huhn und erhielt aufgrund ihrer Schlafkiste den Namen „Erna aus der Box“.

      In der Zwischenzeit waren auch Fr. Bauer und Fr. Fischer bei uns eingezogen, zwei ältere Damen die wir adoptiert hatten. Nein, natürlich Unsinn. Es handelte sich um junge Katzen des Fischerbauern, die uns helfen sollten, unser Mäuseproblem in den Griff zu bekommen.

      Ja ich weiß, Mäuse sind eh ur putzig, aber eben nicht, wenn’s gefühlte 1.000 Stück sind, die sich dann sogar schon an Kettensägenöl im Plastikkanister vergreifen, nur weil da „Bio“ draufsteht.

      Kater Caso war als Einzelgänger zwar Anfangs gar nicht erfreut über die zwei pechschwarzen Neuzugänge, aber als ursprünglicher Straßenkater zum neuen Großgrundbesitzer aufgestiegen, konnte er sich dann doch recht gut arrangieren.

      Wie auch immer, nach einigen Wochen mit den jungen Katzen im Innenhof hingen Ernas Flügel zwar noch immer, aber dafür dachte sie jetzt, dass sie eine Katze wäre.

      Sie fraß aus der Hand, sprang einem auf den Schoß und ließ sich auch ausgiebig kraulen und es fehlte nur noch, dass sie zu schnurren anfing. Wenn man es nicht selbst mit erlebt hätte, man hätte es nicht für möglich gehalten - von wegen dummes Huhn.

      Ich überlegte kurz, wie lange es wohl dauern würde, um ihr beizubringen das Katzenklo zu benutzen und wie viel jemand bereit war, für ein Katzenhuhn zu bezahlen, verwarf diese Idee aber wieder, weil wir Erna wirklich gern bei uns hatten.

      Das Wunder

      Unser Tierarzt konnte es eine Wochen später nicht glauben - Erna war wie neu und ließ auch die Flügel nicht mehr hängen.

      Sie war also endlich wieder bereit zu den anderen Hühnern nach draußen zu kommen. Einen Tag bei den anderen Hühnern ließ sie wieder die Flügel hängen, also holten wir sie wieder in den Innenhof.

      Eine Woche im Innenhof und es war wieder alles ok, also kam sie wieder raus zu den anderen.

      Einen Tag später lies sie wieder die Flügel