Jean-Pierre Kermanchec

Der Tote von Trévarez


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informieren können?“

      „Selbstverständlich, sein voller Name lautet Robert Courtain. Er wohnt in Quimper, in der Rue Charles Chasse. Robert hat keine weiteren Angehörigen, er ist alleinstehend gewesen. Wenn ich mich richtig erinnere, dann hat er keinerlei Geschwister. Auch seine Eltern sind bereits verstorben.“

      „Was hat Monsieur Courtain beruflich gemacht?“

      „Robert hat eine eigene Immobilienfirma geführt. Wir haben schon seit Jahren sehr gut zusammengearbeitet. Sein Büro liegt in Quimper, in der Rue du Parc. Er ist bestens bekannt in der Stadt und hat den Ruf eines sehr seriösen Immobilienhändlers. Die Firma nennt sich Odet-Immo.“

      „Ja, von der habe ich schon gehört.“

      Ewen konnte sich erinnern, dass Carla vor einigen Jahren eine Wohnung für ihre Tochter Marie über die Firma gesucht hatte.

      „Wissen Sie, was Monsieur Courtain in Trévarez wollte?“

      „Ich habe noch nicht einmal gewusst, dass er dorthin gefahren ist. Nein, mir gegenüber hat er nicht von Trévarez gesprochen. Er ist allerdings ein Liebhaber von Blumen gewesen. Vor einigen Monaten ist er auf die Île de Bréhat gefahren, um dort einige Tage Urlaub zu verbringen. Er hat die Insel wegen ihrer Ruhe aufgesucht. Ihre Blütenpracht ist ein weiterer Beweggrund für seine Reise gewesen, wie er damals gesagt hat. Wir haben uns für den Sonntagmorgen verabredet gehabt, um gemeinsam zum Fischen zu gehen. Als Robert dann nicht erschienen ist, habe ich es seltsam gefunden. Er hat nie ein Rendezvous mit mir vergessen. Ich habe daraufhin umgehend eine Vermisstenanzeige aufgegeben. Der Beamte hat zwar gemeint, dass es noch etwas früh dafür sei. Ich habe aber darauf bestanden.“

      „Hatte ihr Freund Feinde oder bekam er in letzter Zeit Drohungen?“

      „Feinde? Richtige Feinde hat er meines Erachtens nach nicht gehabt. Wie ich schon gesagt habe, er ist als ein sehr seriöser Immobilienhändler bekannt und seine Kunden sind überwiegend zufrieden mit ihm gewesen. Neider dürfte es bestimmt gegeben haben, zumal er ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann gewesen ist. Von Drohungen hat er mir nichts erzählt. Ich bin mir sicher, dass er mit mir darüber gesprochen hätte.“

      Paul notierte sich immer wieder die eine oder andere Aussage von Monsieur Guillem. Auch der Hinweis, dass Monsieur Courtain auf der Île de Bréhat gewesen war, stand in seinem Notizbuch. Paul sah von seinem Büchlein auf und blickte Guillem an.

      „Sie sagen, Monsieur Guillem, dass ihr Freund auf der Île de Bréhat gewesen ist. Wissen Sie noch, wann das genau gewesen ist?“

      „Da muss ich nachsehen, ich habe es mir in meinem Kalender notiert, weil ich hin und wieder Termine mit zukünftigen Bauherren gemeinsam mit Robert gemacht habe.“

      Monsieur Thierry Guillem zog eine Schublade auf und entnahm ihr ein schwarzes, in Leder eingebundenes Kalendarium und schlug es auf.

      „Wie Sie sehen, bin ich noch altmodisch. Ich schreibe meine Termine immer noch in meinen Kalender anstatt alles in mein Smartphone zu tippen.“

      „Kommt mir irgendwie bekannt vor“, sagte Ewen und grinste. Auch er war kein Freund der modernen Technik, obgleich er sie durchaus nutzte.

      „So, da haben wir es ja schon. Robert ist vom 12ten bis zum 15ten April auf der Insel gewesen.“

      Paul notierte das Datum in sein Notizbuch.

      „Nachdem er von dort zurückgekommen ist, hat er Ihnen gegenüber von irgendeinem besonderen Ereignis berichtet?“

      Paul sah sein Gegenüber an und wartete auf eine Antwort.

      „Nein, er hat nur gesagt, dass die Tage zu schnell vorbeigegangen sind. Ich glaube, er wäre gerne noch einige Tage geblieben aber wir haben bereits Geschäftstermine verabredet gehabt.“

      „Monsieur Guillem, Sie kennen doch bestimmt die Handynummer ihres Freundes, können Sie uns die geben?“

      „Natürlich kenne ich seine Nummer.“ Thierry Guillem gab den Kommissaren die Nummer.

