Stefan Frädrich

AC/DC und das "erste Mal"


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Blogbeiträgen, Artikeln, Newslettern oder Podcasts veröffentlicht habe. Und als ich vor kurzem in meinen alten Texten schmökerte, ist mir die Idee gekommen, einige davon zusammenzustellen, teilweise zu überarbeiten – und als kleines Buch zu veröffentlichen. Dieses Buch halten Sie nun in den Händen.

      Ich habe mich bemüht, die willkürlich ausgesuchten, inhaltlich voneinander unabhängigen Texte möglichst leicht konsumierbar zu machen. Wie bei einem Buffet sollen Sie sich leicht bedienen können, wobei das Buffet hier natürlich aus motivierenden Gedankengängen besteht: Ein bisschen hiervon, ein wenig davon. Beginnen Sie also ruhig in der Mitte, am Ende, am Anfang. Lesen Sie das Buch einfach so, wie Sie es wollen. Hören Sie auf, wenn Sie satt sind, fressen Sie sich durch, bis Sie satt sind. Oder lesen Sie sich so hungrig, dass Sie Appetit kriegen auf mehr. (Weitere Texte werden folgen, glauben Sie mir.)

      Es würde mich also freuen, Ihnen mit diesem Büchlein ein paar Türen zu öffnen in eine Welt aus konstruktiven Wahrnehmungen, Gedanken und Handlungen, in der Sie wirklich gut leben und Großes vollbringen können. Auch wenn es dafür eigentlich immer wieder nur um vermeintliche Kleinigkeiten geht.

      Ja, genau: eigentlich ...

      Viel Spaß beim Gedankentanken!

      Ihr Dr. Stefan Frädrich

      AC/DC und das „erste Mal“

      Vor ein paar Wochen genoss ich auf unserer Dachterrasse AC/DC – live: Am Stadtrand gaben die australischen Hard-Rock-Dinos ein kilometerweit hörbares Open-Air-Konzert. Gute Sache!

       AC/DC auf dem Dach

      Doch während ich ziemlich happy altbekannten Songs wie „For Those About to Rock“, „Back in Black“ oder „Thunderstruck“ lauschte, fragte ich mich, wie oft die älteren Herren um Angus Young und Brian Johnson diese Stücke in ihrem Leben wohl schon gespielt haben mochten – und wie sie es hinbekamen, ihr Publikum auch noch beim X-tausendsten Mal so mitzureißen?

      Ich vermute, die Antwort ist simpel: Sie spielen jedes Konzert so, als wäre es ihr erstes. Und nein, ich will damit nicht sagen, dass AC/DC unter Demenz leiden. Vielmehr glaube ich, dass sie sich jedes Mal (ja, jedes einzelne Mal!) so ihrer Sache hingeben, als wäre genau dieser gerade im Moment gespielte Song vor genau diesem Publikum der einzigste und wichtigste Moment in ihrem Musikerleben. Denn nur so schaffen sie (und andere Live-Performer) es, dass sich ihre Arbeit zwar professionell, aber immer noch frisch, echt und einzigartig anfühlt.

      Die unzähligen kleinen professionellen Routinen nehmen ihnen so keine Lebendigkeit weg, sondern geben ihnen die Sicherheit, sich auf das zu konzentrieren, worauf es im Kern ankommt: auf die Sache selbst, auf ihre Performance, auf das Jetzt – und genau das spürt das Publikum.

       Jeder spielt sein eigenes Konzert

      Na? Kommt Ihnen das bekannt vor? Ich hoffe doch. Denn jeder (ja, wirklich jeder!), der voll und ganz „sein Ding macht“, kann (und sollte) in seiner Arbeit Ähnliches erleben:

      Der Top-Chirurg operiert schon seinen 500sten Blinddarm – und ist dabei trotzdem zum allerersten Mal in genau diesem einen Bauch. Die Frisörin schneidet eine Frisur zwar schon zum 750sten Mal – aber verschönert damit einen Kopf, für den die Frisur eine Premiere ist. Der Verkäufer trifft auf seinen 1.000sten Kunden – und muss sich trotzdem auf ihn einstellen, als wäre es der Allererste.

      Wer wirklich liebt, was er tut, kann das genau so erleben – und wird dadurch mit der Zeit immer besser werden. Wer es nicht liebt, kämpft gegen vermeintlich langweilige Routine – und bleibt im Mittelmaß stecken.

       So wie beim „ersten Mal“

      Der Trick besteht letztlich darin, sich wirklich auf jedes einzelne Mal so zu konzentrieren und dabei (trotz aller Routinen) ganz „da“ zu sein, im Moment zu leben und das Beste zu leisten, was gerade geht. Wer das schafft, wer sich das beibringt, lebt glücklich im Flow und wird zeitlebens besser.

