C. J. Roth

Aufzeichnungen 13/246


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      Aber sie würden es nur der Polizei geben und keinem der Ärzte oder Pfleger hier, oder?

      Ich verspreche, dass ich es nur an zuverlässige Personen weitergeben würde und auch nur in dem Fall, dass ich dir damit keinen weiteren Schaden zufüge.

      Aber keinem Arzt oder Pfleger dieser Einrichtung, oder?

      Wenn dir das wichtig ist, dann werde ich auch dies explizit erwähnen und unterlassen. Würde dir das helfen?

      Ja.

       Dann formuliere ich meine Frage neu. Ist es für dich in Ordnung, dass ich unsere Therapiesitzungen aufzeichne und, sollte es der Sache dienen, die Bänder einer dritten Person zukommen lasse, die in keinem Angestellten Verhältnis zu der Einrichtung steht, in der du dich momentan befindest?

      Ja, das wäre in Ordnung.

      Sehr schön. Vielen Dank für deine Mithilfe, Susanna.

      ...

      Wie du weißt, steht eine Lobotomie in Aussicht, sollte diese Art der Therapie nicht anschlagen. Weißt du was eine frontale Lobotomie beinhaltet?

      Ein Chirurg wird durch mein Auge in meinen Kopf gelangen und dort die Verbindungen verschiedener, miteinander kommunizierender Gehirnbereiche durchtrennen.

      Das hast du wirklich fantastisch wiedergegeben, aber verstehst du auch, was genau das bedeutet?

      Ja, man wird durch mein Auge eindringen, mit einem metallischen Instrument das einem Pickel gleicht, wird zu meinem Gehirn fahren, um mir Nerven durchzutrennen und hofft, dass dadurch meine Psychosen vermindert oder ganz geheilt werden. Aber die Chance, dass ich den Eingriff überlebe ist gering und ich werde anschließend eventuell für immer geistig oder körperlich eingeschränkt sein.

      Das stimmt. Und aus diesem Grund möchte ich alles daran setzten, dass diese Therapie anschlägt. Ich werde dir helfen, über Dinge reden zu können, die du tief in dein Unterbewusstsein verdrängt hast, damit sie dich im täglichen Leben nicht aus der Bahn werfen. Ich verspreche dir alles daran zu setzten, dass es dir besser gehen wird. Um das beste Ergebnis zu erhalten ist es wichtig, dass du dich fallen lassen und mir vertrauen kannst. Aber ich muss mir dein Vertrauen erst verdienen, das weiß ich. Ich werde mich darum bemühen, dich nicht zu enttäuschen.

      Sitzung 2

      Erzähl mir doch ein bisschen was von dir, Susanna.

      Was möchten Sie denn hören?

      Was du gerade auf dem Herzen hast, oder etwas anderes, das du mir vielleicht erzählen möchtest.

      Ich hasse diese Einrichtung hier.

      Wieso?

      Mein Zimmer ist so leer und dunkel. Zuhause hatte ich ein paar Bilder an der Wand hängen. Ich mochte meine Daunendecke. Hier friert es mich oft.

      Möchtest du eine dickere Decke? Ich könnte das veranlassen.

      Das wäre schön. Und ein Buch, zum Lesen!

      Momentan möchten wir dich von den Meinungen, Gedanken und Weltanschauungen anderer Personen fernhalten, daher wird das mit dem Lesen noch etwas warten müssen. Ich könnte dir einen Zeichenblock und Farbe bringen lassen, damit du die Zeit schneller herumbekommst.

      Keine Bücher?

      Keine Bücher, leider.

      Tut es Ihnen wirklich leid, oder müssen sie das sagen, um sich meine Sympathie zu erarbeiten?

      Warum lachen Sie?

      Weil du ein unheimlich intelligentes Mädchen bist.

      Mädchen. Sie wissen schon, dass Sie gar nicht so viel älter sind als ich, oder?

