für uns ausgehen, sollten wir
erstens – unsere Chancen so realistisch wie möglich einschätzen! Oft steht es gar nicht so schlecht um unsere Gewinnwahrscheinlichkeit.
Zweitens: Machen wir uns klar, welche Risiken wir mit jeder möglichen Entscheidung eingehen! Oft droht uns schließlich der größte Verlust, wenn wir überhaupt kein Risiko eingehen. Ist der Einsatz also überschaubar, spricht nichts gegen ein wenig Mut – denken wir lieber optimistisch und langfristig!
Aber drittens: Je größer unser Einsatz wird, desto eher wird Risiko zur Dummheit – vor allem bei schlechten Chancen. In diesem Falle: Finger weg! Wir sind ja nicht blöde.
Na, wie sieht es nun mit Ihnen aus? Sind Sie ein „Feigling“? Ich jedenfalls nehme mir die Freiheit auch in Zukunft hin und wieder einer zu sein. So wie ich ebenfalls in Zukunft immer wieder gewagte Projekte beginnen werde. Und zwar beides zu recht. Es kommt eben drauf an.
So explodiert Leistung
Wovon hängt eigentlich ab, wie leistungsfähig wir sind? Ja, ja, ich weiß: Viele Faktoren bestimmen die momentane Leistungsfähigkeit. Zum Beispiel unser Talent, unsere Tagesform, die Laune unserer Mitarbeiter und Kunden, unsere aktuellen Kenntnisse und Fähigkeiten, die Wirtschaftskrise, der Blutalkoholspiegel vom Vorabend, unsere Gene, unser Umfeld, nicht bewältigte (oder besonders gut bewältigte) Kindheitstraumata, und, und, und.
Talent, Trauma, Gene?
Aber welche Faktoren lassen unsere Leistung so richtig explodieren? Nur Talent kann es kaum sein – schließlich kennen wir alle den Typus des erfolglosen „ewigen Talents“. Wäre dieses eben „nur“ systematisch entwickelt worden …
Auch die Kindheitstraumata alleine sind nicht schuld – im Gegenteil: Wussten Sie zum Beispiel, dass der Verlust eines Elternteils während Kindheit und Jugend sogar zum Lebenserfolg beitragen kann? Traurige Tatsache: Etliche A-Persönlichkeiten waren oder sind Waisen – Caesar, Kopernikus, Michelangelo, Napoleon, Washington, Newton, Bach, Händel, Darwin, Nietzsche, Louis Armstrong, Mahatma Ghandi, Charlie Chaplin, Bill Clinton, Madonna, Bono, Paul Mc Cartney, John Lennon, und viele mehr. Warum? Nun, manchmal scheint gerade das Erleben äußerster Verwundbarkeit das Gefühl zu wecken, nicht sicher zu sein im Leben – und sich dann in höchste Leistung umzuwandeln: „Je besser ich bin, desto sicherer lebe ich.“ Ja, Traumata können motivieren: Was so weh tut, darf schließlich nie wieder passieren!
Und wie sieht es mit den Genen aus? Alles weist darauf hin, dass diese zwar eine Rolle spielen können, aber längst nicht müssen.
Was das Lernen von Musikinstrumenten über Leistung verrät
Einen Riesenschritt zur Lösung unseres Rätsels hat der Psychologe Gary McPherson gemacht („Commitment and Practice: Key Ingredients for Achievement during the early Stages of Learning an Musical Instrument“, in Council for Research in Music Education 147, 2001): McPherson untersuchte 157 zufällig ausgesuchte Kinder, die ein Musikinstrument lernten. Ziel der Untersuchung: Welche Kinder wurden dank welcher Faktoren besonders gut?
Zunächst zeigte sich, was zu erwarten war: Ein paar lernten sehr schlecht, ein paar wenige unerwartet gut, und die mit Abstand meisten Kinder landeten irgendwo im Mittelfeld dazwischen. Wie aber kamen die besonders guten Leistungen zustande? Überraschung: Zunächst konnte McPherson ausschließen, dass die besonders erfolgreichen Entwicklungen etwas mit Intelligenz, Gehör, Mathematikkenntnissen, sensomotorischen Fähigkeiten oder Familieneinkommen zu tun hatten! Unerwartet, nicht wahr?
Woran lag es dann? Überraschung Nummer zwei: Wie sich zeigte, lag der Unterschied in einer kleinen, scheinbar unbedeutenden Frage, die den Kindern zu Beginn der Übungsphase gestellt worden war: „Was meinst du, wie lange du das Instrument spielen wirst?“ Die Kinder hatten folgende Antworten zur Auswahl: dieses Schuljahr, nur während der Grundschulzeit, während der gesamten Schulzeit, oder das ganze Leben lang.
