Peter Joe

Ein Kabel für Deutschland


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älterer Herr gemächlich an den Gartenzaun, hat mich nicht reingebeten, sondern wir haben quasi über den Zaun, bei herrlichem bayerischem Wetter, nach dem Warum und Wieso, über das jetzt aktuelle Produkt gesprochen. Ich habe dann — ohne zu wissen wer er ist oder war, er war nämlich genauso nett wie ich und hatte diese gewisse beruhigende, sonore Baritonstimme — erklärt, was es doch für ein tolles Produkt sei, unser Kabel digital. Dass er nur das analoge Signal bestellen wollte, habe ich einstweilen abgespeichert und auch nicht überhört, bin aber davon ausgegangen, dass dieses große, große Haus im Hintergrund und dieser lächelnde Mann bestimmt wegen zwei Euro mehr im Monat ... vor allem wenn ich die ganzen Vorteile ... Der Nette hat sich den ganzen Vortrag bis zum Schluss mit allem Drum und Dran so geduldig, angehört. Sein ab und zu unterbrechendes aber auffallendes Lächeln hab ich als Zustimmung für unser Top Angebot gewertet. Ich wusste nicht, dass jedes Wort bereits gefiltert wurde. Irgendwann kam dann: „Herr Medienberater, alles schön und gut, aber ich schau nicht so viel, eigentlich gar nicht fernsehen. Ich hab nicht mal ein Gerät. Ich les lieber ein gutes Buch und will nur Ihr analoges Programm, weil ich dann beim oder nach dem Lesen im Hintergrund ein klassisches Radioprogramm über Kabel empfangen kann. Wissen Sie“, sagt er, „mein altes Radio rauscht ab und zu und das stört dann auch beim Lesen. Also kann ich jetzt bei Ihnen das Radiosignal einzeln bestellen, oder zumindest das analoge Signal?“

      „Nur Radio?“, sage ich, „is des a Scherz? Des hab ich noch nie gehabt. Was ist mit Fußball, Tagesschau, Panorama, Monitor, Bibel-TV?“

      Er lacht hellauf und sagt wieder ganz gelassen, “Interessiert mich alles nicht“, wie gesagt ganz nüchtern, „ich schau nicht fern, und wenn’s das Radio Signal nicht einzeln gibt, nehme ich halt, des lieben Friedens willen, das analoge Signal für Fernsehen und Radio.“ — Betonung auf und — „Weil“, sagt er weiter, „des für mein Radio völlig ausreicht und wenn ich doch gar keinen Fernseher habe, brauch ich doch auch nicht diesen Receiver und auch nicht diese Karte.“

      Also Totalschwenk, habe ich gedacht und gesagt: „Ich bin leider nur Vermittler von Verträgen, wissen Sie, und wenn meine Mutterfirma, also Ihr Vertragspartner, mir sagt, es gibt keine analogen Einzelnutzerverträge mehr, dann muss ich des auch so weitergeben, und nur ein Radioprogrammlieferungssignalkabel, des gab’s bei uns noch nie extra, des is doch nur ein Kabel, man kann doch das nicht in der Mitte längsseits für Radioprogramme durchschneiden. Selbst wenn Sie heute Nein sagen und morgen einen Fernseher kaufen, wer soll des denn dann überprüfen, wenn beide Signale auf dem Kabel liegen?“ Ich füge noch schnell hinzu: „Ich hab nicht einmal ein Antragsformular mehr für diese alte analoge Geschichte.

      Dann sagt er: „Zeigen Sie doch mal her, den Vertrag mit den neuen Programmen.“ Im Ton wie: Vater spricht zu Sohn.

      Buh, denk ich, das is ja eine richtig schwere Nuss. Also noch mal die Vorteile, jetzt auf klassische Radioprogramme bezogen, hervorgehoben. Könnte sein, dass er sich’s vielleicht bei den zusätzlichen Klangvorteilen und Programmen überlegt, denke ich.

      „Was“, fragt er, völlig unberührt, „hat der analoge Anschluss gleich wieder gekostet?“

      „14,90.“

      „Und der digitale?“

      „Nur 16,90 mit zig digitalen Radiosendern, quasi mit null Rauschen“, sag ich und hol sofort die Senderliste aus meiner Verkaufsmappe.

      „Ja, dann ist mir des klar“, sagt er, ganz gelassen. „Wissen Sie, ich war früher Richter.“

      „Was“, sag ich, „ein echter Richter?“

      „Ja“, sagt er. „Aber ich bin jetzt im Ruhestand, und mir“, sagt er weiter, „ist des völlig klar, warum Sie das analoge Signal nicht mehr verkaufen ... “

      Ich noch schnell berichtigt: „Verkaufen dürfen. Echt“, sag ich noch, „Sie wissen, warum?“, und war jetzt hochinteressiert, was ein echter Richter zu unserer neuen Zwangsdigitalisierung sagen würde.

