Jo Caminos

Tempus Z


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kennst du jemand auf dem Gut, der Kyrillisch lesen kann? Die Handbücher sind für mich ein Buch mit sieben Siegeln ...«

      Charlotte schüttelte den Kopf. In Science-Fiction-Filmen war das anders. Da gelang es den Crewmitgliedern im Nu, jede technische Konsole zu bedienen, egal wie fremdartig die andere Kultur war. Nun, das war eben Film.

      Plötzlich standen die Drei vor einem Untoten, der sich hinter einem Wartungswagen versteckt hatte. Charlotte fackelte nicht lange. Sie nahm den Stahlstab und rammte ihm den Untoten mit einer blitzartigen Bewegung in den Schädel. Der Zombie brach übergangslos zusammen und blieb regungslos liegen. Jetzt war der Mann, wenn es ein Mann gewesen war, da konnte man nicht so sicher sein, so verfault und angenagt, wie das Ding aussah, endgültig tot.

      Harald verzog anerkennend die Lippen. »Wenn man dich so anschaut, könnte man bezweifeln, dass du dermaßen fit bist. Respekt.«

      Charlotte erwiderte nichts darauf.

      In ungefähr einhundert Metern Entfernung waren zwei weitere Untote auf sie aufmerksam geworden. Es ödete Charlotte an. Immer und immer wieder dasselbe Spiel: Nimm einen Stab, ein Messer - irgendetwas - und zerfetze ihnen das Gehirn. Es schien niemals aufzuhören.

      Sie hatten die Gangway der Boeing erreicht. Die Einstiegstür oben stand weit offen.

      »Und wenn da Untote in der Maschine sind?«, warf Erwin ein.

      »Werden wir sehen«, kommentierte Harald, der bereits über die Stufen nach oben huschte. Charlotte und Erwin folgten ihm auf dem Fuß. Oben angekommen spähten sie durch die Luke. Im Flugzeug herrschte Stille. Dann jedoch hörten sie ein mehrfaches Stöhnen.

      »Da sind doch noch welche drin«, meinte Erwin.

      Charlotte hielt den Stahlstab in beiden Händen. Ihr Blick hatte etwas Entschlossenes. »Wenn wir schon mal hier sind, machen wir sie alle - jetzt. Nicht später.«

      »Hat keinen Sinn«, sagte Harald mit spröder Stimme.

      »Was hat keinen Sinn?«, fragte Charlotte überrascht. Sie drehte sich nach ihm um. Harald sah zu einer der schweren Turbinen der Boeing. Erst jetzt war zu sehen, dass die Wartungsplatten an der Seite entfernt worden waren. Die Turbine sah aus, das sah selbst ein Laie wie Charlotte, als ob man wichtige Teile entfernt hatte.

      »Ist es das, wofür ich es halte?«, fragte Erwin mit erstickter Stimme.

      Harald fluchte unterdrückt. »Irgendjemand hat die Turbine ausgeschlachtet. Offensichtlich hat jemand Ersatzteile gebraucht. Nie im Leben kriegen wir die Kiste wieder in die Luft. So ein Scheiß. Wir hätten viel früher den Versuch unternehmen sollen, eine Maschine instand zu setzen. Aber auf dem Gut hieß es ja immer: Was soll der Blödsinn ...«

      »Ist ja gut«, wehrte Charlotte ab. Harald hatte ja recht. Sie hatten sich zu sicher gefühlt. Keiner hatte im Ernst in Erwägung gezogen, mit einer der zurückgelassenen Maschinen den Hunsrück zu verlassen. Doch die Zeiten hatten sich geändert, sehr schnell. Viel zu schnell.

      Jemand rannte über das Landefeld. Der Mann - oder war es eine Frau? - bewegte sich viel zu schnell für einen Untoten. Kurz darauf hielt er - es war ein Mann - unten an der Gangway an. »Was wollt ihr in der Maschine? Die Plünderer haben alle Maschinen ausgeschlachtet. Keiner der Vögel hebt mehr ab! Ihr macht nur die Untoten verrückt! Kommt runter, ich bringe euch ins Hauptgebäude. Da sind keine Untoten drin. Wir haben alle Eingänge verriegelt.« Der Mann winkte hektisch. Er wirkte eher wie ein Junge, vielleicht so irgendwo um die Zwanzig. Ein Schlaks mit fuchtelnden Bewegungen und geröteten Wangen.

      Charlotte und die anderen stiegen die Gangway hinab und blieben vor ihm stehen.

      »Dachtet ihr wirklich, ihr könntet die Maschine flottmachen?«, fragte der junge Mann grinsend. Er hatte wasserblaue Augen und ein freches Grinsen.

      »Dachten wir«, erwiderte Charlotte etwas säuerlich.

      »Kommt. Schaffen wir uns ins Gebäude.«

      Harald und Erwin zögerten, und auch Charlotte war nicht so blauäugig, sich so ohne Weiteres einem Fremden anzuvertrauen.

