Gisela von Mossen

Mit dem Wohnmobil durch die Welt — trotz Rollstuhls im Gepäck


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- beide Ende vierzig, also schon in fortgeschrittenem Alter - unserem nächsten Hobby zu, das sich als noch spannender erweisen sollte, nämlich dem Reisen mit dem Wohnmobil.

      Bei einem einschlägigen Händler im Norden Hamburgs entdeckten wir nach einigem Suchen genau unser Wunschauto, es war ein Tabbert 600 E, hellgold metallic, dunkelbraun abgesetzt, und bot allen Komfort, den man braucht, um sich wohl zu fühlen. Ganz besonders hatte es uns die große Hecksitzgruppe angetan mit besten Ausblickmöglichkeiten nach drei Seiten. Im Frühjahr 1983, genau am 18.03., stand das Prachtstück auf einem eigens dafür gepflasterten Platz im Vorgarten unseres Bungalows in Niendorf im Norden Hamburgs. Von da an gab es kein Halten mehr, jedes Wochenende waren wir unterwegs, auch Regen und Sturm konnten uns nicht abschrecken. Oft genug stellten unsere Töchter, die inzwischen als Studentinnen eigene Wege gingen, die maßlos erstaunte Frage: “Wollt Ihr bei dem Dreckwetter etwa los?“ Und ob wir wollten!!!

      Die Umgebung Hamburgs bietet ja schließlich eine Fülle von Möglichkeiten. Für die Nacht suchten wir uns die schönsten Stehplätze aus, und da das Wasser nach wie vor eine große Faszination auf uns ausübte, fiel die Entscheidung meistens auf solche am romantischen Ufer eines Flusses oder Sees (davon gibt es in der nahen Holsteinischen Schweiz mehr als genug) oder auch direkt am Nord- oder Ostseestrand; auch die reizvolle Kieler Förde ist in verhältnismäßig kurzer Zeit zu erreichen, das westlich der Elbe gelegene romantische Alte Land mit seinen wunderschönen Fachwerkhäusern usw. usw.

      Etliche Male bekamen wir überraschenden Besuch von einigen Clubkameraden aus dem Hamburger Yachtclub (HYC), dem Heimathafen unseres anfangs erwähnten vorherigen Hobbys, der „Gimoga“, die auf ihren Wochenendtörns in der Nähe unseres abendlichen Stehplatzes am Ufer der Ober- oder Unterelbe Anker geworfen oder einen nahe gelegenen Sportboothafen angelaufen hatten. Außer uns gab es auch noch etliche andere „Umsteiger“, die die Vorzüge des Reisens mit dem Mobi erkannt hatten, man ist eben nicht mehr von Wind und Wetter abhängig und kann auch noch bei Windstärke 8 „auslaufen“.

      Auf unseren etwas längeren Urlaubsreisen lernten wir Land und Leute im näheren und ferneren Ausland kennen. Um dem Untertitel gerecht zu werden, möchte ich jedoch die Jahre bis zum endlichen Erwerb eines Rollstuhls mehr oder minder gerafft darstellen, denn erst ab dann gab es für uns kein Halten mehr, und es begannen die laut unserem Schwiegersohn Diethard spektakulären Reisen in die weite Welt. Bis dahin waren wir nach altbewährtem Muster, viel fahren, wenig gehen, unterwegs, denn, wie zu Beginn erwähnt, litt mein Ehemann seit 1957 an einer MS, wodurch seine Gehfähigkeit erheblich eingeschränkt war, d.h. mit Hilfe eines Stockes und meiner Unterstützung konnte er je nach Tagesform 50 bis 100 m weit laufen, nach kurzem Ausruhen ging es langsam weiter. Das Wohnmobil war also für uns das ideale Fortbewegungsmittel, alles, was man zum Wohlfühlen brauchte, hatte man dabei; die schönsten Plätze zum Verweilen bestimmte man selbst und genoss die herrliche Natur aus unmittelbarer Nähe.

      Besuch der nördlichen Nachbarn

      Nach dieser Devise verlief auch unser erster Besuch der nordischen Länder im Sommer 1983, d. h., die faszinierende Westküste NORWEGENS mit ihren unendlich vielen, zum Teil Geheimnis umwobenen, weit in das Land hineinreichenden Fjorden, den bis zu 2.500 m hoch aufragenden imposanten Gletschern, den malerischen Städten und einsamen Fischerdörfern hatten wir bereits auf einer traumhaften Fahrt mit der Kong Olav, einem Postschiff der Hurtigrouten, im Hochsommer des Vorjahres kennen gelernt.