      „Ja“, sagt er, „weil vermutlich wegen zwei Euro keiner klagt.“

      Na kennen Sie das?

      Küche nur mit Sofa, Auto nur mit Hänger, Käse nur mit Schuhcreme, Anzug nur mit String Tanga.

      Ich gebe zu, ich kannte das auch noch nicht. Nur sollte das alles künftig Standard werden, wissen Sie: Wer hat´s erfunden? Nein nicht Ricola.

      Der Medienberater

      Medienberater, was ist das, was macht der genau und was, zum Teufel, bei einem Kabelnetzbetreiber? Klar, sag ich, Medien wie Fernsehen, Radio, Zeitung die brauchen Werbeeinnahmen, also wirst du da Anzeigen oder Werbezeiten verkaufen. Aber … Netzbetreiber? Was verkauft denn bitte ein Netzbetreiber?

      Der verkauft das Signal der Fernseh- und Rundfunkmedien, weil das via Satellit in sein Kabelnetz eingespeist wird. Das funktioniert exakt so, wie Sie´s von jeder kleinen Satellitenanlage auch kennen, die zu Tausenden montiert sind.

      Die Schüssel auf dem Balkon greift sich das Signal vom Satelliten, der dann meinetwegen Astra heißt, und Sie legen sich von der Schüssel auf dem Balkon ein Kabel zu Ihrem Fernseher. Und jetzt sind Sie Netzbetreiber für ihre eigene Wohnung.

      Wenn Sie sich jetzt nur eine Schüssel vorstellen, die größenmäßig nicht mehr auf einen Balkon passt — so in der Größe Ihres Wohnzimmers — und dann das Kabel erst in die Erde läuft, dann sind sie Kabel-Netzbetreiber. Eine Leitung, sprich Kabel, und darin das durch Satelliten eingespeiste Signal. Viel mehr ist das nicht. Für dieses in die Leitung gelegte Signal muss dann der Empfänger eine Gebühr bezahlen. Hätten Sie eine Satellitenanlage auf Ihrem Balkon und legten ein Kabel zum Nachbarn, dann könnten sie dafür eine Gebühr verlangen. Dann wären Sie Signallieferant und Netzbetreiber. Wenn Sie für ihre Satellitenanlage so 300 Euro bezahlt haben und von ihrem Nachbarn jetzt lebenslänglich eine monatliche Gebühr von 20 Euro verlangen, dann sind Sie Netzbetreiber Signallieferant und Manager.

      Ja, sagen Sie, wieso bekomme ich mit meiner kleinen Schüssel mehr Sender als die mit dem Riesentrum? Je größer desto mehr, gibt’s doch gar nicht. Doch. In das Kabelnetz kommen vorwiegend Sender, die für die Einspeisung auch noch ordentlich und kräftig Millionen abdrücken. Win-win, wegen der Einspeise- und Signallieferungsgebühr — und Lose-lose für die Sendeanstalten und Kabelkunden. Das werden Sie noch öfter lesen, liebe Freunde.

      Ich verkaufe also als Medienberater diese Gebühr. Wie bitte? Eine Gebühr wird doch nicht verkauft, sondern dem Gebührenschuldner einseitig auferlegt. Hat doch staatlichen Ursprung, oder nicht? Ich kann doch keine Steuern, Gerichtskosten oder Rundfunkbeiträge verkaufen — die werden doch verlangt. Also fühlen Sie sich bitte auch so, als braver Gebührenzahler, und bilden Sie sich bloß nicht ein, Sie wären etwa ein Kunde!

      Nur … was hat das mit den Medien zu tun? Und wo ist hier eine Beratung? Die Medien sucht sich Ihr Fernseher/Radio im Sendersuchlauf doch völlig alleine, dazu braucht es doch keine Beratung. Also kurz gesagt, es müsste korrekterweise heißen: Signallieferungsgebühreneintreiber mit der Lizenz, das Fernseh- und Radiosignal abzuschalten.

      Die Kollegen von der GEZ-Prüfung heißen ja auch nicht Gebührenberater. Und die Kollegen von den zig Inkassobüros nennen sich auch nicht Schuldenberater.

      Ja: Was für ein Vergleich. GEZ, Inkasso und Medienberater. Aber tatsächlich: Als Medienberater sucht man u. a. den nicht bezahlten Anschluss und erpresst dann einen Vertrag mit der Drohung, den Anschluss zu sperren, und zwar sofort.

      Wer keine Wahl hat, hat die Qual

      Warum dann Medienberater werden?

      Bei mir waren mehrere Bandscheibenvorfälle die Gründe. Als Angestellter mit diesem Handicap ist es aussichtslos in meinem Beruf.

      Mein erlernter Beruf ist Musikalienhändler, Spezialgebiet Tasteninstrumente, wie E-Pianos, Klaviere und