Heike Heth

Vollbremsung


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      Heike Heth

      Vollbremsung

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      Inhaltsverzeichnis

       Titel

       1.

       2.

       3.

       4.

       5.

       6.

       7.

       8.

       9.

       10.

       11.

       12.

       13.

       14.

       15.

       16.

       17.

       18.

       19.

       Impressum neobooks

      1.

      Der runde, leere Raum erstrahlte in einem makellosen Weiß, wie eine großflächig geschlossene Schneedecke, auf welche die Sonne schien. Ohne die bunten Türen, die von den Wänden abstachen wie farbige Kleckse auf einer hellen Leinwand, hätte Michael eine Sonnenbrille gebraucht, um nicht geblendet zu werden. Die Türen reihten sich im gleichen Abstand voneinander an der Wand entlang, jede mit einem anderen Farbton versehen und halb geöffnet. Michael fühlte sich verwirrt und unsicher, die offenen Türen lösten bei ihm, trotz der freundlichen Farben, Angst aus. Ein heftiger Impuls, sie zu schließen, ergriff ihn, so dass er zielstrebig auf die erste zuging, die Klinke in die Hand nahm und sie hastig zuschlug. PENG! Es hallte dröhnend durch den hohen Raum. Erschrocken zuckte er zusammen, der Knall echote in seinen Ohren und hinterließ ein Gefühl von Endgültigkeit. Mit klopfendem Herzen fing er an, die restlichen Türen der Reihe nach zuzuschlagen. Wie bei rasch aufeinanderfolgendem Donnergrollen jagte ein Schlag den nächsten, sie peitschten ihn voran, verfolgten ihn. Atemlos und erschöpft verharrte er am Ende in der Mitte des Zimmers. Er fühlte sich unwohl und spürte einen Druck auf dem Brustkorb.

      Sein Blick schweifte über den Boden, wobei er bemerkte, dass er innerhalb einer schwarzen, viereckigen Umrandung stand. In diesem Moment klappte das Viereck einer Falltür gleich nach unten weg. Vor Schreck stockte ihm der Atem, kurz schien er in der Luft zu schweben, bevor er scheinbar endlos in die Tiefe fiel, bis er heftig aufschlug. Während die Dunkelheit ihn bereits einhüllte, wunderte er sich noch, warum er keinerlei Schmerzen verspürte.

      Michael träumte - er, der nie träumte. Er bewegte sich im Bereich des Unbewussten, einer Region, deren Existenz er verleugnete. Sein Verstand kontrollierte normalerweise seine Wahrnehmung. Er sorgte zuverlässig dafür, dass etwaige Traumerlebnisse nicht in das Bewusstsein vordrangen oder Spuren im Gedächtnis hinterließen.

      Ein lautes Krachen ertönte und schreckte Michael aus seinem Dämmerzustand. Kurz blitzte eine Erinnerung auf. Er sah einen Mann in einem maßgeschneiderten dunkelblauen Anzug. Dazu trug er ein in dezenten Blauschattierungen gehaltenes Hemd sowie eine Krawatte aus hellblauer Seide. Mit einem Mantel über dem Arm und einem Laptop in der Hand ging dieser auf einen schwarzen BMW zu und stieg ein. Die Autotür wurde heftig zugeworfen, und das Auto brauste so rasant davon, dass eine Staubwolke aufwirbelte.

      Dann verblassten die Bilder. Er fühlte sich wie in Watte gepackt und versuchte vergeblich, sich daraus zu befreien. Im nächsten Moment versank er in einen weiteren merkwürdigen Traum.

       Ein Mann mit fest aufeinandergepressten Lippen und gerunzelter Stirn starrte angestrengt mit vorgeneigtem Oberkörper auf den Bildschirm eines Computers. Er befand sich in einem Zimmer, das neben dem vom Bildschirm abgegebenen Licht von einer modernen Halogenschreibtischlampe erhellt wurde. Es war weder gemütlich noch einladend eingerichtet. Mit Ausnahme eines imposanten Schreibtischs ordnete sich die Ausstattung einer reinen Zweckmäßigkeit unter. Schlichte Aktenschränke für Unterlagen und Bücherregale, in denen sich ausschließlich Fachliteratur befand, standen an der Wand. Ein bequemer Sessel, Grünpflanzen, Bilder oder sonstiges schmückendes Beiwerk fehlten.

      Michael kam dieser Raum vertraut vor, aber bevor ihm einfiel, woher er ihn kannte, veränderte sich die Traumszene.

       Eine Frau betrat mit sachten Schritten das Arbeitszimmer.

       »Ich habe doch gesagt, dass ich nicht gestört werden will«, raunzte der Mann sie unwirsch an, ohne den Kopf vom Bildschirm abzuwenden.

       »Bist du noch nicht mit deiner Rede fertig?«, entgegnete sie nervös. »Es ist spät, und du musst morgen früh raus«.

       Sie wusste, dass ihm das Aufstehen nicht mehr so leicht fiel, und das ärgerte ihn. Er legte viel Wert darauf, in der Öffentlichkeit den Eindruck eines dynamischen Mittfünfzigers zu erwecken. »Das braucht dich nicht zu kümmern«, erwiderte er gereizt. Er schaute sie an. »Außerdem kann es dir egal sein, du kommst ja eh nicht mit«.

       »Von wegen nicht beleidigt! Warum willst du nicht zugeben, dass es dir was ausmacht«, konterte sie gereizt.

       »Und was nützt mir das? Wenn du glaubst, mich so zum Reden zu zwingen, hast du dich getäuscht. Jetzt halt mich nicht länger von meiner Arbeit ab.«

       Der Mann drehte den Kopf energisch zurück zum Bildschirm und signalisierte damit, dass die Unterhaltung für ihn beendet war. Sie ging mit Tränen in den Augen zur Tür und schloss diese mit einem scharfen Knall.

      Die Szene mit den klar gesprochenen Dialogen wirkte so realistisch, dass Michael daran zweifelte, dass er träumte. Sie hinterließ eine eigenartige Empfindung, da ihm die beiden Protagonisten bekannt vorkamen. Was war nur mit ihm los, dass er diese absurden Träume hatte?

      Gewöhnlich erwachte er vom Klingeln des Weckers, das ihn stets unmittelbar aus einem traumlosen Schlaf riss, kurz darauf saß er hellwach im Bett, bereit, den Tag zu beginnen. Und wieso waren ihm solche Fakten geläufig, während er gleichzeitig keine Ahnung hatte, wo er sich befand? Dann fiel ihm ein, dass er geschäftlich häufig in Länder mit anderen Zeitzonen reiste. Der Jetlag führte manchmal dazu,