      Um nach dem Verkauf unserer „Gimoga“ im Frühjahr nicht so abrupt auf schwankende Planken verzichten zu müssen, hatten wir diese Reise wegen der starken Nachfrage in weiser Voraussicht schon eine ganze Weile vorher gebucht; Ausgangspunkt war die an der Südwestküste gelegene Hafenstadt Bergen; unter Anlaufen vieler kleiner verträumter und auch bekannter Häfen mit genügend Zeit zu Landgängen (die Schiffe der Hurtigrouten sind gleichfalls für die Beförderung von Post und Fracht jeglicher Art zuständig) ging es in nordöstlicher Richtung die eindrucksvolle Küste entlang, in atemberaubende Fjorde hinein, dann wieder zurück auf das zeitweilig wild bewegte Nordmeer; das Überqueren des Nördlichen Polarkreises wurde natürlich mit einer feierlichen Zeremonie begangen und endete mit der Aushändigung einer Urkunde an jeden Passagier der internationalen Gästeliste, jedoch nicht ohne zuvor einem finster dreinblickenden Neptun mit wallendem Seetangbart und blitzendem Dreizack auf seinem „Thronsessel“ sich tief verbeugend die Reverenz erwiesen zu haben, wofür er sich mit einem Kübel Eiswasser, hinterhältig in den Nacken gegossen, revanchierte.

      Nach einem Abstecher zu den zerklüfteten Lofoten, bei guter Sicht ist die mächtige Felswand oberhalb des Hafens Stamsund schon aus weiter Ferne auszumachen, glitt die Kong Olav durch eine faszinierende Inselwelt mit herrlichen Ausblicken auf sattgrüne, bizarr geformte Hänge ebenso wie auf hoch aufragende Gletscher mit rauschenden Wasserfällen und vom Nordlicht angestrahlten Schneefeldern bis zum Schwindel erregenden Nordkap, das per Bus erklommen wurde; quer durch urwüchsige Tundra, über karge bemooste Hügel mit riesigen Steinhalden und dunkel schimmernden Seen, die Heimat der Rentiere, einige stolze Exemplare bekamen wir auch tatsächlich vor die Linse; entlang an Magendrücken verursachenden Abgründen, bis man oben auf dem Plateau durch einen überwältigenden Blick in die Tiefe und in weite Fernen vollauf entschädigt wurde. Mit Kirkenes, einem kleinen Örtchen nahe der russischen Grenze war der Wendepunkt dieser herrlichen Reise erreicht, die uns auf etwas veränderter, aber ebenso begeisternder Route zurück nach Bergen führte.

      Doch nun wieder zu den nicht minder interessanten Nachbarn. Nachdem uns die Nils Holgerson von der TT Saga Line also am Freitag, d. 29. Juli 83, nebst gut verstautem Mobi von Travemünde aus bis nach Trelleborg an der Südküste

      - SCHWEDENS -

      gebracht hatte, genossen wir die Fahrt bei schönstem Sonnenschein durch die romantische Schärenlandschaft der Ostküste mit ihren unzähligen vorgelagerten Inselchen, angeblich sollen es 23.000 sein, kaum nachzählbar; kleine gemütliche Fischerdörfer mit ihren typischen bunten Holzhäuschen wechseln sich ab mit größeren blitzsauberen Hafenstädten, wie z.B. Karlskrona, dessen gut erhaltener Marinehafen, ehemaliger Hauptstützpunkt der schwedischen Flotte, der bereits um 1680 auf Anordnung von Karl XI. erbaut wurde, inzwischen seit 1998 auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO steht; weiter nördlich dann Kalmar, eine der ältesten Städte Schwedens; nahe des idyllischen Altstadtkerns Gamlastan mit seinen kopfsteingepflasterten Gassen erhebt sich auf einer Halbinsel sehr imposant das mächtige Kalmarslott, die Türme gekrönt von grünen Kupferhelmdächern, durch einen Burggraben vom Festland getrennt; es begann 1180 mit dem Bau eines Verteidigungsturmes und wurde im Laufe der Jahrhunderte u. a durch eine Ringmauer mit vier wuchtigen Bastionen allmählich zu einer Festung ausgebaut; 1397 wurde dort ein historischer Meilenstein gesetzt, als man in den Räumen des Schlosses die Kalmarer Union besiegelte, die Vereinigung der nordischen Reiche DÄNEMARK, NORWEGEN und SCHWEDEN unter einer Herrschaft.

      Welch ein Gegensatz die moderne Ölandbrücke, eröffnet im September 1972, die sich in kühnem Schwung von Kalmar aus 6027 m lang und an der höchsten Stelle 42 m über dem Meeresspiegel auf 156 Pfeilern über den Kalmarnsund hinweg zur Insel Öland zieht, die nach Gotland mit 135 km Länge und 16 km Breite zweitgrößte Insel Schwedens, auch Insel der Sonne und der Winde genannt. Natürlich verführte uns dieses Meisterwerk der Technik zu einem kurzen Abstecher. Bis auf wenige Ausnahmen reihen sich die hübschen kleinen Ortschaften an der Westküste aneinander, ansonsten bestimmen weite wogende Felder, blühende Wiesen und Wälder das Landschaftsbild. Immer wieder stößt man auf Gräberfelder aus der Vorzeit und historische Windmühlen, von denen