      „Kennen Sie auch sein Autokennzeichen?“

      „Sein Kennzeichen kenne ich nicht, aber Robert hat einen 530er BMW gefahren, schwarz metallic.“

      Ewen sah Paul an, als wollte er ihn fragen, ob er weitere Auskünfte von Monsieur Guillem haben wollte. Als Paul den Kopf schüttelte, erhob sich Ewen von seinem Stuhl.

      „Haben Sie vielen Dank für ihre Auskünfte. Wir werden uns jetzt erst einmal die Wohnung und die Büroräume ihres Freundes ansehen. Sollten wir weitere Fragen haben, dann rufen wir Sie an.“

      Ewen und Paul reichten Thierry Guillem die Hand und verabschiedeten sich.

      Im Dienstwagen fragte Ewen seinen Kollegen nach der Frage zu Bréhat.

      „Du hast nach einem Ereignis auf Bréhat gefragt, gibt es einen besonderen Grund dafür, Paul?“

      „Nicht wirklich, ich kann mich nur erinnern, dass im Ouest France vor einigen Monaten ein kurzer Bericht über den Tod eines jungen Mädchens gestanden hat. Ich muss nachsehen wann der Bericht genau erschienen ist. Der Bericht ist mir eingefallen, als Monsieur Guillem von der Île de Bréhat gesprochen hat. Es könnte ja vielleicht einen Zusammenhang mit dem verunglückten Mädchen geben, ist aber wahrscheinlich sehr weit hergeholt.“

      „Ausschließen kann man nichts. Wir sollten uns das schon genauer ansehen.“

      Paul Chevrier und Ewen Kerber fuhren zurück nach Quimper. Die Wohnung von Robert Courtain war ihr nächstes Ziel. Jetzt, da sie wussten, um wen es sich bei dem Toten handelte, war das weitere Vorgehen klar. Sie mussten sich die Wohnung und das Büro von Courtain ansehen, um eventuelle Hinweise oder Spuren zu finden, die auf den Mörder hindeuteten. Paul rief auf der Fahrt nach Quimper Dustin an und bat ihn, mit seiner Mannschaft in die Rue Charles Chasse zu kommen.

      Nach zwanzig Minuten stellten die Kommissare ihren Wagen vor dem Haus von Robert Courtain ab und stiegen aus. Das Grundstück schien recht groß zu sein, Ewen schätzte es auf 3000 m2. Das Wohnhaus lag gute 60 Meter von der Straße entfernt. Ewen und Paul folgten dem Kiesweg bis zur Haustür. Sicherheitshalber klingelten sie und warteten, ob sich etwas im Haus regte. Alles blieb still.

      „Guillem hat uns ja bereits gesagt, dass Courtain alleinstehend ist“, meinte Paul.

      „Hast du dein Werkzeug in der Tasche?“

      Ewen bezeichnete die Sammlung von verschiedenen Dietrichen, die Paul meistens in der Tasche seines Jacketts mitführte, als Werkzeuge.

      „Klar, habe ich immer dabei.“ Er holte die kleine Sammlung aus seiner Tasche und versuchte, das Schloss an der Haustür zu öffnen. Paul war ganz geschickt darin und brauchte nicht sehr lange, bis das Schloss mit einem Knacken aufsprang. Die Haustür öffnete sich und die beiden Kommissare betraten den Hausflur von Robert Courtain.

      Das Haus schien von außen nicht sehr groß zu sein. Jetzt, nachdem sie im Hausflur standen, erschien es Ewen deutlich größer. Der Flur war lichtdurchflutet. Nicht nur durch die große Scheibe der Tür, sondern auch durch ein bis zur Decke reichendes Fenster auf der gegenüberliegenden Seite, konnte das Tageslicht ungehindert eindringen. Links und rechts sah Ewen auf Zimmertüren.

      „Ich übernehme die linke Seite und du die rechte?“, fragte er Paul, der bereits dabei war seine Latex-Handschuhe überzustreifen.

      „Mach ich“, sagte er zu Ewen und ging sofort in das erste Zimmer. Ewen betrat das Zimmer vor ihm. Es schien eine Bibliothek zu sein. An drei Seiten des Raumes standen übervolle Bücherregale. Es schien keine besondere Ordnung zu herrschen. Romane und Sachbücher waren übereinander gestapelt. Dazwischen entdeckte Ewen Zeitschriften über französische Immobilien, und veraltete Nachrichtenmagazine. Der Raum machte keinen sehr gepflegten Eindruck. Ein großer Ohrensessel stand unmittelbar neben dem Fenster und daneben stand ein kleines Beistelltischchen, auf dem ebenfalls Bücher, Zeitschriften und allerlei Krimskrams lagerten. Ewen sah sich die verschiedenen Regalinhalte an, in der Hoffnung etwas Brauchbares zu finden, dass ihm einen Hinweis geben konnte, in welche Richtung