      Auch ich werde ab und zu gefragt, wie oft ich Vorträge und Seminare halte. Und wenn ich dann antworte, dass ich in den letzten Jahren auf locker über tausend komme, sehe ich in ungläubige Gesichter und höre hin und wieder die Frage: „Wie können Sie sich dazu denn noch motivieren?“

      Nun, die Antwort ist im Kern die gleiche: Ich halte nicht tausend Mal den selben Vortrag oder das genau gleiche Seminar. Sondern jeder einzelne Vortrag vor jeder einzelnen Gruppe ist für mich wie eine Premiere (obwohl viele Inhalte immer wieder gleich sind). Denn (fast) jeder im Publikum oder in der Seminargruppe hört mich zum ersten Mal. Und wer mir bereits einmal gelauscht hat und es wieder tut, hat den Anspruch, es möge ihm mindestens so gefallen wie beim letzten Mal – sonst wäre er ja nicht wiedergekommen.

      (Manchmal glaube ich sogar, ich halte gar keine Vorträge, sondern die Vorträge sprechen mich. Ich lasse einfach laufen, was ich sagen will: Es entstehen Gedanken, Worte, Sätze. Scheinbar mühelos quillt es dann aus aus mir heraus. Zwar schon oft formuliert, aber immer noch irgendwie neu. Der Inhalt benutzt mich gewissermaßen als Medium, um wieder und wieder vermittelt zu werden.)

      Genau so hoffe und erwarte ich von AC/DC, dass sie sich bei jedem (ja, wirklich bei jedem einzelnen!) Konzert die Mühe geben, die es rechtfertigt, sich nicht einfach nur einen Song aus der Mediathek reinzuziehen, sondern ihre Musik live zu erleben.

      Damit ein unvergesslicher Augenblick entsteht: für jeden einzelnen Musiker (Chirurg, Frisörin, Verkäufer) und für jeden einzelnen Open-Air-Besucher (Patienten, Kunden, Klienten, Kollegen, Freund(in), Partner, Sohn, Tochter, …).

      Also: Wie sieht es denn bei Ihnen aus? Was tun Sie so Tag für Tag (beziehungsweise müssen Sie täglich tun)? Schaffen Sie es, sich dabei so hinzugeben, wie ein paar ältere Herren aus Australien?

      Was man von Rockmusikern so alles lernen kann …

      Wann es feige ist, feige zu sein (und wann nicht)

      Ich finde ja, es ist nichts dabei, „feige“ zu sein: wenn uns ein betrunkener Autofahrer chauffiert, wir unser gesamtes Vermögen auf eine einzige Aktie setzen oder wir in den Eisbärkäfig klettern, um mit Knut zu kuscheln. Hier gilt: hohes Risiko! Mag ja sein, alles geht gut aus. Aber was, wenn nicht? Dann hätten wir gute Chancen auf einen „Darwin-Award“ wegen D ämlichkeit. Besser also, wir kneifen.

       Einsatz verdoppeln?

      Was aber ist ein Feigling? Einer, der so gut wie immer feige ist – und zwar selbst bei überschaubaren Gefahren. Wenn Sie Backgammon spielen, kennen Sie die Funktion des Doppel-Würfels: Sobald sich ein Spieler im Vorteil wähnt, kann er seinem Gegner anbieten, um den doppelten Einsatz zu spielen – also etwa um zwei Punkte statt um einen. Nimmt der Gegner nun an, riskiert er wahrscheinlich einen doppelten Verlust – schließlich liegt er im Spiel zurück. Lehnt er hingegen ab, verliert er sofort – und zwar nur den einfachen Punktwert. Na, wie würden Sie reagieren, wenn Sie zurückliegen? Alles hinwerfen? Lieber gleich einfach verlieren als den doppelten Verlust riskieren? Schade! Denn: Immerhin können Sie noch gewinnen – vor allem wenn der Doppel-Würfel sehr früh im Spiel zum Einsatz kommt, ist noch alles drin!

      Rechnen wir mal: Angenommen, Ihr Gegenspieler doppelt, sobald er schätzt, dass die Gewinnchancen 70:30 für ihn stehen, und Sie nehmen den Doppel an. Dann verlieren Sie in zehn Partien 7 mal 2 Punkte, also 14 Punkte. 6 Punkte aber gewinnen Sie! Immerhin 30 Prozent aller Spiele, also 3 Siege mit je 2 Punkten. Und unterm Strich kommt dabei ein Verlust von 8 Punkten heraus (6 gewonnene minus 14 verlorene). Schade, schade. Aber: Lehnen Sie den Doppel-Würfel hingegen jedes Mal ab und geben sofort auf, verlieren Sie alle 10 Partien einfach – und somit ganze 10 Punkte! Sie bringen sich also um zwei Siegespunkte.

       Arme „Feiglinge“!

      Es scheint also so, als hätte ein „Feigling“ schlechtere Karten: Er vermeidet Risiken und verliert deswegen nicht nur häufiger, er verliert auch mehr Punkte.