      Der junge Mann verzog das Gesicht. »Kein Vertrauen mehr in dieser Zeit. Auch gut. Wenn ihr nicht wollt, dann fahrt wieder davon. Euer Jeep steht noch da, wo ihr ihn zurückgelassen habt. Wenn ich böse Absichten hätte, wärt ihr die Kiste schon längst los. Könnte gut so ein Ding gebrauchen für die Exkursionen in die Wälder.«

      Daran war etwas dran. Charlotte wechselte einen schnellen Blick mit ihren Begleitern, dann sagte sie: »Okay, schauen wir uns den Flughafen mal von innen an.«

      Harald zögerte noch immer, doch Erwin schlug ihm auf die Schulter. »Wenn die uns etwas Böses wollten, hätten sie den Jeep genommen und uns kalt gemacht. Vorsicht ist gut - aber Paranoia kann auf die Dauer tödlich sein. Ich vertraue auf mein Gefühl ...«

      Kurz darauf setzten sie sich in Bewegung. Der junge Mann, der sich Sammy nannte, führte sie zu einer verborgenen Tür neben dem großen Wartungstor. Charlotte musste innerlich grinsen. Hatte sie ihr Gefühl also doch nicht getrogen, allerdings hätte sie die Tür nicht so ohne Weiteres entdeckt, da man sie getarnt hatte. Kurze Zeit später liefen sie schweigend durch das Flughafengebäude und erreichten wenig später eine der ehemaligen Schalterhallen, wo zwei junge Frauen bereits auf den jungen Mann warteten. Sonst war niemand da.

      »Verdammt, du verstößt gegen die Abmachung«, schimpfte die größere der Frauen. »Keine Fremden. Wir waren uns doch einig, dass wir uns hier einigeln, bis der Scheiß vorbei ist.«

      Sammy verzog die Lippen, erwiderte aber nichts.

      Charlotte sah der Frau in die Augen. »Bist du wirklich so naiv anzunehmen, dass ihr die Sache hier aussitzen könnt?«

      Die Frau winkte unwirsch ab.

      Sammy stellte sie vor. »Das sind Sylvia und Sandra. Sie sind vor ein paar Monaten aus der Festung abgehauen, nachdem es zu einem Angriff der Marodeure kam. Seitdem warten wir zusammen hier ab. Ich habe einen Kurzwellenempfänger, mit dem ich Nachrichten aus der Festung empfangen kann.« Er schenkte Charlotte und den anderen einen langen Blick.

      »Dann weißt du, was Sache ist?«, fragte Charlotte.

      Sammy nickte. »Eure Idee, mit einer Maschine abzuhauen, ist prinzipiell nicht schlecht, aber vor ein paar Wochen war eine seltsame Gruppe hier, die sahen aus wie Punks und Gruftis, die haben alles mitgenommen, was nicht niet- und nagelfest war. Wir haben uns im Flughafengebäude versteckt und toten Mann gespielt. Irgendwann ist der Trupp dann wieder abgezogen. Wenn ihr mich fragt, die gehörten zu den Marodeuren. Ach so, außer uns ist hier niemand mehr. Die drei Familien mit ihren Kindern, die kurz hier waren, sind weitergezogen, nach Norden oder so. Sie wollten nach Holland. Eine der Familien hat da irgendwo eine kleine Jacht. Vielleicht haben sie es geschafft. Wer weiß … Und die anderen, die hier waren, haben sich der Reihe nach verzogen. Hier ist ja nichts mehr zu holen …«

      »Wie besorgt ihr euch euer Essen?«, fragte Erwin übergangslos.

      Sammy sah ihn etwas verlegen an. »Nun, wir sind nur zu dritt. Als das Internet noch funktionierte, habe ich mich bei der Versorgungsstelle in der Festung gemeldet und gesagt, dass es auf dem Hahn noch mehrere Überlebende gibt. Die haben darauf eine vollgepackte Drohne geschickt. Lebensmittel für eine kleine Siedlung - für uns drei hat das allemal gereicht.«

      »Moralisch auch nicht ganz sauber«, stellte Harald mit säuerlichem Blick fest.

      »Aber effizient«, bemerkte Erwin. »Und nicht dumm. Wenn die in Frankfurt nicht fragen, wie viele Leute sich hier aufhalten, soll das nicht das Problem von den Dreien sein. Ich finde es ganz clever.«

      Charlotte verzog das Gesicht. »Ja - war mal clever, die Idee. Aber wenn die Festung wirklich in der Hand der Marodeure ist - wovon wir ausgehen müssen - dann werden sie auch über kurz oder lang hier auf dem Hahn auftauchen. Schon vergessen? Du hast doch selbst vermutet, dass sie die Datenbanken oder Listen auswerten, wer mit der Festung Handel betrieben hat. Man weiß also, dass sich auf dem Hahn jemand aufhält ...«

      Erwin presste die Lippen aufeinander. »Daran hab