      Natürlich, ich kann es deiner Akte entnehmen. Du bist gerade einmal vier Jahre jünger, als ich. Hast du ein Problem mit dem Wort Mädchen, oder das ich dich damit jünger einstufen könnte, als du tatsächlich bist?

      Nun, mit achtzehn gelte ich wohl noch nicht ganz als Erwachsene, aber ein Mädchen bin ich nun wirklich nicht mehr. Aber seit dieser Sache...da...behandeln mich alle wie ein kleines Kind.

      Wie sollten sie dich denn stattdessen behandeln?

      Wie eine ebenbürtige. Ich bin auch ein Mensch, habe Gefühle und ich verstehe es, wenn man mich wie eine geistig Zurückgebliebene behandelt. Ich bin traurig und wütend, aber nicht dumm.

      Mit dieser Einschätzung liegst du vollkommen richtig. Ich werde es anmerken.

      ...

      ...

      Und?

      Was, und?

      Sagen Sie nur so, dass es Ihnen Leid tut, oder tut es das wirklich?

      Ich finde es tatsächlich sehr schade, dass du dich hier langweilen musst. Für deine Therapie jedoch ist es von Belang, daher ist es wohl nur eine Floskel, um dir ein besseres Gefühl zu geben.

      Und, was meinen Sie? Habe ich jetzt ein besseres Gefühl, jetzt wo ich Sie durchschaut habe?

      Ich glaube du bist sehr wütend, aber erzähl mir doch einfach, was du empfindest. Das ist wichtig für unsere Therapie.

      Für unsere Therapie? Ich werde therapiert. Nicht einmal das gestehen Sie mir zu. Es ist meine Therapie.

      Natürlich. Es ist wichtig für deine Therapie.

      Ich bin stinkwütend.

      Warum?

      Weil ich hier festsitze, wie eine Idiotin behandelt werde, meine Mutter mich noch kein einziges Mal besuchen gekommen ist, man mir Tabletten gibt, die mich, sobald ich hier raus bin, lethargisch durch den Tag leben lassen. Hier...hier in diesem Raum darf ich wach und gereizt sein.

      Wärst du denn gerne öfter gereizt?

      Was? Nein, darum geht es doch gar nicht. Nur ich und meine Gefühle werden in dieser Anstalt in Watte gepackt und...ich...

      Was, Susanna?

      Ich kann es nicht in Worte fassen, aber es macht mich wütend.

      Ich kann dich verstehen.

      Ach ja?

      Warum so sarkastisch? Natürlich kann ich das verstehen. Nur weil ich nicht hier wohne, heißt es nicht, dass ich deine Gefühle nicht nachvollziehen kann, oder sie nicht selbst schon durchlebt hätte.

      Hier wohne, dass ich nicht lache. Das nennen Sie wohnen? Dann will ich niemals Ihre Wohnung sehen.

      So ein junges Fräulein, wie du, sollte meine Wohnung gar nicht erst erwähnen.

      Da brauchen Sie gar nicht so zu Grinsen.

      Du nimmst mich ja sehr wörtlich. Tust du das immer, oder nur im gereizten Zustand?

      Vergessen Sie's.

      Nein, nun komm schon, Susanna. Warum willst du mich missverstehen? Fühlt sich das besser an, wenn du dich missverstanden fühlst?

      Etwas.

      Fühlst du dich besser, wenn ich dir sage, dass ich dich nicht verstehen kann, weil es dir so schlecht hier geht?

      Ja, etwas.

      Soll ich dich bemitleiden? Dich beweinen? Dir sagen, dass du das schlimmste Leben führst, von dem ich je gehört habe?

      ...

      Soll ich übersehen wie intelligent du bist, und dich wie ein Kind behandeln?

      Ich habe schon verstanden.

      Was hast du verstanden?

      Dass ich mich kindisch benehme. Tut mir leid.

      Schon in Ordnung. Wollen wir es für heute dabei belassen?

      ...ich denke.

      Sitzung 3

      Susanna, ich möchte heute mit dir über den Tod