C. J. Roth

Aufzeichnungen 13/246


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und ich möchte, dass du mir so viel erzählst, wie möglich.

      In Ordnung.

      Wie du dir sicher vorstellen kannst, habe ich die Berichte der Polizei gelesen, aber ich möchte deine Variante hören. Fang doch einfach mal an von dem Tag zu erzählen.

      Es war alles wie immer. Ein ganz normaler Sonntag, wir waren am Morgen noch in der Kirche. Auch dort war alles wie immer. Die gleichen Gesichter, die versuchen Frömmigkeit auszustrahlen, hinter deren Fassaden aber viel mehr verborgen ist. Die Kirche ist ein sehr verlogener Ort.

      Glaubst du nicht an Gott?

      Doch, natürlich. Ich glaube fest an ihn und versuche nach den 10 Geboten und der goldenen Regel zu leben. Man hat mich so erzogen und ich empfinde es für richtig, diesen Glauben weiterzuleben. Aber gerade in den Gotteshäusern sind die Leute verlogen und spielen eine Rolle. Niemand ist ohne Schuld, es liegt in unserer Natur, hin und wieder gegen die Regeln zu verstoßen.

      Hast du auch schon einmal gegen die 10 Gebote verstoßen?

      Ja. Keine schlimmen Verstöße und manchmal habe ich es getan, um andere zu schützen. Zum Beispiel, wenn ich Notlügen erfunden habe, aber ich verstelle mich dann nicht, um einen anderen Eindruck zu hinterlassen. Manchmal habe ich meine Mutter nicht genug geehrt, oder ähnliche Sünden begangen. Ich bete jeden Sonntag um die Vergebung meiner Sünden.

      Auch an diesem Sonntag?

      Ja, auch an diesem Sonntag.

      Und nach der Kirche?

      ...

      Susanna?

      Ja?

      Was ist nach der Kirche passiert?

      Ich...bitte, ich kann nicht darüber reden.

      Warum nicht?

      ...mein Vater...

      Es hat schon nach der Kirche begonnen?

      ...ja...

      Was ist passiert?

      ...

      Hier, mein Taschentuch, damit kannst du die Tränen fortwischen.

      Danke.

      Gerne. Im Bericht steht, dass dein Vater und du, dass ihr gegen 5 Uhr abends aufgefunden wurdet.

      ...

      Du wärst über ihm gekniet und hättest geweint.

      Bitte, lassen Sie das.

      Sie meinten, du hättest etwas aufgesagt. Man konnte nicht verstehen, was du von dir gegeben hättest, aber du hättest es durchweg wiederholt. Was war das, Susanna?

      Bitte, lassen Sie das.

      Susanna, wir müssen darüber reden.

      Bitte, lassen Sie das.

      Susanna?

      Bitte, lassen Sie das. Bitte, lassen Sie das. Bitte, lassen Sie das. Bitte,...

      Du sprichst mit der Person, habe ich Recht?

      Bitte, lassen Sie das.

      Susanna, wer steht da, wer hat das deinem Vater angetan?

      Bitte, lassen Sie das.

      Ist es ein Mann, Susanna? Hat ein Mann deinem Vater etwas angetan?

      ...

      Wer war es?

      ...

      Ich kann dir helfen diesen Menschen hinter Gitter zu bringen. Wer war es?

      ...

      Du hast ihn gesehen, aber du willst nicht erzählen, wer es war? Warum? Warum hilfst du der Polizei nicht, diesen Menschen zu fassen und den Tod deines Vaters aufzuklären?

      HÖREN SIE AUF!

      Wer war es, Susanna?

      NIEMAND! ES WAR NIEMAND! ICH HABE NIEMANDEN GESEHEN!

       Verdammt... Beruhige dich, bitte. Du wirst dir wehtun, wenn du weiter so um dich schlägst!

      NIEMAND! NIEMAND! NIEMAND! NIEMAND!

      Hey, ich brauche hier eine Sedierung!

      NIEMAND! NIEMAND! NIEMAND! NIEMAND!

      Was ist hier los?

      Sie hat einen Schock. Wir müssen sie sedieren und dann auf ihr Zimmer bringen.

      NEIN, LASSEN SIE DAS! WEG! WEG! WEG!

      Geben Sie mir die Spritze, ich mache das. Susanna, das ist ein Beruhigungsmittel. Es wird dir helfen dich zu entspannen. Du weißt wie sich das anfühlt. Es ist alles in Ordnung.

      Dr. Kohler, bitte, helfen Sie mir.

      Ich helfe dir, versprochen.

      Sie müssen mir einfach helfen. Sie haben es versprochen.

      Ja, das habe ich. Alles ist in Ordnung. Du bist in Sicherheit.

      Nein, nein...ich...habe....Je-Jemanden...

      Susanna?

      Die ist erstmal weggetreten. Kommen Sie, wir tragen die Kleine in ihr Zimmer.

      Verdammter Mist! Sie war so kurz davor...verdammt.

      Packen Sie mal mit an, Herr Doktor.

       Ja, in Ordnung.

      Sitzung 4

      Da wir vorgestern diesen kleinen Zwischenfall hatten, habe ich mich dazu entschieden an einer anderen Stelle anzusetzen. Ist das für dich in Ordnung, Susanna?

      Ja.

      Herr Doktor Kohler?

      Ja?

      Ich wollte mich noch entschuldigen und bedanken.

      Wofür?

      Die Entschuldigung ist dafür, dass ich...mich nicht mehr klar verhalten habe und in völlig wirren Sätzen mit Ihnen gesprochen habe.

      Bedanken wollte ich mich, weil Sie mir geholfen haben und mich jetzt noch weiter behandeln wollen, ohne sofort von der Lobotomie zu sprechen. Jeder andere hätte es sich leichter gemacht.

      Gerne, Susanna. Ich habe dir versprochen, dass ich dir helfen werde.

      Viele Leute machen Versprechungen, aber nicht alle halten sie. Das spricht sehr für Sie.

      Vielen Dank für diese Anerkennung.

      ...

      Nun dann, wollen wir beginnen?

      Gern.

      Schön, dich wieder etwas lächeln zu sehen. Wie fühlt sich das an?

      Ein bisschen wie eine Maskerade. Es ist das erste Mal, seit dem Vorfall vorgestern, dass ich wieder lächeln kann. Aber mittlerweile habe ich eine dickere Decke erhalten und muss nicht mehr so frieren. Danke auch dafür.

       Gerne. Du hast mir von deinem Zimmer erzählt, von den Bildern und der Daunendecke. Möchtest du mir noch ein bisschen mehr über dein Zuhause erzählen?

      Wie Sie meiner Akte entnehmen können, sind meine Eltern mit einem hohen und frühzeitig ausgezahlten Erben gesegnet worden. Das hat meinem Vater bei seiner Geschäftsgründung geholfen. Wir wohnen in einem Haus. Bei uns brennt im Winter immer ein Feuer im Kamin in der Stube. Es ist ein warmes Feuer, das einen ab Herbst auf Weihnachten hin fiebern lässt. Trotzdem schüre ich den Kohleofen in meinem Zimmer eher selten an.

      Warum das, Susanna? Du könntest dir die Daunendecke sparen.

      Ich habe irgendwie Angst, dass der Ofen nachts zu brennen beginnen könnte. Ich weiß selbst, dass das Unsinn ist, aber dieses ungute Gefühl werde ich einfach nicht los.

      Hattest du das schon immer?

      Nein, es hängt viel mehr damit zusammen, dass