Die Kinder gaben also einen Tipp ab, wie wichtig das Instrument für sie zukünftig werden würde. Und nun wurden die Antworten in drei Kategorien eingeteilt: kurzfristige, mittelfristige und langfristige Leistungsbereitschaft. Sie ahnen schon, was kommt? Geduld noch.
Weiter mit dem Versuch: Denn jetzt teilte McPherson die Kinder auch noch danach ein, wie lange sie wöchentlich übten: wenig (20 Minuten), mittel (45) oder viel (90). Und als McPherson nun die Übungszeiten mit der langfristigen Leistungsbereitschaft verglich, zeigte sich ein unerwartetes Ergebnis:
Die Kinder, die nur eine kurzfristige perspektivische Leistungs-bereitschaft hatten, erbrachten klar die schlechtesten Leistungen. Besonders interessant dabei: Sie wurden selbst durch intensives Üben nicht besser!
Die Kinder mit der mittelfristigen Leistungsbereitschaft waren erwartungsgemäß besser. Hier verbesserten sich die Leistungen auch mit der Übungsdauer.
Nun der Hammer: Die Kinder mit der langfristigen Leistungs-bereitschaft waren die mit Abstand besten. Selbst mit der geringsten Übungsdauer waren sie immer noch besser als die kurzfristig Motivierten mit der längsten Übungsdauer! Und: Ihre Leistung schnellte mit längerer Übungsdauer viel steiler nach oben als bei den mittelfristig Motivierten – sie explodierte förmlich! Bei gleichen Übungszeiten waren die Kinder, die langfristig motiviert waren um ganze 400 Prozent besser als die nur kurzfristig Motivierten!
Die Leistungsbooster: Motivation plus Übung
Damit liegt auf der Hand, was die eigentlichen Booster für Spitzenleistungen sind: Motivation und Übung. Treten sie gemeinsam auf, können sie sich gegenseitig in stratosphärische Höhen schießen. Sie sind somit wichtiger als Intelligenz, Herkunft, Talent, Geld oder Erziehung. Sie sind die Erfolgsmacher unseres Lebens.
Was heißt das aber im Umkehrschluss? Womöglich, dass Übung ohne Motivation, Sinn oder Perspektive vergebene Liebesmühe ist! Mal ehrlich: Haben wir diese Erfahrung nicht alle schon etliche Male seit Beginn unserer Schulzeit gemacht? Dass wir zum Beispiel in Fächern, die uns nicht interessierten, schlecht waren, selbst wenn wir darin geübt hatten? Könnte es also sein, dass schlechtere Leistungen überhaupt nichts über unsere Intelligenz oder grundsätzliche Leistungsfähigkeit aussagen, sondern nur über unsere Motivation bezüglich eines bestimmten Themas (oder Lehrers)?
Und: Würde das nicht auch bedeuten, dass große Teile unserer schulischen und beruflichen Auswahlverfahren am Ziel vorbeischießen, indem sie „nur“ durch Leistung die Guten identifizieren und die weniger Guten aussortieren wollen?
Mir wird ganz schlecht, wenn ich an die heute viel leistungsorientierte Auswahl in Schule und Uni denke. Mit meinem eigenen höchst mittelmäßigen Abitur jedenfalls bekäme ich heute keinen Medizin-Studienplatz mehr. Interessanterweise aber war ich ein wirklich guter Student, während viele ehemals bessere Schüler im Studium schlechter waren als ich!
Der Grund ist mir heute klar: Ich wollte unbedingt Arzt werden! Ja, gewissermaßen war ich von Beginn meines Studiums an mental bereits Arzt – jede Alternative erschien mir einfach undenkbar. Also brauchte ich meine Motivation nur noch durch Übung Realität werden lassen. Hätte mich auch ein anderes Studienfach ähnlich zur Leistung stimuliert? Kaum. Selbst wenn es „leichter“ gewesen wäre. Und das, obwohl ich wirklich nur ein sehr mittelmäßiger Schüler mit etlichen Schwächen im Leistungsportfolio war: Mathe, Chemie, Physik, Latein, Französisch, Musik – grausam …
Was aber heißt das für unseren Alltag? Können wir unterstellen, dass wir immer dann nicht genug motiviert sind, wenn wir trotz vieler Möglichkeiten zum Üben nicht genügend Leistung bringen? Zum Beispiel als Vertriebler, Selbstständige, Partner, Nichtraucher oder Sportler. Dass wir uns sagen: „Den Vertriebsjob hängst du eh bald an den Nagel!“; „Mal schauen, wann endlich besser Zeiten kommen und du dich wieder anstellen lassen kannst!“; „Möglicherweise läuft dir morgen ein besserer Partner über den Weg?“; „Irgendwann wirst du sowieso wieder mit dem Rauchen anfangen!“;